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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Feuchtigkeit - Feudalstände
Wien, erhielt seine Bildung auf der Theresianischen
Rittcrakademie und widmete sich seit 1825 mediz.
Studien. 1845 wurde er Dekan der mediz. Fakultät
zu Wien, 1847 Vicedirektor der mediz. - chirurg.
Studien. Im Juli 1848 als Unterstaatssekretär in
das Ministerium des Unterrichts berufen, trat F.
schon im Dez. 1848 wieder ins Privatleben zurück.
Er starb 3. Sept. 1849. F. war nicht nur ein
vielseitig gebildeter und scharfsinniger Arzt, son-
dern auch ein mit lebensfrischem Humor begabter
Dichter, ein Schriftsteller von durchaus idealer
Lebens- und Kunstauffassung. Er schrieb "Über das
Hippokratiscbe ersteBuch von der Diät" (Wien 1835),
"Die Gewißheit und Würde der Heilkunst" (ebd.
1839; neue Ausg. u. d. T. "Arzte und Publikum",
1848) und das treffliche "Lehrbuch der ärztlichen
Seelenkunde" (ebd. 1845). Seine Gabe, den Ernst
der Wissenschaft in anziehende Form zu kleiden,
bekundete er vor allem in der für weitere Leserkreise
bestimmten Schrift "Zur Diätetik der Seele" (Wien
1838; 45. Aufl. 1883). Der Sinn für Poesie fand
während seiner Studienjahre im Verkehr mit den
bedeutendsten o'sterr. Dichtern jener Zeit Bildung
und Anregung. Anfangs versuchte er sich vorzugs-
weise in der Lyrik. In reifern Jahren trieb es ihn,
seine Beobachtungen und Ansichten über Leben,
Kunst und Natur in Poet. "Lebensblättern", "Kon-
fessionen" und "Resultaten" auszusprcchen, wobei
er sich in der Form namentlich Goethe zum Vorbild
nahm. Von seinen "Gedichten" (Stuttg. 1836) ist
"Es ist bestimmt in Gottes Rat" zum Volkslied
geworden. F.s "Sämtliche Werke. Mit Ausschluß
der rein medizinischen" hat Hebbel (7 Bde., Wien
1851-53) herausgegeben.
Feuchtigkeit, im allgemeinen der Zustand eines
mit einer tropfbaren Flüssigkeit benetzten oder ge-
tränkten Stoffs. In der Physik und Meteorologie
versteht man darunter die Wasserdampfverhältnisse
der Atmosphäre. Man unterscheidet absolute und
relative F. Erstere wird bestimmt durch die in
der Luft enthaltene Menge Wasserdampf, letztere ist
das Verhältnis der absoluten F. zu der Menge
Wasserdampf, die die Luft bei gleichem Druck und
gleicher Temperatur überhaupt aufnehmen könnte.
<S. Luftfeuchtigkeit.) , .
Feuchtigkeitsmesser, s. Hygrometer.
Feuchtwangen. 1) Bezirksamt im bayr. Reg.-
Bez. Mittelsranken, hat (1890) 26 332 (12561
männl., 13771 weibl.) E. in 51 Gemeinden mit 249
Ortschaften, darunter 3 Städte. - 2) Bezirksstadt
im Bezirksamt F., 28 Km im SW. von Ansbach,
an der zur Wornitz fließenden Sulzach und an der
Nebenlinie Dombühl-Nördlingen der Bayr. Staats-
bahnen, Sitz des Bezirksamtes, eines Amtsgerichts
(Landgericht Ansdach), Rent- und Forstamtes, hat
(1890) 2372 (5., Posterpedition, Telegraph, Spar-
kasse; drei Kirchen, eine lat. Schule; Leinen-, Woll-,
Damastfabrikation, Sandsteinbrüche.
Feudal (von ^eoäum, s. d.), auf das Lehnswefen
bezüglich; dann in weitcrm Sinne: nach Erhaltung
der Vorrechte des Adels und der höhern Stände im
modernen Staat strebend; auch gleichbedeutend mit
reaktionär. - Feudalherrschaft, die Herrfchaft
des Lehnswesens.
Feudalismus, Feudalwesen, Feudal-
system, das in der Zeit der Karolinger bis zum
13. Jahrh, ausgebildete Rechtssystem. Danach gal-
ten die Kirche und das Reich als eine große, die
ganze Christenheit umspannende Gemeinschaft, an
deren Spitze auf der einen Seite der Papst, auf
der andern Seite der Kaiser stand, ohne dah die
von dem Papst angestrebte Unterwerfung des Kai-
sers unter seine Gewalt zur allgemeinen An-
erkennung gekommen wäre. Papst und Kaiser
haben ihre Gewalt von Gott, von ihnen herunter
wird jede Gewalt als eine von dem Höhern an den
Niedern verliehene ausgeübt, welche auch vielfach,
wenn schon nicht durchgehends, in den Formen der
Velehnung übertragen wird. Ausgeschlossen ist, daß
die Gewalt im Auftrage derer ausgeübt wird, welche
derfelben unterworfen sind. Dieser Gedanke der
Volkssouveränität ist der direkte Gegensatz gegen
den F., eine Erfindung späterer Zeiten, welche, um
die staatliche Gewalt abzuschwächen, hauptsächlich
von den Jesuiten gepflegt wurde. Die Erteilung
der Belehnung bei der Lehnserneuerung ist nicht
ein Akt der Willkür, vielmehr hat der Empfänger
des erblichen Lehns ein Recht, die Belehnung zu
fordern; sie kann nicht willkürlich widerrufen, das
Lehn kann nur wegen Felonie (s. d.) abgesprochen
werden; denn den Höhern und Niedern bindet ein
Verhältnis wechselseitiger Treue, welche in einer
Stufenfolge höhern und niedern Geburtsstandes
die ganze Nation umschlingt. Die öffentliche Ge-
walt (Gerichtsbarkeit, Polizei, Militärgewalt) wird
auch in diefer Stufenfolge von dem, welchem sie
verliehen ist, als sein Eigentum ausgeübt, das ihm
wie das Eigentum am Grund und Boden als ein
Privatrecht gehört. Auch das Grundeigentum wird
in Verbindung mit persönlichen Verpflichtungen
gegen den Lehnsherrn (z. B. Ritterdiensten, Hof-
diensten und Abgaben) und mit nutzbaren Rechten
und Gewalten, die wir heute als öffentlich-recht-
lich ansehen, vielfach in den Formen der Belehnung
übertragen, so daß es als nutzbares Eigentum durch
das Obereigentum des Lehnsherrn eingeschränkt ist.
Ja nach der Idee des F. steht dem König das Ober-
eigentum an allem Lande seines Reichs zu (Boden-
regal; franz. nulle terrö 8lM8 86iZu6ur), eine Idee,
welche m England von Wilhelm dem Eroberer mit
äußerster Konsequenz durchgeführt wurde. Der Va-
sall hatte wieder seine Untervasallen; jener aber
seine hörigen Bauern, die mit schweren Fronden
dienten. Der F. verlor an Bedeutung, als das
Schießpulver erfunden war, die Feuerwaffen ange-
wendet wurden und an die Stelle der Ritter und
ihres Dienstes im Mittelalter der Militärdienst und
die Heere der neuen Zeit traten. Der F. hatte seinen
idealen Gehalt und einen großen Teil seines innern
Bestandes verloren, nur die den Bauernstand be-
drückenden Feudallasten waren geblieben. Der Ver-
such, sich derselben gewaltsam zu entledigen, war
im Bauernkriege (s. d.) niedergeschlagen worden;
erst die neuere Gesetzgebung hat auch diese auf recht-
lichem Wege beseitigt. (S. auch Agrargesetzgebung,
Grundeigentum und Lehnswesen.)
Feudalist, Kenner des Feudalrechts (auch Fen-
dist genannt); Anhänger des Feudalismus.
Feudalpartei, die Verfechter des Lehnsstaates
(s. Feudalismus) und der Bevorrechtung des Adels.
Feudalstände, Landstände, welche sich kraft
eignen Rechts vertreten. So in Mecklenburg die
Rittergutsbesitzer und die durch ihre Bürgermeister
vertretenen Städte. Auf diesem Princip beruht es,
daß in Sachsen, in Württemberg und im Groß-
herzogtum Hessen die Standesherren, denen die
Mitgliedschaft in der Ersten Kammer zusteht, ihr
Stimmrecht durch Stellvertreter ausüben können.