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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Erfurt

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Erfurt

Wenn die Kontrahenten bei Abschluß eines Kaufgeschäfts, welches wenigstens auf einer von beiden Seiten ein Handelsgeschäft ist, eine festbestimmte E. oder Erfüllungsfrist für die Lieferung der Ware verabredet haben, und es erhellt, daß dies in der Absicht geschehen sei, die Leistung zu einer andern Zeit, insbesondere die verspätete Leistung, solle nicht als Erfüllung gelten, so muß derjenige, welcher trotz Verzugs des Gegenteils auf Erfüllung bestehen will, dies unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder der Frist dem andern Kontrahenten anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht auf Erfüllung bestehen, sondern nur entweder vom Vertrage zurücktreten, als sei derselbe nicht geschlossen, oder sein Interesse wegen Nichterfüllung fordern. Handelt es sich um Waren, welche einen Markt- oder Börsenpreis haben, und der Verläufer will statt der Erfüllung für Rechnung des säumigen Käufers verkaufen, so muß er den Verkauf unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder der Frist vornehmen. Will umgekehrt der Käufer statt der Erfüllung Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern, so darf der Käufer ohne weitere Begründung die Differenz zwischen dem (niedrigern) Kaufpreise und dem (höhern) Markt- oder Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung fordern (sog. abstrakte Schadenberechnung): er darf aber auch einen höhern Schaden fordern, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, daß ihm ein solchcr erwachsen ist (sog. konkrete Schadenberechnung; Handelsgesetzbuch Art. 357).

Die E. kann endlich in unbestimmten Ausdrücken bezeichnet sein wie "sobald als thunlich", "sobald ich vermag" u.s.w. In diesem Fall ist die genauere E. vom Richter nach den Umständen kraft seines Ermessens zu bestimmen (Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 904; Code civil Art. 1901; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 712). Das Preuß. Mg. Landr. I, 5, §§. 236-38 hat noch weitere Regeln für diesen Fall aufgestellt.

Erfurt. 1) Regierungsbezirk der preuß. Provinz Sachsen, umfaßt Teile des ehemaligen Erzbistums E. und Kursachsens, das Fürstentum Eichsfeld und die Reichsstadt Mühlhausen, grenzt im N. an Braunschweig, im S. an die thüring. Fürstentümer, mit den Flüssen Unstrut, Wipper, Helme, Leine und Werra, ist zum Teil sehr fruchtbar, zum Teil rauh und öde (oberes Eichsfeld), zum Teil sehr gebirgig und waldreich (Enklaven Schleusingen und Ziegenrück), hat Acker- und Gartenbau, Viehzucht, Salzbergwerk, Eisengruben und Eisenindustrie und zerfällt in folgende 12 Kreise:

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Kreise qkm Wohnstätten Einwohner Einwohner pro qkm Evangelische Katholiken Andere Christen Israeliten

Stadtkreis Nordhausen 21,70 2250 26847 1237 24873 1224 257 493

Grafschaft Hohenstein 476,10 6156 41990 88 41047 724 12 207

Worbis 445,76 7619 41375 93 9591 31778 - 6

Heiligenstadt 433,77 6498 38319 88 3165 35084 2 68

Stadtkreis Mühlhausen i. Thür. 62,95 2832 27538 437 25852 1417 13 256

Landkreis Mühlhausen 396,56 6444 33315 84 18849 14465 - 1

Langensalza 418,31 6624 37267 89 36774 433 50 10

Weißensee 291,93 5134 24927 85 24467 433 26 1

Stadtkreis Erfurt 43,76 4269 72360 1654 61104 10122 388 746

Landkreis Erfurt 281,10 4814 28920 103 25754 3112 51 3

Ziegenrück 200,09 2650 15906 79 15749 101 54 2

Schleusingen 457,94 5593 44256 77 43406 576 75 199

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An Flächeninhalt umfaßt der Regierungsbezirk 3529,94 qkm; er hat (1890) 433020 (207751 männl., 225269 weibl.) E., darunter 2888 Militärpersonen, 23 Städte mit 473,70 qkm, 197320 (95853 männl., 101467 weibl.) E., 408 Landgemeinden und 155 Gutsbezirke mit 3056,24 qkm, 235700 (111898 männl., 123802 weibl.) E., ferner 59545 bewohnte, 1051 unbewohnte Häuser, 96356 Haushaltungen und 314 Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt. Dem Religionsbekenntnis nach waren 330631 Evangelische, 99469 Katholiken, 901 andere Christen und 1992 Israeliten.

Der Regierungsbezirk zerfällt in 4 Reichstagswahlkreise: Nordhausen (1893 Abgeordneter Dr. Schneider, freisinnige Volkspartei); Heiligenstadt-Worbis (von Stromdeck, Centrum); Mühlhausen-Langensalza (Klemm, Reichspartei); Erfurt-Schleusingen-Ziegenrück (Jacobskötter, konservativ).

2) Landkreis, ohne die Stadt E., im Reg.-Bez. E., hat (1890) 28920 (14078 männl., 14842 weibl.) E., 40 Landgemeinden und 3 Gutsbezirke.

3) Hauptstadt des Reg.-Bez. E. und Stadtkreis (43,76 qkm), an der Gera, die die Stadt von SW. nach NO. in drei Armen durchfließt, liegt in 200 m Höhe in dem Vorlande des Thüringer Waldes, wird südlich von den Höhen des Steigerwaldes begrenzt und hatte 1880: 53254, 1885: 58386, 1890: 72360 (35993 männl., 36367 weibl.) E., darunter 61104 Evangelische, 10122 Katholiken, 388 andere Christen und 746 Israeliten, d. i. eine durchschnittliche jährliche Zunahme (1885-90) von 2797 Personen (4,23 Proz.); 4263 Wohnhäuser (93 unbewohnt) mit 15851 Haushaltungen und 54 Anstalten. In Garnison liegen das 2. bis 4. Bataillon des Infanterieregiments Nr. 71 und die 1., 2. und 4. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 19. Die Zahl der Geburten betrug (1893) 2611, darunter 47 Totgeborene, die der Eheschließungen 547, der Todesfälle 1643.

Anlage, Straßen, Brücken, Plätze. Die Stadt, bis 1874 eine bedeutende Festung, von der die Citadelle Petersberg und die Kasematten der Cyriaksburg noch vollständig erhalten sind, zeigt im Innern trotz zahlreicher Neubauten noch immer den Charakter einer altertümlichen Stadt; besonders am Fischmarkt, Friedrich-Wilhelmsplatz, Wenigen Markt und in den engen Straßen am ehemaligen Augustinerkloster finden sich zahlreiche interessante