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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Erwerbsunfähigkeit

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Erwerbsunfähigkeit

gegen den einzelnen Genossen stattfindet (§§. 99 fg.). Die für vollstreckbar erklärte Berechnung kann von jedem Genossen im Wege der Klage angefochten werden (§. 104). Übrigens stellt sich das Maß der zu leistenden Nachschüsse für die Genossenschaften mit verschieden geordneter Haftbarkeit verschieden.

Bei Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht darf die Haftsumme der einzelnen Genossen nicht niedriger als der Geschäftsanteil sein. Die Haftsumme muß bei Errichtung der Genossenschaft durch das Statut bestimmt werden; die Bestimmung oder eine Abänderung derselben ist zu veröffentlichen. Die Haftsumme kann durch einen Beschluß der Generalversammlung mit einer Mehrheit von drei Viertel der erschienenen Genossen erhöht werden. Das Statut kann noch weitere Erfordernisse vorschreiben. Für eine Herabsetzung der Haftsumme sind dieselben Vorschriften wie für die Verteilung des Genossenschaftsvermögens im Fall der Auflösung maßgebend. Das Konkursverfahren findet bei bestehender Genossenschaft auch in dem Falle der Überschuldung statt, sofern die Überschuldung ein Viertel des Betrages der Haftsummen aller Genossen übersteigt. Die einzelnen Genossen können über ihre Haftsumme hinaus weder auf Leistung von Nachschüssen, noch von den Konkursgläubigern in Anspruch genommen werden. Bei Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschußpflicht sind die einzelnen Genossen mit ihrem ganzen Vermögen verpflichtet, der Genossenschaft die zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Nachschüsse nach Maßgabe des Gesetzes zu leisten. Im Falle des Konkurses haften nicht bloß die innerhalb der letzten 6 Monate vor der Auflösung der Genossenschaft ausgeschiedenen Mitglieder; auch die früher, aber innerhalb der letzten 18 Monate vor der Konkurseröffnung ausgeschiedenen Mitglieder sind heranzuziehen, wenn nach Ablauf von 3 Monaten seit dem Termine, in welchem die Nachschußberechnung für vollstreckbar erklärt ist, die Befriedigung oder Sicherstellung der Konkursgläubiger noch nicht bewirkt ist, deren Forderungen bei der Schlußverteilung berücksichtigt sind. Doch sind diesen Ausgeschiedenen die von ihnen geleisteten Beiträge aus den Nachschüssen der Genossen zu erstatten, sobald die Befriedigung oder Sicherstellung jener Konkursgläubiger erfolgt ist. Bei den Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht haften die einzelnen Genossen für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft sowohl den Gläubigern unmittelbar wie der Genossenschaft mit ihrem ganzen Vermögen nach Maßgabe des Gesetzes. Sobald sich bei der Geschäftsführung ergiebt, daß das Vermögen der Genossenschaft einschließlich des Reservefonds und der Geschäftsguthaben zur Deckung der Schulden nicht ausreicht, hat der Vorstand die Generalversammlung zur Beschlußfassung, ob die Genossenschaft aufgelöst werden soll, zu berufen. Im Fall des Konkurses sind neben der Genossenschaft die einzelnen Genossen solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen den Konkursgläubigern für den Ausfall verhaftet, welchen diese an ihren bei der Schlußverteilung berücksichtigten Forderungen erleiden. Nach Ablauf von 3 Monaten seit dem Termin, in welchem die Nachschußberechnung für vollstreckbar erklärt ist, können die Gläubiger, soweit sie bisher nicht befriedigt sind, die einzelnen Genossen in Anspruch nehmen, ohne daß den letztern die Einrede der Teilung zusteht. Soweit die in Anspruch genommenen Genossen die Konkursgläubiger befriedigen, treten sie in die Rechte der letztern gegen die Genossenschaft ein. Von den Gläubigern in Anspruch genommen werden können auch solche frühere Genossen, welche in den letzten 2 Jahren vor Eröffnung des Konkurses ausgeschieden sind. Die Klage der Gläubiger gegen die einzelnen Genossen verjährt in 2 Jahren.

Zur Sicherstellung der Gläubiger wie der einzelnen Genossen enthält das Gesetz noch im vierten Abschnitt, §§. 51‒62, Bestimmungen, nach welchen die Einrichtungen der E. u. W. sowie die Geschäftsführung derselben in allen Zweigen der Verwaltung mindestens in jedem zweiten Jahre der Prüfung durch einen der Genossenschaft nicht angehörigen, selbständigen Revisor zu unterwerfen sind.

In Österreich ist das Genossenschaftswesen geregelt durch das Gesetz vom 9. April 1873. Dasselbe läßt Genossenschaften mit beschränkter und unbeschränkter Haftpflicht zu und macht die Eintragung ins Genossenschaftsregister oder die Unterstellung unter das Gesetz obligatorisch. Eine Revisionspflicht, wie dieselbe im deutschen Gesetze zur Hintanhaltung von Mißbräuchen und Fehlern in der Geschäftsführung ausgesprochen erscheint, ist dem österr. Gesetze fremd.

Zu einer bedeutenden Entwicklung in kurzer Zeit haben es die E. u. W. unter dem Einflusse der Schriften von Schulze-Delitzsch in Italien gebracht, wo sich Luzzatti (s. d.) um die Hebung des Genossenschaftswesens verdient gemacht hat. Auch in Belgien, Holland, Dänemark, Rußland, in der Schweiz, den Vereinigten Staaten von Amerika und in China ist es ausgebildet oder im Entstehen begriffen.

Vgl. Hubert-Valleroux, Associations coopératives en France et à l’étranger (Par. 1884); Holyoake, History of Cooperation (2 Bde., Lond. 1885‒86); Hopkins, History of cooperation in the United States (ebd. 1888); Rabbeno, Le Società cooperative di produzione (Mail. 1889); Crüger, Die E. u. W. in den einzelnen Ländern (Jena 1892); ders. im «Handwörterbuch der Staatswissenschaften», Bd. 3 (ebd. 1892), S. 308 fg.; Kommentare zu dem Reichsgesetz vom 1. Mai 1889 von Parisius (5. Aufl., Berl. 1892), Otto Richter (Lpz. 1892), Zeller (2. Aufl., Münch. 1894); Jahresbericht über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen E. u. W., hg. von Schulze-Delitzsch, Schneider und Schenck (Lpz., seit 1859); Blätter für Genossenschaftswesen (ebd., seit 1866); The Cooperative News (Manchester); Die Genossenschaft (Wien) u. s. w.

Erwerbsunfähigkeit. Die E. ist die Voraussetzung für fast alle Unterstützungsansprüche aus den Arbeiterversicherungsgesetzen und für die Dauer dieser Ansprüche. Bei der Krankenversicherung wird zwar Arzt und Arznei bei jeder Krankheit, Krankengeld dagegen nur dann gewährt, wenn die Krankheit mit E. verbunden ist (Krankenversicherungsgesetz §. 6); letztere muß in diesem Sinne dann als vorliegend angesehen werden, wenn der Versicherte durch die Krankheit verhindert wird, seinem bisherigen Erwerb nachzugehen. Bei der Unfallversicherung kommt es hinsichtlich der Höhe der Rente, der Zuständigkeit zur Festsetzung derselben und der Zulässigkeit der Rechtsmittel wesentlich auf das Maß der durch den Unfall herbeigeführten E. an; es wird dabei völlige und teilweise, dauernde und vorübergehende E. unterschieden. Völlige E. bedingt eine Rente von zwei Drittel des bisherigen