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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dampfmaschine

troffen, daß der Kondensator ausgeschaltet werden und der Austrittsdampf ins Freie strömen kann. – Die Totalansicht einer liegenden Compound-Maschine mit zwei Cylindern (von Ph. Swiderski, Leipzig) giebt Taf. Ⅱ, Fig. 8. Bei dieser Konstruktion wird die Luftpumpe des hinter dem großen Cylinder angeordneten Kondensators direkt von der Kolbenstange des Cylinders angetrieben. – Eine Dreifach-Expansions-Maschine stehender Bauart, mit Seilschwungrad, giebt Taf. Ⅲ, Fig. 4. Die drei Cylinder sind nebeneinander auf drei Ständen gelagert und vorn durch Säulen unterstützt. Die Kurbeln sind um je 120° verstellt, und die dreimal gekröpfte Welle wird durch fünf Lager gehalten. Der seitlich angebrachte Regulator wirkt auf die Füllung des kleinen Cylinders; die Schieber werden durch Excenter angetrieben; vom Kreuzkopf des großen Cylinders aus erfolgt die Bewegung der Kondensatorpumpe. – Die Taf. Ⅴ giebt die Einrichtung einer Vierfach-Expansionsmaschine ohne Kondensation nach Ausführung der Engländer Rankin und Blackmore. Der erste und zweite Cylinder A und B, sowie der dritte und vierte Cylinder C und D sind als Tandem-Maschine angeordnet; je zwei Cylinder liegen so auf jeder Seite des Schwungrades. Die Einrichtung ist auch hier so getroffen, daß jedes Cylinderpaar unabhängig vom andern die Maschine treiben kann. Die Steuerung liegt überall auf der dem Schwungrad abgewandten Seite der Cylinder. Der Dampf gelangt zunächst in den kleinsten Cylinder A und zwar durch Ventile (in der Figur nicht sichtbar), die von der Schwungradwelle aus durch das Excenter E geöffnet und geschlossen werden. Der Austritt des Dampfes aus A wird durch den Rohrschieber R geregelt, bei den Cylindern B, C und D für Aus- und Einlaß ist der einfache Muschelschieber angewendet. Durch das Verbindungsrohr V gelangt der Dampf, nachdem er in A und B gewirkt hat, nach C und D.

Die drei folgenden Abbildungen geben Ansichten von Betriebsdampfmaschinen für elektrische Beleuchtungsanlagen. Taf. Ⅲ, Fig. 2 zeigt eine kleine Compoundmaschine ohne Kondensation mit hoher Umdrehungszahl, gebaut von C. Daevel in Kiel zum Betrieb einer Dynamomaschine von Siemens & Halske in Berlin (sog. Dampfdynamo). Taf. Ⅳ, Fig. 3 stellt eine besonders große stehende Compoundmaschine mit 2 Cylindern und Kondensation dar, aus der Maschinenfabrik von Kuhn in Stuttgart-Berg, direkt gekuppelt mit einer Dynamo von Schuckert & Co in Nürnberg, wie sie auf der Elektrischen Ausstellung in Frankfurt a. M. 1891 im Betriebe war. Die Leistung beträgt 300‒320 Pferdestärken und die Tourenzahl 160 pro Minute. Bemerkenswert ist die hier angebrachte Centralschmiereinrichtung, zwei an dem Schieberkastenmantel befestigte Ölkästen, von welchen aus zahlreiche Röhren zu den einzelnen zu schmierenden Teilen führen. – Eine D., welche sich durch geringe Rauminanspruchnahme auszeichnet, ist die in Taf. Ⅱ, Fig. 7 dargestellte Dreicylinder-Dampfmaschine (hier Compoundmaschine) von Brotherhood. Die drei Cylinderpaare derselben sind im Kreise um eine mittlere Welle geordnet, an deren Kurbel ihre drei Pleuelstangen gemeinschaftlich angreifen und die Welle in Umdrehung versetzen. Die Dampfvertreibung erfolgt für alle Cylinder durch einen mit der Welle rotierenden Kreisschieber, welcher für diese Art schnellgehender Maschinen, bei denen es nicht in erster Linie auf Dampfökonomie ankommt, ganz vorzügliche Dienste leistet. Die Figur stellt sie mit einer Dynamomaschine gekuppelt dar.

Die jetzt sehr bekannte Westinghouse-Compoundmaschine hat auch den Vorteil geringen Raumbedarfs. Taf. Ⅱ, Fig. 9 zeigt die äußere Ansicht, und Taf. Ⅳ, Fig. 1 u. 2 geben Vertikalschnitte dieser Maschine. Die einfach wirkenden Cylinder erhalten den Dampf durch einen quer über ihnen liegenden horizontalen Kolbenschieber, der mittels eines Winkelhebels durch ein auf der Schwungradwelle sitzendes Excentner ^[richtig: Excenter] bewegt wird. Die Pleuelstangen greifen direkt an den Kolben an. Der untere Maschinenkasten enthält ein Gemisch aus Öl und Wasser, in das die Kurbelzapfen bei jeder Umdrehung behufs Schmierung eintauchen.

Endlich sei noch kurz der rotierenden D. gedacht. Die Idee, den Dampfdruck ohne Vermittelung von Pleuelstange und Kurbel direkt zur Umdrehung einer Welle zu benutzen, wurde schon von Watt erfaßt und zur Ausführung zu bringen gesucht. Seit jener Zeit tauchen immer wieder neue Konstruktionen auf, in denen die Lösung des Problems versucht wird; indessen ist ein nennenswerter praktischer Erfolg mit diesen Maschinen bis jetzt noch nicht erreicht worden. Die Fig. 1 der Taf. Ⅱ veranschaulicht eine derartige rotierende Maschine von Cox. Die Wirkungsweise derselben beruht darauf, daß der Dampfdruck aus einen plattenförmigen Kolben wirkt, der an einer excentrisch durch den Cylinder gehenden Welle radial verschiebbar befestigt ist. Der wunde Punkt aller dieser Maschinen besteht noch heute in der Schwierigkeit, den rotierenden Kolben gegen die Wandungen genügend abzudichten. (S. Dampfturbine.)

Über Sicherheitsvorrichtungen an D. s. Sicherheitsvorrichtungen; über Berechnung der Leistung der D. s. Indikator und Indikatordiagramm. Vgl. auch Dynamometer und Bremsen. Die gesetzlichen Bestimmungen über Dampfmaschinenanlagen s. Dampfkesselgesetze.

Statistisches. Für Deutschland wird im J. 1892 die Zahl der vorhandenen D. zu etwa 85000, die der Pferdestärken zu etwa 2850000 anzunehmen sein. Wie bedeutend deren Vermehrung in den letzten Jahren gewesen ist, geht aus der amtlichen preuß. Statistik hervor. Danach fanden sich, abgesehen von den D. der Militärverwaltung, der Kriegsmarine und den Lokomotiven, in Preußen:

Dampfmaschinen 1879 1889

Zahl Pferdestärken Zahl Pferdestärken

Feststehende Dampfmaschinen 29890 887780 45192 1508195

Lokomobilen 5442 47104 11916 111070

Schiffsdampfmaschinen 623 50309 1674 154189

Summa 35960 985193 58782 1773454

Auf der ganzen Erde wird die Zahl der D. zu etwa 1,8 bis 1,9 Mill., die ihrer Pferdestärken zu etwa 54‒60 Mill. anzunehmen sein. In Deutschland sind für die Herstellung von D. die Hauptplätze: Berlin, Chemnitz, Köln, Magdeburg, Düsseldorf, Hannover, Dresden, Leipzig, Breslau, Görlitz u. a. Die deutsche Handelsstatistik führt D. unter Maschinen mit auf, die Ausfuhr überwiegt erheblich die Einfuhr. Nennenswert ist ferner die Ausfuhr Englands, Belgiens und der Schweiz.