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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gastmähler

Stellung an. Um die Tafel waren mehrere Ruhepolster gestellt, die häufig aus Cedernholz verfertigt, mit Elfenbein ausgelegt, mit Gold und Silber verziert und mit kostbaren Decken belegt waren. Die Tische wurden nicht wie gegenwärtig mit Tüchern bedeckt, sondern nach jedem Gange der Reinlichkeit wegen mit Schwämmen abgewischt und so auch jedesmal für die Gäste Wasser zum Waschen der Hände herumgegeben. Ein Handtuch brachte jeder Gast mit. Von besonders dazu bestellten Vorschneidern wurden die Speisen in kleine Stücke zerlegt und zum sofortigen Genusse aufgetragen. Drei Gänge fanden bei feierlichen Mahlzeiten in der Regel statt: das Vormahl, wobei man bloß solche Speisen auftrug, die zur Eßlust reizten; dann das Hauptmahl, das aus mehrern und feiner zubereiteten Speisen bestand; endlich der Nachtisch mit Näschereien. Während des Mahls trugen die Gäste leichte farbige, häufig auch weiße Gewänder, schmückten sich mit Kränzen und salbten Haupt und Bart mit duftenden Ölen. Das Speisezimmer wurde ebenfalls mit Kränzen geziert, und die Rosen, die als Sinnbild des Schweigens über dem Tische aufgehängt waren, haben das noch jetzt übliche Sprichwort veranlaßt: einem etwas sub rosa, d. h. unter der Rose, mitteilen. Der Symposiarch oder Tafelfürst, meist der Wirt selbst, sorgte für alles zum Gastmahl Nötige; ein anderer, der Trinkmeister (magister oder rex bibendi), führte die Aufsicht über das Trinken; der Austeiler teilte jedem seine Portion zu; Weinschenken, meist schöne Knaben, reichten die gefüllten Becher dar. Den Wein trank man stets mit Wasser vermischt. Das eigens für diesen Zweck bestimmte Mischgefäß hieß Krater, aus dem mit einem Schöpfkrüglein (cyathus) in die Trinkbecher (pocula), die oft aus kostbaren Stoffen verfertigt, prachtvoll verziert und bekränzt waren, eingeschenkt wurde. Gewöhnlich brachte man einen Becher dem rettenden Zeus (Soter), einen der Göttin der Gesundheit (Hygieia) und den letzten dem guten Schutzgeiste oder Genius. Aber nur die Mäßigen begnügten sich mit dieser Zahl. Denn man trank nicht bloß in die Runde (Encykloposie), sondern auch auf das Wohl der Freunde und Freundinnen, und dann so viele Becher, als der Name Buchstaben enthielt; ja man stellte förmliche Trinkkämpfe mit ausgesetzten Preisen an. Außer der Unterhaltung durch Gespräche, die oft, wie man aus Platos und Plutarchs Symposien sieht, sehr ernst und philosophisch war, öfter aber im Scherz und Witz sich erging, wobei die Rätsel und Griphen eine große Rolle spielten, hatte man noch die durch Gesang, und das Skolion (Tischlied) stimmte bald zu heiterer Freude, bald zu erhabenem Ernst. Nach beendigtem Mahle erschienen zur Belustigung der Gäste häufig Flötenspieler, Sängerinnen, Tänzerinnen und Possenreißer aller Art, oder die Gäste trieben selbst allerhand Spiele, unter denen der Kottabos das beliebteste war. Bei feierlichen und prächtigen G. teilte der Wirt wohl auch noch Geschenke an seine Gäste aus, die Xenia oder Apophoreta hießen und zu größerer Belustigung zuweilen noch verlost wurden. – Vgl. Becker, Gallus (neu bearbeitet von Göll, 3 Bde., Berl. 1880‒83); Guhl und Koner, Das Leben der Griechen und Römer (6. Aufl., ebd. 1893).

Im Mittelalter war die Sitte großer G. und festlicher Gelage allgemein. Die merowing. Könige hatten in ihrem Hofstaat schon Mundschenke und Truchsesse, und Gregor von Tours spricht oft von reich mit Speisen besetzten Tafeln. Ob man dabei lag, ist nicht bekannt; gewiß aber ist, daß man sich zur karoling. Zeit beim Essen um runde Tische setzte. In einer Pariser Bibelhandschrift mit Miniaturen aus dem 9. oder 10. Jahrh. sieht man bei der Abbildung der Mahlzeit Balthasars einen runden Tisch und in der Mitte auf einem hohen Untersatz eine einzige Schüssel mit einem Ziegenbraten, sonst weder Teller, noch Gabeln, aber Brote, welche die Stelle der Teller vertraten, Messer und abgenagte Knochen. Die sitzenden Gäste drehen sich herum und trinken aus mächtigen Schalen oder aus Flaschen, sodaß, allem Anschein nach, die Trinkgefäße neben dem Tische bei den Gästen am Boden hingestellt waren. Man aß das Fleisch mit den Fingern, nachdem es in Stücke geschnitten war, und die Knochen blieben auf dem Tische liegen, den damals noch kein Tischtuch bedeckte. Dies erscheint erst im 13. Jahrh. Nach altem Herkommen hielt man die Festschmäuse in der großen Burghalle, die selten geräumig genug war, oder im Freien, und am Ende des 14. Jahrh. ging es bei solchen Gelegenheiten schon stattlich und etikettemäßig her. Am obern Saalende war der baldachinartig überdachte und um einige Stufen erhöhte Sitz des hohen Burg- oder Lehnsherrn, mitten vor einem besondern Tische für die Mitglieder seiner Familie oder seine Ehrengäste, und hinter ihm, auf kunstvollen Schränken und Gestellen, blinkte der reiche Vorrat seines Silbergeräts, seiner kostbaren Gläser und irdenen Prachtgeschirre. Alle übrigen Gäste saßen auf Bänken (wovon der Name «Bankett»), die längs der Wände angebracht und mit Federkissen und Polstern (Kultern) versehen waren, an schmalen Tischen, bloß auf einer Seite; die andere Seite war, wie im Altertum, für die Bedienung freigelassen. Auf den Tischen lagen plüschartige, doppelt gefaltete Tücher, mit Blumen beworfen; jeder Gast hatte seinen eigenen Strauß; auch bekränzte man damit die Trinkgefäße und streute Blumen auf den Boden. Hörnerschall verkündigte, das Mahl sei angerichtet; dies hieß «Wasser blasen», weil man den Gästen, ehe sie sich zu Tisch setzten, Wasser zum Waschen verabreichte. Edelleute, bei feierlichen Gelegenheiten zu Pferde, brachten die Gerichte; ein Ritter, mit einem Knie am Boden, präsentierte sie dem bewirtenden Herrn und trug sie nachher zum Vorschneider, oder die Schüsseln wurden auch geradezu auf den Tisch gesetzt und wieder abgetragen, wenn die Gäste sie in Augenschein genommen, wie es noch heutzutage geschieht. Zum Zerschneiden der Braten, zum Hinstellen der Teller und des ganzen kleinen Tafelgeräts dienten große Vorlegetische, von wo aufwartende Diener die zerschnittenen Gerichte abholten und den Gästen hinbrachten, die sich selbst bedienten und von silbernen oder zinnernen Tellern speisten. Das Getränk stand auf eigenen Kredenztischen und wurde von Mundschenken eingegossen. Haushofmeister leiteten die Bedienung der Tafel. In den Pausen zwischen den Gängen spielten Mimen und Possenreißer ein allegorisches Stück oder einen drolligen Schwank und hielten so die Heiterkeit der Gesellschaft in vollem Zuge. Nach dem Hauptessen wurden die Tischtücher abgenommen. Alsdann begannen die Spiele, und man servierte Zuckerwerk und Kompotte. Erst später wurde es Sitte, das Dessert nach den Fleischspeisen auftragen und dafür den Tisch ganz neu servieren zu lassen. Solche Mahlzeiten mit ihren verschiedenen Gängen, Schauessen (s. d.) und Zwischenspielen (sog.