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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Entfernungsschätzen; Entfernungstarife; Entfettungskuren; Entführung; Entfuseln

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Entfernungsschätzen – Entfuseln

für die technisch vollendete Herstellung dieser Instrumente; denn ist diese Basis am Instrument selbst angebracht, so kann sie nur klein sein im Verhältnis zu den Entfernungen, die namentlich mit Rücksicht auf die Tragweite der heutigen Feuerwaffen im Kriege gemessen werden müssen, und infolgedessen müssen dann überaus kleine Winkel mit größter Schärfe gemessen werden, was nur mit feinen und eine subtile Behandlung erfordernden Winkelmessern möglich ist. Macht man aber die Basis so groß, daß die Winkelmessung weniger scharf sein kann, so muß die letztere von zwei räumlich mehr oder weniger weit getrennten Punkten von zwei Beobachtern ausgeführt werden, was namentlich für die Verhältnisse des Feldkrieges selten ausführbar ist, während nach diesem Princip eingerichtete E. im Festungskriege und bei der Küstenverteidigung sehr vorteilhaft verwendet werden können. Bei allen diesen E. wachsen überdies die aus den Beobachtungsfehlern herrührenden Irrtümer mit dem Quadrate der zu messenden Entfernungen. An Stelle der Winkelmessung durch Fernrohre werden vielfach auch Spiegelinstrumente nach dem Princip des Spiegelsextanten angewendet.

Einer der ältesten E. ist der geometr. Quadrat von Peurbach (um 1450) und Paceccos Pantometer (1767). In neuerer Zeit wurden viele verschiedene Instrumente dieser Art erfunden, z. B. Distanzmesser von Bauernfeind, von Steinheil, Telemeter von Berdan und Foitzick, Diastimeter von Romershausen, Distanzmesser von Nolan, Paschwitz u. a. Angenommen wurden E. bisher in der franz. und der österr. Armee. Erstere führt die E. von Labbez und von Goulier, letztere den von Roksandić. Sie entsprechen jedoch nicht den heutigen Anforderungen. In den engl., russ. und deutschen Armeen finden eingehende Versuche statt. Deutschland scheint zu einem günstigen Abschluß gekommen zu sein. Eine besondere Art von E. sind endlich noch die akustischen, die auf der Messung des Zeitraums beruhen, der zwischen dem Aufblitzen eines Schusses und dem Hörbarwerden des Knalles liegt, wobei die Geschwindigkeit des Lichts als unendlich, diejenige des Schalles zu durchschnittlich 333 m per Sekunde angenommen wird. Die in Sekunden ausgedrückte Zeit mit 333 multipliziert, ergiebt dann die Entfernung in Metern. Hierauf begründete E. sind die von Le Boulengé, Fimmerhans, Montaudon u. a. Neuere Versuche haben ergeben, daß die Schallgeschwindigkeit nur sehr bedingungsweise 333 m pro Sekunde beträgt und daß dieselbe sogar 600 m noch übersteigen kann. (Vgl. Militär. Wochenblatt 1889, Nr. 94, Berlin.) Die akustischen E. sind demnach für militär. Zwecke ohne jeden Wert. – Vgl. Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (6. Aufl., Stuttg. 1879); Roskiewiez, Über Kriegsdistanzmesser (Graz 1888).

Entfernungsschätzen, ein Teil der militär. Ausbildung im Schießen, der deshalb von Wichtigkeit ist, weil auf dem richtigen Schätzen der Entfernung vom Schützen nach dem zu treffenden Ziel zum großen Teil die Wirkung der neuern Schußwaffen beruht. Nur wenn die Entfernung innerhalb gewisser Grenzen richtig geschätzt und danach das Visier gestellt ist, ist die Möglichkeit gegeben, bei richtiger Abgabe des Schusses das Ziel zu treffen. Für die Bestimmung von Entfernungen sind zahlreiche mehr oder weniger komplizierte Instrumente (s. Entfernungsmesser) erfunden worden. Das sicherste Mittel bleibt jedoch das vorherige Abschreiten wichtiger Entfernungen vor Beginn des Gefechtes; dies ist natürlich nur möglich, wenn man eine Verteidigungsstellung eingenommen hat, bevor der Feind vor derselben erschienen.

Entfernungstarife, s. Eisenbahntarife (Bd. 5, S. 894 b).

Entfettungskuren, s. Fettsucht.

Entführung. Die E. umfaßt nach geltendem deutschen Strafrecht (§§. 236, 237) zwei Fälle: 1) E. einer Frauensperson gegen ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt, um sie entweder zur Unzucht (Strafe: Zuchthaus bis zu 10 Jahren) oder zur Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis bis zu 5 Jahren); 2) E. einer minderjährigen, unverehelichten Frauensperson mit ihrem Willen, aber ohne Einwilligung der Eltern oder des Vormunds, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen (Strafe: Gefängnis bis zu 5 Jahren). Bestraft wird die Entführte (auch im zweiten Falle) nicht. Die Verfolgung tritt in beiden Fällen nur auf Antrag ein. Hat der Entführer die Entführte geheiratet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt ist. 1887 wurden von deutschen Gerichten 14 Personen wegen E. und Menschenraub (s. d.) verurteilt.

Das Österr. Strafgesetz von 1852 straft auch den Fall, wenn eine verheiratete Frauensperson mit ihrem Willen dem Ehegatten listig oder gewaltsam entführt wird. Der Österr. Strafgesetzentwurf von 1889 folgt im wesentlichen dem deutschen Strafrecht. Im röm. Recht wurde die E. mit dem Tode bestraft.

Entfuseln, technisches Verfahren Zur Verwandlung des Rohspiritus in Feinspiritus oder Sprit. Der in den landwirtschaftlichen Brennereien durch Destillation der vergorenen Maische gewonnene Rohspiritus enthält neben seinem Hauptbestandteil (Äthylalkohol) eine Anzahl von Nebenprodukten der Gärung (s. Fusel), die ihm einen eigentümlichen, unangenehmen Geruch und Geschmack erteilen. Für alle feinern Branntweine, für die bessern Sorten der Liqueure und Parfüms, namentlich aber zum Verschneiden des Weins ist nur ein völlig reiner Spiritus verwendbar. E. geschieht in Deutschland fast nie von dem Produzenten, sondern wird in großen städtischen Raffinerien vorgenommen, von denen sich die bedeutendsten in Berlin, Hamburg, Leipzig, Stettin finden. Für die Herstellung weniger feiner Branntweine geschieht das E. durch einfache Filtration über Kohlen, namentlich Holzkohlen, welche, besonders frisch ausgeglüht, die Eigenschaft haben, schmeckende, riechende und färbende Stoffe aus Flüssigkeiten aufzunehmen. Der auf 50‒60 Proz. verdünnte Spiritus wird in ein mit Kohlen beschicktes Faß, welches mit einem Rührwerk versehen ist, gefüllt und hier unter wiederholtem Umrühren mehrere Tage stehen gelassen und dann abgezogen; vielfach werden auch mehrere Fässer so miteinander verbunden, daß der Spiritus von einem in das andere übertritt; die Kohlen werden sich in dem ersten Fasse zuerst sättigen, d. h. unbrauchbar werden; es wird dann dieses Faß mit frischen Kohlen gefüllt. Der zu reinigende Branntwein wird dann zuerst in das zweite Faß geleitet, während das neu gefüllte Faß jetzt als letztes für E. fast reinen Branntweins dient; auf diese Weise wird erreicht, daß der Branntwein auf dem Wege durch die Filteranlage mit fortschreitender Reinigung zu immer frischern, weniger gebrauchten Kohlen gelangt, wodurch eine rationelle Ausnutzung der Kohlen stattfindet. Der auf diese Weise nur durch Reinigung über Kohlen gewonnene, eines Teils der