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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Entwicklungskrankheiten; Entwicklungsperioden; Entwicklungstheorien; Entwöhnung; Entwurf; Entziehungskur; Entzündung

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Entwicklungskrankheiten - Entzündung

Deutsch von Vetter, 2 Bde., Jena 1880-81); Hertwig, Lehrbuch der E. des Menschen und der Wirbeltiere (4. Aufl., ebd. 1893); Korschelt und Heider, Lehrbuch der vergleichenden E. der wirbellosen Tiere (ebd. 1893); Marshall, Vertebrate embryology (Lond. 1893); Minot, Lehrbuch der E. des Menschen (deutsch von Kaestner, Lpz. 1894).

Entwicklungskrankheiten, Krankheiten, deren Zustandekommen durch die körperliche und geistige Entwicklung und ihre verschiedenen Perioden (s. Lebensalter) begünstigt wird. Manche der hierhergehörenden Krankheiten sind nur der betreffenden Entwicklungsperiode eigentümlich, wie z. B. die Kopfblutgeschwulst und die Nabelkrankheiten der Neugeborenen, die Rhachitis oder Englische Krankheit; andere kommen zwar auch in den spätern Lebensaltern vor, nehmen aber während des Entwicklungsstadiums einen eigentümlichen und abweichenden Verlauf an. So sind während des Kindesalters die Knochen infolge ihres intensiven Wachstums viel blutreicher, weicher und weniger widerstandsfähig und werden deshalb häufig von entzündlichen und tuberkulösen Affektionen befallen. Während des Schulalters können unzweckmäßige Schulverhältnisse auf die körperliche und geistige Entwicklung in der mannigfachsten Weise schädigend und hemmend einwirken (s. Schulhygieine). Im Jünglings- und Jungfrauenalter giebt der Eintritt der geschlechtlichen Entwicklung bei verkehrter Erziehung vielfach Anlaß zu Erkrankungen: beim weiblichen Geschlecht zu Bleichsucht und Menstruationsstörungen, bei beiden Geschlechtern zu extravaganter Stimmung, zu Schwärmerei, selbst zu wirklicher Geistesstörung in der Form der Melancholie, des erotischen und religiösen Wahnsinns. Aus diesem Grunde ist während der Entwicklungsperioden eine sorgfältige Überwachung der körperlichen und psychischen Funktionen sowie die Fernhaltung aller schädigenden Einflüsse ganz unerläßlich. (S. Säugling, Kind, Jüngling und Jungfrau.)

Entwicklungsperioden, s. Entwicklung.

Entwicklungstheorien, s. Evolutionstheorien.

Entwöhnung, die Entziehung der Mutter- oder Ammenbrust und die hierdurch bedingte Gewöhnung des Säuglings an eine andere Nahrungsweise; sie sollte als wichtiger Eingriff in den Organismus nur vorgenommen werden, wenn sich das Kind vollkommen wohl befindet, am besten, wenn die zwei untern und die vier obern Schneidezähne durchgebrochen sind, was etwa im zehnten oder elften Lebensmonat der Fall ist. Man verfährt am zweckmäßigsten dabei so, daß man zur Zeit der beginnenden E. die Brust dem Kinde während der Nacht gar nicht und während des Tags einmal weniger als gewöhnlich giebt und dafür mittags ein Süppchen von Gries mit entfetteter, schwach gesalzener Fleischbrühe, oder einen Zwieback (in Wasser gut ausgekocht und mit Milch und ein wenig Zucker oder mit schwacher Fleischbrühe versetzt) darreicht. In der zweiten Woche der E. giebt man diese Mahlzeiten häufiger, die Brust seltener, schließlich nur noch zwei- bis dreimal des Tags, bietet dem Kinde auch Kuhmilch an und reicht endlich die Brust nur noch einmal am Tage, worauf man sie sehr bald ganz entziehen kann. Diese Art zu entwöhnen ist der plötzlichen Entziehung der Muttermilch, wobei die Kinder leicht infolge anhaltenden Schreiens in ihrer Ernährung sehr herunterkommen, vorzuziehen, auch der Mutter selbst weit zuträglicher. Bei allen Unregelmäßigkeiten und Verdauungsstörungen während des Entwöhnens verabsäume man nicht, den Rat eines erfahrenen Arztes einzuholen, da eine unpassende Ernährung des Kindes während und nach dieser Zeit leicht den Grund zu Blutarmut, Englischer Krankheit, Skrofulose und anderm Siechtum legen kann.

Entwurf, in der Kunst die erste zeichnerische oder bildnerische Darstellung eines Gedankens. In ihm stellt sich also unmittelbar das vom Künstler geistig Erschaute im vorläufigen Bilde dar, während die Skizze nur eine flüchtige vorbereitende Darstellung des geistig noch nicht fertigen Gedankens oder eines erschauten Gegenstandes ist. In der Baukunst nennt man E. die in allen Teilen wohl durchdachte und dem spätern Bau zu Grunde zu legende Darstellung eines Gebäudes in verjüngtem Maßstabe. Der E. wird auf Grund der dem Bauherrn vorgelegten und mit ihm durchberatenen Skizzen in streng fachmäßiger Weise im Grundriß für alle Stockwerke, Ansichten und Schnitte derart durchgearbeitet, daß nach ihm alsbald die Werkzeichnungen und Kostenanschläge gemacht werden können. Die gesamte Anlage, das Verhältnis der einzelnen Räume zueinander, die Gestaltung der Façaden, der Höfe, Nebenanlagen (Aborte, Küchen, Wasseranlagen) beruhen also auf der richtigen, umsichtigen und kunstvollen Durchbildung des E. Die Kosten eines solchen E. für die Bauherren werden nach einer vom Verband Deutscher Architekten und Ingenieurvereine aufgestellten und jetzt fast allgemein anerkannten Norm berechnet.

Auch in litterarischer Hinsicht spricht man von einem E. Man meint damit einerseits die erste schriftliche Skizze einer wissenschaftlichen oder belletristischen Arbeit, in der nur die Disposition des Ganzen und der wesentliche Inhalt aller einzelnen Teile kurz angegeben ist. So enthält der E. eines Dramas in der Hauptsache nur das Scenarium, d. h. die Einteilung in Akte und Scenen mit Angabe der in den einzelnen Scenen auftretenden Personen und Andeutung des Inhalts ihrer Gespräche, ohne daß die einzelnen Reden schon wörtlich ausgeführt wären. Andererseits versteht man unter E. auch solche Arbeiten, die zwar in allen ihren Teilen schon ausgeführt, insofern aber noch nicht als fertig anzusehen sind, als bis zu ihrer endgültigen Gestaltung nach Befinden noch wesentliche Änderungen vorbehalten sind. In diesem Sinne spricht man besonders von dem E. eines Gesetzes oder Gesetzbuches. So bezeichnet man z. B. als Deutschen E. den E. eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich.

Entziehungskur, s. Hungerkur.

Entzündung (Inflammatio, Phlogosis), einer der häufigsten und wichtigsten krankhaften Prozesse des menschlichen und tierischen Körpers, spielt bei der Entstehung und Heilung der meisten innern und chirurg. Krankheiten eine hervorragende Rolle, weshalb die Lehre von der E. eins der wichtigsten Kapitel der gesamten Pathologie darstellt und von alters her das Interesse der Ärzte und Chirurgen in ganz besonderm Grade erregt hat. Man versteht unter E. im allgemeinen denjenigen krankhaften Zustand eines Körperteils oder Organs, bei welchem dessen Haargefäße erweitert und mit stockenden Blutkörperchen überfüllt sind und infolgedessen gerinnbare, faserstoffhaltige (sog. plastische) Bestandteile ausschwitzen, welche, in die Gewebe gelagert, daselbst mannigfachen weitern Veränderun-^[folgende Seite]