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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dresden (Haupt- und Residenzstadt)

pelle, von Kurfürst Friedrich August I. begründet, ward durch Hasse und Naumann zu einem Stütz- und Glanzpunkt der Tonkunst in Deutschland; Paër wahrte und Weber mehrte ihren alten Ruhm; darauf folgten die Kapellmeister Reissiger, Krebs, Rietz, Wagner, Wüllner und Schuch. Das Hoftheater glänzte früher vorzüglich durch die ital. Oper; erst seit 1817 ward die deutsche Oper eingeführt und im Verlauf von kaum zwei Jahrzehnten zur ausschließlichen Geltung gebracht. Als Dramaturgen wirkten namentlich Tieck und Gutzkow. Die hervorragendsten Kräfte der Bühne waren Jenny Ney, Mitterwurzer, Schnorr und Tichatschek; Franziska Berg, Marie Bayer, Dawison, Emil Devrient. Neben den beiden Hoftheatern (das große in Altstadt mit 1500 Sitz- und 200 Stehplätzen, das Alberttheater in Neustadt mit 1700 Sitz- und 300 Stehplätzen) besitzt D. seit 1872 das Residenztheater in der Cirkusstraße. An Privatvereinen bestehen die Dreißigsche und die (von R. Schumann gestiftete) Dresdener Singakademie, ferner viele Gesangvereine (Orpheus, Liedertafel u. s. w.), ein Tonkünstler- und ein Orchesterverein; weiter der 1828 begründete Sächsische Kunstverein, welcher eine dauernde Kunstausstellung unterhält, der Verein für kirchliche Kunst und viele inmitten der Künstler selbst bestehende Genossenschaften. Der Pflege der Wissenschaften sind gewidmet: der Sächsische Altertumsverein, der Verein für die Geschichte Dresdens, die Isis (naturwissenschaftliche Gesellschaft), der Verein für Erdkunde, die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Litterarischer Verein, Deutscher Sprachverein, der Pädagogische Verein u. s. w. Für Förderung der gewerblichen Interessen sind unter anderm thätig: die Flora und der Gärtnerverein, die Europäische Modenakademie, der Gewerbeverein und der Kunstgewerbeverein.

In D. erscheinen 12 tägliche Zeitungen und Anzeiger, darunter der "Dresdner Anzeiger" (Amtsblatt der Behörden), die "Dresdner Nachrichten", mit Sonnabendswitzblatt (das verbreitetste, auch außerhalb am meisten gelesene Blatt), das königl. "Dresdner Journal", die "Dresdner Zeitung", die socialdemokratische "Sächsische Arbeiterzeitung" und 65 wöchentliche oder monatlich ein- oder mehrmals erscheinende, darunter "Fürs Haus" und "The Stranger’s Guide".

Das rege geistige Leben wird durch weltberühmte Sammlungen für Wissenschaft und Kunst, durch treffliche Lehranstalten aller Art sowie zahlreiche gelehrte Gesellschaften und Vereine für künstlerische und gemeinnützige Interessen gefördert. Die großen Sammlungen für Wissenschaft und Kunst dankt es größtenteils den beiden Kurfürsten Friedrich August I. und II. (1693-1763), welche mit einem ungeheuern Kostenaufwande Kunstschätze jeder Art für ihre Residenz erwarben. Als die wichtigsten derselben sind hervorzuheben: Die königl. öffentliche Bibliothek im Japanischen Palais, unter Kurfürst August (gest. 1586) gegründet, mit 3-400000 Bänden, 182000 Dissertationen, 20000 Landkarten, 3000 Handschriften, 2000 Inkunabeln, ausgezeichnet durch viele Seltenheiten. Hauptbestandteile sind die Bibliotheken des Grafen Bünau, welche 1764, und die des Ministers Brühl, welche 1768 angekauft wurde. Bedeutend ist auch die obenerwähnte Sekundogenitur-Bibliothek, durch die Kurfürstin Marie Antonie Walpurgis gestiftet, jetzt dem Prinzen Georg gehörig; ferner die Stadtbibliothek, die Bibliothek der Technischen Hochschule und die der vormaligen Chirurgisch-Medizinischen Akademie (15000 Bde.). Das Münzkabinett (im königl. Schloß), bereits unter Johann Georg II. angelegt, besonders unter König Friedrich August I. durch einzelne Seltenheiten und ganze Sammlungen (z. B. Madais Groschenkabinett, Baumgartens Dukatenkabinett, Aubers Sammlung sächs. Münzen, Reineckes und Birkhahns Sammlung mittelalterlicher Münzen) bereichert, ist von größter Bedeutung für die sächs. Münzkunde. Die Antikensammlung enthält außer einigen Denkmälern des ältesten griech. Kunststils (Kandelaberbasis von pentelischem Marmor) mehrere treffliche Bildwerke. Vgl. Hettner, Die Bildwerke der königl. Antikensammlung zu D. (4. Aufl., Dresd. 1881). Die königl. Porzellan- und Gefäßsammlung seit 1. Mai 1876 im "Museum Johanneum", einem Ende des 16. Jahrh. aufgeführten, 1745 umgebauten alten (bis 1855) Galeriegebäude am Neumarkt, enthält mehr als 15000 chronologisch geordnete, für den Technologen und Kunstfreund merkwürdige Stücke von chines., japan., ostind., franz. und meißnischem Porzellan. Eine Reihenfolge des letztern zeigt die Fortschritte der Königlich Sächsischen Porzellan-Manufaktur zu Meißen (s. d.).

Die Gemäldegalerie (im Museum; Direktor: Karl Woermann), wesentlich eine Schöpfung Augusts III. (1733-63), ist eine der bedeutendsten Kunstsammlungen. Sie enthält ungefähr 2500 Bilder und ist reich an ausgezeichneten Werken der Italienischen und Niederländischen Schule; die 100 Bilder aus dem Besitze des Herzogs Franz von Este (1745 erworben) sind überwiegend Meisterwerke ersten Ranges. Aus der Italienischen Schule sind hervorzuheben die Werke von Raffael (Sixtinische Madonna; s. die Tafel beim Artikel Raffael), Correggio (Die heilige Nacht, s. Tafel: Italienische Kunst VII, Fig. 9), Tizian (Zinsgroschen: s. die Tafel beim Artikel Tizian), Palma Vecchio (Ruhende Venus, Die drei Schwestern), Andrea del Sarto (Abrahams Opfer), Paolo Veronese (Findung des Moses, s. Tafel: Italienische Kunst VII, Fig. 8, Hochzeit zu Cana, Kreuztragung Christi), Giulio Romano (Heilige Familie), Guido Reni (Christus mit der Dornenkrone), Caravaggio (Die Kartenspieler), Battoni (Büßende Magdalena). Aus der Niederländischen Schule die Werke von Rubens (Wildschweinsjagd, Neptun die Wogen beschwichtigend), van Dyck (Die drei Kinder Karls I.), Rembrandt (Raub des Ganymed, Opfer Manoahs, Doppelbildnis des Künstlers und seiner Gattin), Ruisdael (Das Kloster, Judenkirchhof), A. van der Werff (Verstoßung der Hagar), Snyders, Brueghel, Wouwerman, Dou, Teniers, Ostade, Potter, Hondeloeter, Metsu. A. van de Velde. Unter den Werken deutscher Meister ist hervorzuheben H. Holbeins des Jüngern Madonna (s. die Tafel beim Artikel Holbein) sowie das Bildnis des Morette, ferner Dürers Christus am Kreuz (s. die Tafel beim Artikel Dürer). Aus der Französischen Schule sind mehrere Bilder von N. Poussin und die Landschaften Claude Lorrains (s. die Tafel beim Artikel Claude Lorrain) hervorzuheben. Besondere Abteilungen bilden die Ansichten von D. und andern sächs. Gegenden von Canaletto sowie 185 Pastellgemälde. Auch sind der Galerie, als schätzbar für die Kunstgeschichte, sechs nach Raffaels Zeichnungen in Wolle gewirkte Teppiche eingefügt. (Vgl. Hübner, Verzeichnis der Dresdener Galerie, Dresd. 1856; 5. Aufl. 1880; K. Woermann, Kata-^[folgende Seite]