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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Desiderata - Desinfektion

als die zehnte Muse oder die franz. Kalliope gefeiert zu werden. Obgleich Zeitgenossin Boileaus und Racines, bleibt sie doch eine Vertreterin des vorklassischen preciösen Geschmacks. Ihre Oden, Episteln und dramat. Dichtungen sind unbedeutend. Wahres poet. Gefühl lebt in ihren kleinern Gedichten, besonders in den Madrigalen. Für die Kinder des Grafen Artois wurden ihre "Vers allégoriques" gedruckt, die überhaupt, vorzüglich aber in der zweiten, mit Versen von Racine vermehrten Auflage eine bibliogr. Seltenheit sind. Sie starb 17. Febr. 1694 zu Paris. Die vollständigste Ausgabe ihrer Werke, nebst den Gedichten ihrer Tochter, Antoinette Therese D., geb. 31. Mai 1656, gest. 8. Aug. 1718 zu Paris, ist die von Crapelet (2 Bde., Par. 1799). Einen Auszug aus ihren und Chaulieus Gedichten gab Friedrich II. heraus (Berl. 1777). - Vgl. Péricaud aîné, Les deux D. (Lyon 1853); Deltour, Les ennemis de Racine (4. Aufl., Par. 1884); Ste. Beuve, Portraîts de femmes (3. Aufl. 1869); P. Jacquinet, Les femmes de France (Par. 1886).

Desiderata, Tochter des Langobardenkönigs Desiderius (s. d.), wurde 770 mit Karl d. Gr. vermählt, von diesem aber schon 771 aus unbekannten Gründen verstoßen. Da die Verfeindung von Franken und Langobarden in des Papstes Politik paßte, so nahm dieser keinen Anstoß daran, daß Karl alsbald eine andere Gemahlin nahm.

Desideria (Désirée), Eugénie Bernardine, Königin von Schweden, geb. 8. Nov. 1777 als Tochter des Kaufmanns Clary in Marseille, vermählt 16. Aug. 1798 mit Jean Bernadotte, nachmaligem König von Schweden (s. Karl XIV. Johann), war eine Schwester der Gemahlin Joseph Bonapartes. Nachdem sie 8. März 1844 Witwe geworden, starb sie 17. Dez. 1860. - Vgl. Hochschild, Désirée reine de Suède et de Norvège (Par. 1888).

Desiderieren llat.), etwas vermissen, nach etwas verlangen; Desiderat (desider/atum, Mehrzahl desiderata), etwas als fehlend Vermißtes, Wünschenswertes, Mangel, Lücke; Desideration, das Vermissen von, das Verlangen nach etwas; desiderativ, Verlangen ausdrückend.

Desiderium (lat.), Mehrzahl desiderĭa (Desiderīen), Wunsch, Verlangen, Begehr: pium desiderium, s. Pia desideria.

Desiderius, der letzte König der Langobarden, war Herzog von Tuscien und trat beim Tode des Königs Aistulf 756 als Bewerber um die Krone auf, die ihm von Aistulfs Bruder Rachis streitig gemacht wurde. Durch Unterstützung des Papstes Stephan II. und der Franken gewann D. die Oberhand, hatte aber dafür dem Papste Landabtretungen versprechen müssen, die er als König nicht halten konnte. Der fränk. König Pippin vermittelte den Streit, und zeitweise fand das Papsttum in D. eine Hauptstütze, verfolgte ihn aber mit kaum glaublichen Beschimpfungen, als Karl d. Gr. eine Tochter des D., Desiderata, zur Gemahlin nahm. Papst Stephan III. fürchtete durch diese Verbindung den Rückhalt zu verlieren, den er an den Franken gegen die Langobarden hatte. Karl d. Gr. löste die Ehe bald wieder, und als D. nun, vielleicht auf die Weigerung des Papstes, die beiden Söhne von Karls d. Gr. Bruder Karlmann zu fränk. Königen zu salben, 773 Rom bedrohte, unterwarf Karl das Langobardenreich und verbannte 774 den D. nebst Frau und Töchtern in fränk. Klöster. Die Versuche seines Sohnes Adelgis, mit Hilfe der Byzantiner die Selbständigkeit des Langobardenreichs herzustellen, scheiterten, Adelgis selbst wurde 788 gefangen und getötet. Benevent, wo eine Tochter des D., Adalperga, mit dem Herzoge Arichis verheiratet war, huldigte Karl d. Gr. Eine andere Tochter des D., Luitberge, war mit dem Bayernberzoge Tassilo vermählt. Daß eine Tochter des D., in Liebe zu Karl entbrannt, ihm Pavia geöffnet, also den Vater verraten habe, jedoch von den Hufen der fränk. Rosse im Thore zertreten worden sei, gehört der Sage an, die überhaupt den Untergang des Langobardenreichs umsponnen hat.- Vgl. S. Abel, Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter Karl d. Gr., Bd. I (2. Aufl., bearbeitet von Simson, Lpz. 1888): Paulus Diakonus und die übrigen Geschichtschreiber der Langobarden, übersetzt von O. Abel (in den "Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit", neu bearb. von Jacobi, Lpz. 1879).

Desiertas, s. Canarische Inseln.

Designation (lat., d. h. Anweisung oder Bezeichnung), die vorläufige Berufung zu einem Amte, dessen wirkliche Übertragung dann noch an anderweite Bedingungen geknüpft ist. Auch wird D. bisweilen im Sinne von Verzeichnis (von Kosten, von Waren [z. B. zollamtliche D.], der einzelnen Nummern in einem Aktenstück u. dgl.) gebraucht.

Designatores, bei den alten Römern ursprünglich Beamte, welche im Theater und Cirkus den Zuschauern ihre Plätze anzuweisen hatten. In der Kaiserzeit bezeichnet D. eine Art von Vorsitzenden bei den Cirkusspielen, der die Vorkehrungen für jedes Rennen traf und die Preise verteilte.

Designieren (lat.), bezeichnen, bestimmen; für ein Amt im voraus ernennen (s. Designation).

Designolles Pulver (spr. -ßinjolls), eines der Pikratpulver (s. d.): es wurde seit 1869 in Frankreich und Nordamerika versucht und in ersterm Lande zum Füllen von Torpedos eingeführt. Für diesen Zweck besteht es aus gleichen Teilen Pikrinsäuren und salpetersauren Kalis. Behufs Verwendung als Gewehrpulver werden beide Teile im Verhältnis von 3 zu 9 verwendet und wird noch ein Teil Holzkohle hinzugesetzt. D. P. ist bei der Herstellung und Handhabung wegen seiner großen Empfindlichkeit gegen Reibung und Stoß gefährlich.

Desima, holländ. Faktorei, s. Nagasaki.

Desinfektion (frz.), die Unschädlichmachung der Krankheiten erregenden Ansteckungsstoffe oder Kontagien (s. d.). Seitdem man die Ursache einer ganzen Reihe der verschiedensten und gerade der gefährlichsten und verheerendsten Krankheiten, wie Pocken, Diphtherie, Tuberkulose, Typhus, Cholera, Pyämie, Rotlauf, Wundstarrkrampf (Tetanus), Hospitalbrand u. a., in dem Auftreten gewisser niederer, zu den Spaltpilzen oder Bakterien (s. d.) gehörender Organismen erkannt hat, deren Verbreitung die Übertragung der Krankheit von einem Individuum auf das andere, oder die Ansteckung, veranlaßt, ist die Möglichkeit gewährt, mit mehr oder weniger Erfolg der Ausbreitung solcher Krankheiten durch Abtöten der betreffenden krankheiterregenden Mikroparasiten entgegenzuwirken. Es ist dies Aufgabe der D., welche demnach mit der Heilung der Krankheiten direkt nichts zu schaffen hat, sondern die vorhandene Krankheit auf die möglichst geringe Zahl von Individuen zu beschränken und ganz vorzugsweise als vorbeugende Maßregel zu gelten hat. Die günstigen Erfolge, welche bislang durch die D. erzielt sind, gründen sich auf die Erkenntnis der meisten Ansteckungsstoffe als Lebewesen, als Spaltpilze.