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Dampfmaschine
nur wenig Kraft. Das eigentliche Ventil e wird durch die nach außen führende Stange h bewegt und sitzt mit seinen konischen Dichtungsflächen auf den Ventilsitzen l und m auf. Der frische Dampf tritt bei o an das Ventil heran und gelangt bei gehobenem Ventil durch die Ringspalten zwischen e und l und zwischen e und m in den Cylinder. d ist der hohle Raum zwischen Cylinder und Dampfmantel.
Den großen Vorteilen, welche die eben behandelte Corliß- und Ventil-Steuerung und deren Varianten bieten, steht als Nachteil entgegen, daß sie die Anwendung großer Tourenzahlen nicht gestatten, da der präcise Schluß der Hähne resp. Ventile, auf welchem die gute Wirkung der Steuerung beruht, bei größern Geschwindigkeiten nicht mehr stattfindet. Das Bestreben, diesen Übelstand zu heben, führte zu einer Art von Steuerungen, bei denen das Ventil fortwährend, beim Öffnen und auch während der Abschlußperiode der Dampfwege, vom Mechanismus geführt ist, den sog. zwangläufigen Ventilsteuerungen. Die Eröffnungsperiode der Corliß- und Sulzer-Steuerungen und ihrer Abarten ist ja ebenfalls zwangläufig; von dem Augenblick an aber, in welchem der Übertraghebel vom Ventilhebel abgleitet (bei Sulzer) oder wenn die Auslösung des Drehschieberhebels vor sich gegangen ist (bei Corliß), steht das Ventil während der Abschlußperiode nur unter der Wirkung von Feder, Gewicht und Luftpuffer, wodurch auch die Abschlußgeschwindigkeit von der Spannung der Federn und Puffer, von der Größe des Gewichts wesentlich abhängig ist. Diese in ihrem Verlaufe einigermaßen unbestimmte Schlußperiode wird bei den zwangläufigen Ventilsteuerungen durch den Steuerungsmechanismus bestimmt geregelt. – Der erste, welcher mit einer derartigen Steuerung an die Öffentlichkeit trat, war der Ingenieur Alfred Collmann in Wien. Derselbe hat eine Steuerung konstruiert, die in den verschiedensten Modifikationen für jede Art von Dampfmaschinen anwendbar ist. Taf. Ⅱ, Fig. 4 zeigt diejenige Anordnung, welche von der zur Ausführung berechtigten Görlitzer Maschinenbauanstalt und Eisengießerei in Görlitz angenommen ist. An jedem Cylinderende ist oben ein Eintrittsventil, unten ein Austrittsventil angeordnet. Von der Schwungradwelle aus wird durch Kegelräder eine vor dem Cylinder liegende, mit der Längenachse desselben parallel laufende Steuerungswelle in Drehung versetzt; auf der letztern sitzt vor jedem Einlaßventil ein Excenter mit aufwärts gerichteter Stange. Diese Stange erfaßt in ihrer Mitte das untere Ende eines doppelarmigen Hebels, dessen anderer Arm mit einem über dem Einlaßventil angebrachten Kniegelenk in Verbindung steht. Unmittelbar oberhalb der Stopfbüchse des Ventils teilt sich die hier gabelförmige Ventilstange, um das Kniegelenk aufzunehmen; über demselben vereinigen sich beide Gabelteile wieder zu einem cylindrischen Stabe, der in dem Querarm eines auf den Cylinder geschraubten Ständers geführt und von einer zu oberst liegenden Blattfeder niedergedrückt wird. Der obere Teil des Kniegelenks ist an der verlängerten Ventilstange befestigt; dasselbe ist so eingerichtet, daß bei geschlossenem Ventil, also beim Stillstand der Ventilstange, der eine ununterbrochene Bewegung ausführende untere Teil sich teleskopartig in ihm verschieben kann. Beide Teile sind mit breiten, runden Platten ausgestattet, sodaß beim Aufwärtsgang des untern Kniegelenks die beiden gegeneinander stoßen und das Ventil dadurch geöffnet wird. Bei der Abwärtsbewegung muß infolge der Federbelastung auch die Ventilstange nach unten gehen, aber nicht mit der dem Federdruck entsprechenden, sondern mit einer der Bewegung des Kniegelenks gleichkommenden Geschwindigkeit. Außer dieser vertikalen erleidet der Mittelpunkt des Kniegelenks noch eine horizontale Verschiebung, die ein Durchbiegen desselben veranlaßt. Da diese Bewegung dem horizontalen Ausschlag der Excenterstange entnommen und noch unter der Einwirkung des Regulators modifiziert wird, ergiebt sich eine vom Stand des Regulators abhängige Bewegung des Kniegelenks, die den variablen Schluß des Ventils bewirkt. Unabhängig von dem Steuerungsmechanismus der Einlaßventile ist der stets unveränderlich wirkende der Dampfauslässe. Zur Bewegung derselben dient je ein auf der Steuerungswelle sitzender Daumen, der bei einmaliger Rotation mittels eines Winkelhebels und einer horizontalen Schiene das Ventil hebt und senkt; ein rasches Öffnen und Schließen des letztern wird durch zweckmäßige Form des Daumens erreicht. Der Füllungsgrad variiert von 1 zu 90 Proz. – Außer der Collmann-Steuerung sind in den letzten Jahren noch eine außerordentlich große Zahl weiterer zwangläufiger Ventilsteuerungen konstruiert und patentiert worden, so die von Hartung, Brown, Höffner, Proell, Kliebisch, König, Kuchenbecker, Widnmann u. a.
Die Bauarten der Woolfschen und Compoundmaschinen werden durch die folgenden Figuren verdeutlicht. In Taf. Ⅰ, Fig. 2 ist eine Woolfsche D. mit Receiver von Escher Wyß & Comp. dargestellt, bei welcher die beiden Cylinder hintereinander angeordnet sind (Tandem-Maschine). Die Verbindung von Cylinder und Hauptlager ist auch hier durch den Corliß- oder Bajonettballen hergestellt. Wie die Abbildung zeigt, ist die Maschine mit Kondensation eingerichtet und der Kondensator a unter dem Fußboden angebracht. Der Antrieb der Kondensatorpumpe erfolgt mittels eines vertikalen Balanciers, der eine Bewegung vom Kreuzkopf durch zwei Lenkstangen erhält. Der Regulator wirkt nur auf die Steuerung des kleinen Cylinders verändernd ein, dessen Füllung durch ihn von 0 bis 85 Proz. verstellt werden kann. Weiter kommen die Woolfschen Maschinen in stehender Anordnung bei Balanciermaschinen häufig vor.
Taf. Ⅱ, Fig. 5 zeigt den Grundriß einer Compoundmaschine von Collmann. Dieselbe zeigt deutlich die um 90° versetzten Kurbeln und die zu beiden Seiten des Schwungrades angeordneten, mit der bereits beschriebenen Collmann-Steuerung versehenen Dampfcylinder. Der in der Zeichnung als unter dem Fußboden liegend punktiert angegebene Receiver R ist mit einem Dampfmantel versehen, der die Heizung desselben bewirkt, um eine Kondensation des aus dem kleinen Cylinder austretenden Dampfes zu verhindern und event. dem im Receiver befindlichen Dampfe noch Wärme zuzuführen. Die Kondensatorpumpe ist hinter dem kleinen Cylinder angeordnet und wird von der durch den Cylinderdeckel hindurch geführten Kolbenstange bewegt. In neuerer Zeit werden die Compoundmaschinen mit Vorteil so ausgeführt, daß auch jeder Cylinder für sich allein arbeiten und den Betrieb aufrecht erhalten kann, um so die Reparatur eines der Cylinder ohne Betriebsstörung zu ermöglichen. Die dann notwendigen Rohrverbindungen sind in der eben erwähnten Zeichnung angegeben. Auch wird die Einrichtung ge- ^[folgende Seite]