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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Drusen (Völkerschaft)

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Drusen (Völkerschaft)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Drusen (mineralogisch)'

den Krystallisationen unterscheidet man Quarzdrujen, Kaltspatdrusen u.s.w. Besteht die Kruste aus sehr seinen Kryställchen, so spricht man von einer Drusenhaut.


Textfigur:

Drusen, Völkerschaft des Libanon, von dem sie vorzugsweise den Süden, wie die Maroniten (s. d.) den Norden einnehmen. Die ungefähre Grenzlinie des beiderseitigen Gebietes wird durch die Straße von Beirut nach Damaskus gebildet; südwärts und ostwärts überschreitet das drusische Gebiet den Nahr el-Litani (Leontes) und dehnt sich über die Hochthäler des Antilibanon und Großen Hermon aus. Ein anderer Drusenstamm wohnt im Hauran (s. d.), wohin im 18. Jahrh. 600 Familien übersiedelten, deren Nachkommen, durch spätere Zuzüge verstärkt, eine zusammenhängende Bevölkerung bilden. Die ganze Nation kann man auf nicht mehr als 83000 Seelen anschlagen; auch füllt sie das bezeichnete Gebiet nicht allein aus, vielmehr leben die D. in ihren Norddistrikten vorzüglich mit Maroniten, in den Süddistrikten vielfach mit Griechen und Melchiten untermischt. Einige Teile ihres Gebietes gehören zu den bestangebauten Stellen des Libanon; sie produzieren, wie die übrigen Bewohner des Gebirges, hauptsächlich Cocons und Olivenöl, weniger Wein, Tabak und Cerealien. Jedenfalls ist in der Völkerschaft ein beträchtliches autochthones Element enthalten, das aber, wie so viele andere syr. Stämme, durch den Einfluß des Islam und der arab. Einwanderung früh den verwandten arab. Dialekt annahm. (S. Nossairier.) Die Sonderstellung der D. unter den Bevölkerungen Syriens beruht weniger auf ihrem Ursprunge als auf ihrer Verfassung und ihrer Religion. Die D. sind tapfer, gastfrei, nüchtern, reinlich und fleißig, aber rachsüchtig und, wo es nationale Interessen gilt, rücksichtslos grausam. Vielweiberei ist bei ihnen selten. Sie bilden eine Adelsrepublik mit gelegentlich an die Spitze tretendem Führer. Die edeln Familien zerfallen in Scheichs und Emirs. In neuern Zeiten ist noch der türk. Titel Beg hinzugekommen, der, von osman. Machthabern einzelnen hervorragenden Männern erteilt, auf den erblichen Familienrang ohne Einfluß geblieben ist. Politisch spalten sich die D. des Libanon in zwei Parteien, die Dschumblatieh unter dem Hause Dschumblât, und die Jezbekieh unter dem Hause Abu-Naked; beide befehden sich gelegentlich in Zeiten äußerer Ruhe, lassen aber bei Kriegen die innern Mißhelligkeiten sofort fahren. Mehrere edle Familien, z.B. die Reßlân, halten sich diesen beiden Adelsverbindungen fern.

Die Religion der D. ist eine Geheimlehre, in der mohammed. Gnosticismus mit dem Christentum entlehnten Ideen und vielleicht sogar Resten syr. Naturdienstes vermischt ist. Das Volk teilt ↔ sich ihr gegenüber in Akkal, Wissende, Eingeweihte, und Dschahil, Unwissende. Letztere sind der aller religiösen Erkenntnis ermangelnde große Haufe, erstere bilden einen von Vermögen, Rang und Geschlecht unabhängigen Orden von verschiedenen Graden, worin der gemeine Bauer mit dem vornehmsten Emir gleichberechtigt erscheint. Eigentliche Priester haben die D. nicht, wohl aber besondere, der Andacht gewidmete Gebäude, Chalweh oder Klausen genannt, in denen sich auch Sammlungen ihrer heiligen Schriften und ihre Standarten finden, wie zu Baklin im Libanon und zu Hasbaia und Raschaia im Antilibanon. Als Religionsgenossenschaft nennen sie sich selbst Muahhidin, Bekenner der Einheit Gottes. Auf den einigen und reinen Gottesbegriff legt ihr Glaube großes Gewicht. Gott hat sich wiederholt und zuletzt in der Person des Fatimiden-Chalifen Hâkim-biamr-allah in menschlicher Gestalt den Erdbewohnern geoffenbart und ist 1021 n. Chr., um den Glauben seiner Diener auf die Probe zu stellen, von der Erde geschwunden; aber er wird seinerzeit mit Macht und Herrlichkeit wiederkommen, um seinen Getreuen das Reich der Welt zu verleihen. Jede seiner Menschwerdungen war von einer persönlichen Offenbarung seines Erstlingsgeschöpfes, der Allweisheit, begleitet, die zuletzt als Hamsa, der Sohn Alis, auftrat und in dieser Gestalt den Menschen die göttlichen Wahrheiten verkündete. Hamsa ist also der eigentliche Apostel des Tewhid, der Einheitslehre, wenngleich der Name der D. wohl von Mohammed ibn Ismail Darasi (gest. 1020) herzuleiten ist. Von der Allweisheit sind die Menschen erschaffen worden, und zwar in einer bestimmten Zahl, die weder der Verringerung noch der Vermehrung fähig ist, indem die Seelen bei dem Ableben eines Leibes in einen neugeborenen andern übergehen. Sie befinden sich also stets im Zustande der Wanderung, aber sie können je nach ihrer Liebe zur höchsten Vollkommenheit aufsteigen, und umgekehrt zur tiefsten Entartung niedersinken.

Geschichte. Zur Zeit der Kreuzzüge, wo die verwandte Sekte der Ismâ'iliden (s. Assassinen) eine so große Rolle spielte, scheinen die D. noch höchst unbedeutend gewesen zu sein. Nach eigenen Nachrichten hatten sie damals längst erbliche Häuptlinge, und zwar zunächst aus dem edeln Hause der Tanuch, dem um die Zeit des Mamluken-Sultans Kalaun (1280) das der Maan folgte. Diese, von dem Chalifen Abú-Bekr abstammend, wurden nachmals von den Türken als tributäre Fürsten des Gebirges anerkannt, gelangten im Anfang des 17. Jahrh. mit Fachr-ed-Din zu großem Ansehen und regierten bis zu ihrem Aussterben im 18. Jahrh. Ihre Würde ging auf die ihnen verwandten Schehâb über, die dieselbe ungefähr 130 Jahre lang bewahrten, bis der berühmteste Dynast des Geschlechts, der Emir Beschir, ihrer als ägypt. Parteigänger bei der Wiedereroberung Syriens durch die Pforte 1740 verlustig ging. Durch den Übertritt Beschirs zum maronitischen Christentum war inzwischen diese Sekte so gehoben worden, daß sie einer bloß drusischen Verwaltung nicht mehr unterstellt werden konnte, und nach blutigen Bürgerkriegen unter beiden verwandten Völkerschaften gab die Pforte auf Antrieb der Großmächte einer jeden eine besondere Regierung unter einem einheimischen Kaimâkam (Statthalter). Gleichwohl erneuerten sich die Kriege, und nach der Niedermetzelung maronitischer Christen

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 544.