Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

243
Frauen vom guten Hirten - Fraunhofer
bald so gewaltig, daß er gegenwärtig nicht weniger als 200000 Mitglieder zählt. Zunächst ist sein Bestreben auf energische und unmittelbare Bekämpfung der Trunksucht gerichtet. In der Erkenntnis aber, daß das Ziel wirksam nur durch eine umfassende sittliche Erhebung und Besserung der Bevölkerung erreicht werden kann, hat der Verein eine Fülle allgemeiner Wohlfahrtsaufgaben in den Kreis seiner Wirksamkeit gezogen: Gefängniswesen, öffentliche Sittlichkeit, Krankenpflege, Armenwesen, Jugenderziehung, Waisenaufsicht, Erziehung und Bildung der Schwarzen, Fürsorge für Einwanderer u. s. w. Der Verein ist ausschließlich von Frauen organisiert und geleitet. Das Präsidium liegt zur Zeit in den Händen von Miß Frances Willard. Das Hauptquartier der Gesellschaft, die über ein Kapital von 150000 Pfd. St. verfügt, ist der Frauen-Temperanztempel in Chicago, wo eine große Anzahl bezahlter Beamtinnen unter Leitung von Frau Mathilde Carse konzentriert ist. Die einzelnen Arbeitszweige sind je einer der 40 Arbeitsabteilungen überwiesen. Obwohl von christl. Tendenz, so ist dennoch der Verein unabhängig von kirchlichem Einfluß. Außerdem
giebt es noch mannigfache Vereine mit besondern, beschränkten Zwecken. In London besteht unter der Leitung der hochverdienten Octavia Hill ein Verein, der sich der Verbesserung der elenden Wohnungsverhältnisse der ärmern Klassen widmet. Nach diesem Vorbilde ist jüngst auch in Berlin der "Frauenverein Octavia Hill" geschaffen worden. - Vgl. Luise Otto-Peters, Das erste Vierteljahrhundert des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (Lpz. 1890): Jenny Kirsch, Geschichte der 25jährigen Wirksamkeit (1866-91) des Lette-Vereins (Festschrift, Verl. 1891). S. auch die Litteratur zum Artikel Frauenfrage.
Frauen vom guten Hirten (frz. Sœurs de Notre Dame de Charité du bon Pasteur), die Mitglieder eines weiblichen Ordens, der die Besserung sittenloser und die Behütung gefährdeter Frauenzimmer bezweckt. Er ist aus einer zu demselben Zwecke von Endes (s. d.) gegründeten Genossenschaft hervorgegangen, indem die bis dahin für sich bestehenden Niederlassungen 1835 mit Genehmigung Gregors XVI. zu einer Genossenschaft unter einer zu Angers residierenden Generaloberin vereinigt wurden. Ende 1887 hatte der Orden 158 Häuser in allen Weltteilen. In den auswärtigen Missionen beschäftigt er sich vorzugsweise mit der Erziehung der weiblichen Jugend.
Frauenwörth, Insel im Chiemsee (s. d.).
Frauenzimmer, ursprünglich soviel wie Frauengemach, also ein für den Aufenthalt der Frauen ausschließlich bestimmter Raum; dann auch Kollektivbezeichnung für die in diesem wohnenden Frauen, sowie späterhin für Frauen im allgemeinen, besonders vornehme und wohl gesittete. Endlich wurde der Begriff auf das Individuum übertragen, sodaß man unter F. eine feine, gebildete Frauensperson verstand. Jetzt bedeutet es schlechtweg soviel wie Frauensperson, häufig mit tadelndem Nebensinn.
Frauenzins, s. Bedemund.
Fräulein bezeichnete ehedem ein vornehmes, edles Mädchen, besonders eine Fürstentochter (jetzt Prinzessin); daher Fräuleinsteuer soviel wie Prinzessinsteuer. Im Anfang des 19. Jahrh. kam der Titel F. nur adligen Damen zu; die bürgerlichen hießen Mademoiselle oder Mamsell (s. Damoiselle).
Fräuleinstift, Damenstift, Stift für unverheiratete Töchter der höhern Stände, denen es freie Wohnung, Beköstigung und gewisse Erträge gewährt. Sie haben sich meist aus ehemaligen, der Versorgung der Töchter des Adels dienenden geistlichen Stiftungen entwickelt, weshalb sie in mehrern Ländern (Mecklenburg, Hannover) "Klöster" heißen und in ihnen die Bezeichnungen Äbtissin, Priorin, Domina, Konventualin u. s. w. üblich sind. Zum Unterschiede von den geistlich-adligen Stiftern heißen die umgewandelten oder für weltliche Zwecke neu gestifteten weltlich-adlige. Je nach ihrer Entstehung unterstehen sie dem Staate, den Ritterschaften einzelner Landesteile, oder sie haben den Charakter reiner Familienstiftungen, wie das gräfl. Schmettowsche in Nietschütz, das freiherrl. von Zedlitzsche in Kapsdorf (beide in Schlesien), das von Jenasche in Halle a. S. u. s. w. Der Zweck und die Gründung eines F. beeinflussen die Anwartschaft auf dasselbe. Die Ahnenprobe ist für österr. Adlige fast durchgehend, für deutsche nur teilweise vorgeschrieben; für die unter direkter Hoheit des preuß. Staates stehenden besteht keine Ahnenprobe, nachdem solche staatlicherseits nirgends mehr gefordert wird; dagegen bestehen in Preußen F. korporativer oder privater Art mit der Forderung der Ahnenprobe (z. B. einzelne Stifter in der Provinz Hannover, das Wallensteinsche Stift in Fulda und das Ziegler von Klipphausensche in Joachimstein-Radmeritz in der Oberlausitz). Einige Stifter sind adligen und nichtadligen Jungfrauen gleich zugänglich. Diese haben ungefähr den Charakter von Offizier- und Beamten-Töchter-Versorgungsanstalten angenommen, als welche der Staat sie gern benutzt. Das "Handbuch für den preuß. Hof und Staat" für 1893 zählt 46 F. auf, ohne deren Zahl zu erschöpfen. Der Mehrzahl dieser Stifter ist von ihren Landesherren ein ordensähnliches Abzeichen zum Tragen durch die Stiftsdamen bei feierlichen Gelegenheiten verliehen; auch ist den Damen adliger Stifter ein gewisser Rang, beispielsweise am preuß. Hofe der Rang nach den Gemahlinnen der Majore eingeräumt.
Frauliche Gerechtigkeit, die der Frau als solcher zustehende Gerechtsame, z. B. das Recht der Witwe auf das Miteigentum am Vermögen des Mannes, wie es bei den Langobarden galt. - Vgl. Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (Lpz. 1889), S. 303.
Fraunhofer, Jos. von, Optiker, geb. 0. März 1787 zu Straubing, kam in seinem 12. Jahre als Lehrling zu dem Hofspiegelmacher und Glasschleifer Weichselberger in München, erregte durch einen Unglücksfall die Aufmerksamkeit des Königs Maximilian Joseph von Bayern und erhielt von diesem 18 Dukaten. F. kaufte dafür eine Glasschleifmaschine und beschäftigte sich nun mit dem Schleifen optischer Gläser und mit Gravierarbeiten in Metall. Daneben studierte er fleißig mathem. und optische Werke und machte sich besonders mit den Gesetzen der Lichtbrechung vertraut. 1806 wurde F. Optiker in dem mathem. Institut, das Joseph von Utzschneider (s. d.), Georg von Reichenbach (s. d.) und Jos. Liebherr 1804 zu München begründet hatten. Hierauf errichtete er 1809 mit Reichenbach und Utzschneider zu Benediktbeuern das berühmte optische Institut, das nach dem Ausscheiden Reichenbachs 1814 zu, nächst von F. und Utzschneider gemeinschaftlich, seit 1818 aber von ersterm allein fortgeführt und 1819 nach München verlegt ward. F. wurde Mitglied der Akademie der Wissenschaften (1817) und (1823) Konservator des Physik. Kabinetts derselben. Ein Jahr darauf ward er in den Adelstand erhoben,