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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Flüsse

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Flüsse'

sten Stellen zwischen zwei Gebieten. Oft streichen sie ganz nahe und parallel den höhern Gebirgszügen, oft ganz entfernt von ihnen und in ganz anderer Richtung; oft ziehen sie durch Ebenen als niedrige Wasserscheiderücken, kaum merkbare Bodenanschwellungen (Thalwasserscheiden). Nicht selten liegen die Quellen mehrerer Flußgebiete auf Höhen sehr nahe beisammen, z. B. auf dem Fichtelgebirge die Quellen des Mains, der Naab, der Eger und der Saale, von denen der erste zum Rhein-, die andere zum Donau-, die beiden letzten zum Elbegebiet gehören. Mitunter aber entfließen auch F. einem und demselben Sumpfe in entgegengesetzten Richtungen, zu verschiedenen Gebieten gehörig. In Ebenen sind die Wasserscheiden häufig so flach, daß man Kähne und Waren leicht von einem Fluß in den andern schaffen kann, daher man diese Stellen, die sich namentlich zur Anlage von Kanälen eignen, auch Trageplätze (portages) nennt. Niedere Scheiden werden, besonders in Tropenländern, zur Regenzeit ganz überschwemmt, so daß die Wasserscheidung zeitweilig gänzlich aufgehoben ist. Es giebt aber auch konstante Verwirrungen zweier Flußgebiete, indem innerhalb einer Plattebene zwei F. nahe beieinander fließen und bei Spaltungen derselben ein Arm des einen in das Gebiet des andern übergeht. Solche natürliche Flußverbindungen, auch Gabelteilungen, Bifurkationen oder Bifluenzen genannt, finden sich in Europa bei dem Arno, welcher durch die Chiana mit dem Tiber, bei der Haase, einem Nebenfluh der Ems, welcher im Osnabrückischen durch die Else mit der Werre und so mit der Weser verbunden ist; zwischen Immendingen und Möhringen in Baden versinkt ein Teil des Donauwassers und fließt in 11 km Entfernung dem Rheingebiet zu; am großartigsten aber in Südamerika, wo ein Arm des Orinoco (s. d.), der Casiquiare, in den Rio Negro, einen Nebenfluß des Amazonenstroms, fließt, und bei den großen Strömen Hinterindiens.

Veränderungen von Flußläufen sind nicht selten. Sie erfolgen meistens im Unterlauf. Berühmt sind die Stromverlegungen des Hoang-Ho (s. d.) und Amu (s. d.); auch die westl. Zipfel des Bodensees bei Radolfzell und Ludwigshafen sind nichts anderes als ehemalige Rheinausflüsse. Am häufigsten verschmelzen zwei ursprünglich getrennte Flußsysteme durch Erweiterung des Deltas. So wurden Euphrat mit Tigris, Aras mit Kur, Donau mit Pruth, Rhône mit Durance vereinigt. Oft tritt aber auch der umgekehrte Fall ein, daß ehemalige Nebenflüsse selbständig werden; ein Beispiel ist die Etsch, die ehedem in den Po mündete, aber durch Ausdehnung des Po-Deltas von diesem getrennt wurde. Großartige Veränderungen erlitten die F. der Norddeutschen Tiefebene seit der Diluvialzeit. Die Figur auf S. 936 zeigt in seiner Punktierung den Verlauf der Diluvialthäler. Weichsel, Oder und Elbe vereinigten sich bei der heutigen Havelmündung zu einem großen Strom, der dem jetzigen Unterelbthal folgend in die Nordsee mündete. Weder der gegenwärtige Unterlauf der Weichsel, noch der der Oder existierten damals. Ein berühmtes Beispiel von Stromveränderunq, die in geschichtlicher Zeit vor sich ging, bietet der Isonzo (s. d.).

Die Ursachen dieser Laufveränderungen sind besonders die geolog. Zusammensetzung der Unterlage, veränderte Geschwindigkeit, andere Niederschlagsmengen u. s. w., nicht aber, wie Baer irrtümlich meinte, die Erdrotation. ↔

Die Bedeutung der F. beruht einmal auf ihrer Wasserführung, dann auf den Rinnen, in denen sie fließen. Sie wirken Hand in Hand mit der Küstengliederung auf die Aufschließung der Länder hin, sind Völkervermittler und schließlich Völkervereiniger, aber auch wichtige Grenzmittel, entweder vertragsmäßig anerkannte oder thatsächlich auf träge Völker stauend wirkende. Durch ihren Fischreichtum und die fruchtbaren Anschwemmungen sind sie ihren Anwohnern direkt nahrungspendend. Man nennt sie daher mit Recht «Lebensadern».

Stromlänge und Stromgebiet der größten F. zeigt folgende Tabelle:

_
FlüsseStromlängeStromgebiet
kmqkm
_
_
Europa:
Wolga_____3570______1_459_000__
Donau2860__817_000__
Dnjepr2150__527_000__
Don1860__430_250__
Dwina1782__365_381__
Petschora1580__329_500__
Ural1500__249_500__
Rhein mit Maas1225__197_000__
Weichsel1050__193_000__
Elbe1165__143_327__
Loire1002__121_000__
Oder905__112_000__
Rhône810__98_900__
Niemen907__90_548__
Düna840__85_400__
Garonne600__84_800__
Ebro757__83_530__
Tajo910__82_600__
Duero786__78_933__
Seine 705__77_800__
Dnjestr1372__76_862__
Po670__74_900__
Guadiana820__65_500__
Weser mit Werra711__48_000__
_
Asien:
Ob5210__2_980_650__
Jenissei-Selenga5210__2_530_357__
Lena4599__2_354_203__
Amur4480__2_038_000__
Jang-tse-kiang5200__1_872_000__
Ganges-Brahmaputra___3000__1_294_000__
Hoang-Ho4100__1_000_000__
Indus3180__960_000__
Euphrat2775__673_000__
Syr-darja2860__453_350__
Amu-darja2200__440_000__
_
Afrika:
Kongo4200__3_206_050__
Nil5940__2_810_300__
Niger4160__2_650_200__
Sambesi2660__1_430_000__
Oranje1860__1_083_050__
Schari?___915_000__
Kubango?___785_000__
Limpopo1600__560_000__
Senegal1430__440_500__
Rowuma1100__334_000__
Ogowe850__304_100__
Kuansa630__303_000__

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 938.