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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Englische Verfassung

of, und Lords, House of). Es entwickelte sich: 1) das Recht der Steuerbewilligung, indem die Steuern den Charakter lehnsrechtlicher Abgaben verloren und den Charakter von Beiträgen zu den Staatsausgaben erhielten, und infolgedessen auch das Recht der Kontrolle über die Staatsausgaben (s. unten); 2) das Recht der Gesetzgebung, anfangs konkurrierend mit dem Souverän, seit 1610 ausschließlich dem Parlamente vorbehalten; 3) weit später erst und nur sehr langsam das Recht der Kontrolle über die Exekutive (erstes Beispiel: Untersuchung über den Krieg in Irland 1689, über die weitere Entwicklung s. Cabinet). Nachdem die Geistlichkeit ihre Beteiligung an den Parlamentsversammlungen nach kurzer Zeit wieder eingestellt hatte, und nachdem auch ihre Provinzialversammlungen seit 1665 nicht mehr den Zwecken des Staatshaushalts dienten, giebt es nur zwei Reichsstände: die Lords (zu denen die Mehrzahl der Bischöfe gehört) und die Commons. Souverän, Lords und Commons zusammen bilden heute das Parlament.

Ⅲ. Finanz- und Steuerwesen. Die Finanzen des Staates sind zur Zeit der normann. Eroberung identisch mit den Finanzen des Königs. Als oberster Lehnsherr bezieht er die regelmäßigen Gefälle und die Einnahmen seiner Gerichtsbarkeit. Dazu kommen im Laufe der Zeit gewisse außerordentliche Einnahmen, nämlich: 1) Schildgeld (scutage), das von den Ritterlehn als Ersatz des Dienstes im Lehnsheer erhoben wird (von Heinrich Ⅱ. seit 1159 regelmäßig eingeführt); 2) eine Abgabe, die im Verhältnis zum Grundbesitz in ähnlicher Weise wie das früher übliche Danegeld erhoben wurde und von Heinrich Ⅱ. als donum (freiwillige Abgabe), von Richard Löwenherz als carucage bezeichnet wurde; 3) für bestimmte Zwecke wurde auch eine Quote des beweglichen Vermögens von den Beteiligten bewilligt (so z. B. die Saladin Tithe nach dem Fall von Jerusalem 1188; das Viertel für Richards Lösegeld 1193 u. s. w.); 4) der Abgabe, die auf dem Lande an die Stelle des Danegelds trat, entsprach in den Städten das sog. Hilfsgeld, auxilium, später tallage genannt, das bereits unter Heinrich Ⅰ. vorkommt. Auf diese außerordentlichen Abgaben bezieht sich die bekannte Stelle in der Magna Charta, die sagt, daß scutage und auxilium (abgesehen von drei bestimmten Fällen) nur nach allgemeiner Beratung (per commune consilium regni nostri) zu erheben sind. Der betreffende Artikel wurde von Heinrich Ⅲ. wieder beseitigt und blieb auch bei den später erfolgenden Bestätigungen des großen Freibriefs weg; jedoch hat die von Eduard Ⅰ. 1297 erlassene Confirmatio Chartarum eine viel weitergehende Klausel, deren Bedeutung auch dadurch erhöht wird, daß die Versammlung der Kronvasallen inzwischen zu einem regelmäßigen Bestandteil des Parlaments geworden war. Die betreffende Klausel erwähnt indessen nicht ausdrücklich das oben erwähnte tallage, das sodann auch von Eduard Ⅰ. (1301), Eduard Ⅱ. (1312) und Eduard Ⅲ. (1332) ohne Genehmigung des Parlaments erhoben wurde. Ein Gesetz von 1340 bestimmt schließlich, daß überhaupt keine Steuer ohne parlamentarische Genehmigung zu erheben sei.

Neben den erwähnten direkten Steuern wurden schon zur Zeit der normann. Könige Zölle erhoben, insbesondere auf Wein und Wolle. Die Zölle werden in der Magna Charta (Art. 41) als antiquae et rectae consuetudines bezeichnet, die zu erheben sind, jedoch ohne alle Erpressung (sine omnibus maletoltis). Unter Eduard Ⅰ. entwickelte sich die Bedeutung der Zölle auf Wolle als Einnahmequelle, und es wurden sowohl von diesem Könige als von seinen beiden nächsten Nachfolgern auch außerordentliche Zölle ohne parlamentarische Genehmigung erhoben, manchmal jedoch mit Genehmigung der beteiligten Kaufleute; 1371 wurde indessen bestimmt, daß Zölle auf Wolle ohne Genehmigung des Parlaments selbst mit Zustimmung der Kaufleute nicht mehr zu erheben seien. 1373 werden Tonnengeld und Pfundgeld (tonnage and poundage), d. h. die schon in früherer Zeit üblichen Zölle auf Wein und Kaufmannsware vom Parlamente auf 2 Jahre bewilligt, und bilden in der Folge eine regelmäßig vom Parlament genehmigte Steuer. Während die andern der Genehmigung des Parlaments bedürftigen Abgaben zu dieser Zeit stets für einen besondern Zweck genehmigt wurden, wurden tonnage und poundage im allgemeinen bewilligt «für die Landesverteidigung und die Bewachung und Beschützung der Meere und für die Sicherheit der Ein- und Ausfuhr von Waren», und zwar anfangs auf eine bestimmte Anzahl von Jahren, seit Heinrich Ⅴ. (1413) bis zum Regierungsantritt Karls Ⅰ. (1625) stets auf Lebenszeit des Souveräns.

Die zuerst erwähnten außerordentlichen Einnahmen aus direkten Steuern bilden bereits eine Übergangsstufe zwischen den Abgaben, die die Kronvasallen als solche zu leisten hatten, und einer allgemeinen Landesbesteuerung, und seit Eduard Ⅰ. tritt die letztere Eigenschaft in den Vordergrund; auch suchte der letzterwähnte Monarch vorzugsweise aus den sog. parlamentarischen Abgaben die Ausgaben des Staatshaushalts zu bestreiten und sich weniger auf die regelmäßigen lehnsrechtlichen Gefälle zu verlassen. Unter seinen Nachfolgern befestigte sich die erwähnte Tendenz noch weiter. Im letzten Regierungsjahre Eduards Ⅲ. (1377) wird eine allgemeine Herdsteuer (polltax) bewilligt, eine Steuer, die den Gedanken einer Beitragspflicht zu den Staatsausgaben, im Gegensatz zur lehnsrechtlichen Verpflichtung, am deutlichsten ausdrückt.

Versuche einer Kontrolle über die Verwendung der bewilligten Gelder finden sich bereits im 13. Jahrh. 1237 sucht Heinrich Ⅲ. die Barone zu einer Geldbewilligung dadurch zu bewegen, daß er sich mit der Verwaltung der Gelder durch eine vom Staatsrate ernannte Kommission einverstanden erklärt; 1244 suchen die Magnaten eine Geldbewilligung von einer ähnlichen Bedingung abhängig zu machen. Eine ähnliche Tendenz hat die von den Lords Ordainers unter Eduard Ⅱ. erlassene Bestimmung, daß die Zölle in die Staatskasse (Exchequer) einzuzahlen seien. Die Kriege Eduards Ⅲ. in Frankreich und die mit diesen zusammenhängende Vermehrung der Staatsausgaben veranlassen das Parlament, über die Verwendungsweise der Gelder zugleich mit ihrer Bewilligung zu bestimmen. Das Bestreben, auch die Rechnungsablage über die Ausgaben durch einen dem Parlamente verantwortlichen Schatzmeister prüfen zu lassen, wurde erst nach dem Regierungsantritt Richards Ⅱ. von Erfolg gekrönt. Obgleich nachher Heinrich Ⅳ. gegen das System Widerspruch erhob (er sagte: «Könige legen nicht Rechnung ab»), wurde es nach wiederholten Kämpfen 1406 endgültig eingeführt und von den Königen aus dem Hause Lancaster streng beobachtet. Die Kriege der Rosen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. brachten einen Zustand der Verwirrung,