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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gebärmutterkrankheiten

ist der Grund der gebeugten Gebärmutter entweder nach vorn (Anteflexion) oder nach hinten (Retroflexion) gerichtet. Die Ursache dieser Lageveränderungen liegt teils in einer abnormen Schlaffheit der Gebärmutter und ihres Befestigungsapparats, teils darin, daß die übermäßig angefüllte Harnblase oder der durch Kotmassen anhaltend überfüllte Mastdarm unter gewissen Umständen die Gebärmutter aus ihrer normalen Lage drängen können. Die Beschwerden sind sehr mannigfach und können den Kranken durch ihre Hartnäckigkeit allen Lebensgenuß verkümmern; die hauptsächlichsten Symptome sind heftige Kreuzschmerzen, anhaltende Blutungen sowie Menstruationsstörungen der verschiedensten Art, Harnbeschwerden, Schleimabgänge, Magenschmerzen und Verdauungsstörungen; häufig sind auch Unfruchtbarkeit, Blutarmut, Hysterie und andere nervöse Beschwerden vorhanden. Die Behandlung besteht auch hier in der Aufrichtung des geneigten oder gebeugten Fruchthalters und in der Anwendung mechan. Unterstützungsmittel (Pessarien, Hysterophore u. dgl.), durch welche die aufgerichtete Gebärmutter in ihrer normalen Lage möglichst unterstützt und erhalten wird. In geeigneten Fällen wird die Gebärmutter durch Operation in ihre normale Lage gebracht. Die Umstülpung oder Inversion der Gebärmutter kommt gewöhnlich kurz nach der Entbindung durch gewaltsames Zerren an der Nabelschnur oder ungebührlich starkes Pressen zu stande, indem der Grund der schlaffen Gebärmutter durch den weiten Muttermund hervortritt und schließlich eine vollständige Umstülpung der Gebärmutter und der Scheide nach außen erfolgt. Gewöhnlich zeigen heftige Leibschmerzen, Erbrechen, Blutung, Ohnmacht, Angstgefühl und andere bedrohliche Symptome den Eintritt dieses gefährlichen Zufalles an. Die Behandlung erfordert die schleunige Reposition der umgestülpten Gebärmutter, indem der Geburtshelfer die letztere mit der Hand nach oben drängt und in ihre normale Lage zu bringen sucht. Bei der Emporzerrung oder Elevation der Gebärmutter wird die letztere durch allmählich wachsende Geschwülste oder durch Verwachsungen mit dem Bauchfell nach oben in die Höhe gezerrt; besondere Beschwerden sind bei dieser Lageveränderung gewöhnlich nicht vorhanden.

Gebärmutterblutungen oder Metrorrhagien kommen sehr häufig vor und können so hochgradig werden, daß die Gefahr der Verblutung oder bei häufiger Wiederholung chronische Blutarmut entsteht. Am gefährlichsten sind Gebärmutterblutflüsse am Ende der Schwangerschaft, während der Entbindung und in der ersten Zeit des Wochenbettes, wo gewöhnlich schleunige Hilfe notthut; aber auch übermäßige Blutungen zur Zeit der monatlichen Reinigung (Menorrhagie) vermögen den Körper in hohem Grade zu schwächen. (S. Menstruation.) Außerdem geben noch am häufigsten Blutstockungen und Blutandrang nach der Gebärmutter, Auflockerung der Schleimhaut durch Katarrhe, Polypen und andere Mißbildungen Anlaß zu langwierigen Blutungen; auch leiden während der Klimakterischen Jahre (s. d.) viele Frauen an zeitweiligen heftigen Gebärmutterblutflüssen. Die Behandlung verlangt absolut ruhige horizontale Rückenlage, gehörige Regulierung des Stuhlgangs durch milde Abführmittel, kalte Umschläge auf den Unterleib und die äußern Genitalien, sowie Einspritzungen von kaltem Wasser, Eiswasser oder adstringierenden Lösungen (Gerbsäure, Alaun, Eisensesquichlorid) in die Scheide und die Gebärmutterhöhle. Hilft dies nicht, so muß vom Arzte oft die Tamponade, d. i. die kunstgemäße Ausstopfung der Scheide vermittelst eingeführter Wattebäuschchen, ausgeführt werden, übrigens muß bei allen stärkern Metrorrhagien an die Möglichkeit einer Fehlgeburt (s. d.) gedacht werden. Alle Frauen, die öfter an Gebärmutterblutungen leiden, müssen überdies den Genuß aller aufregenden Getränke (Kaffee, Thee, stärkere Biere, Wein), alle psychischen Aufregungen sowie anstrengende Körperbewegungen, namentlich Tanzen, soviel als möglich vermeiden. Bei angeborenem Verschluß des Muttermundes sammelt sich das ergossene Menstrualblut in der Gebärmutterhöhle an, verwandelt die Gebärmutter in eine große sackartige Geschwulst und verursacht die heftigsten, den Geburtswehen ähnliche Schmerzen (Gebärmutterkolik). Bei dieser krankhaften Blutansammlung in der Gebärmutter (haematometra) muß dem angehäuften Blut durch einen eingestochenen Troikar ein künstlicher Ausweg nach außen verschafft werden. Auf ähnliche Weise können sich unter gewissen Umständen Schleim, Eiter, Wasser (sog. Sackwassersucht der Gebärmutter, hydrometra) oder Luft und Gase (sog. Windgeschwulst der Gebärmutter, physometra) in der Gebärmutterhöhle ansammeln und gleichfalls Anlaß zu heftigen Schmerzen geben.

Unter den Geschwülsten und Neubildungen der Gebärmutter kommen am häufigsten die Schleimpolypen, die Fasergeschwülste oder Fibroide und die krebsartigen Geschwülste vor. Die Schleim- oder Schleimhautpolypen sind erbsen- bis walnußgroße, gestielt aufsitzende geschwulstsörmige Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut, die am häufigsten vom Cervikalkanal ausgehen und wegen ihrer Zartheit und ihres Gefäßreichtums außerordentlich leicht Anlaß zu langwierigen Blutungen geben. Sie lassen sich durch Abschneiden oder Abbinden leicht entfernen. Die Fasergeschwülste oder Fibroide bestehen aus einem derben sehnigen Fasergewebe, glatten Muskelfasern und verhältnismäßig spärlichen Blutgefäßen und werden wegen ihres Reichtums an Muskelfasern auch Myome oder Fibromyome genannt. Sie kommen bald vereinzelt, bald in größerer Anzahl vor und werden am häufigsten bei Frauen beobachtet, die zwischen dem 30. und 40. Jahre stehen. Die Fibroide, deren Größe von der einer Erbse bis zum Umfang eines Männerkopfes und darüber schwankt und deren Gewicht 10-15 kg betragen kann, entwickeln sich ursprünglich in der eigentlichen Substanz der Gebärmutter, drängen aber bei ihrem weitern Wachstum entweder den Bauchfellüberzug der Gebärmutter vor sich her und ragen dann als mehr oder minder große gestielte Geschwülste in die Bauchhöhle (subseröse Fibroide), oder sie schieben die Gebärmutterschleimhaut vor sich her und ragen als sog. fibröse Polypen in die erweiterte Gebärmutterhöhle oder selbst in die Scheide hinein. Größere Myome verursachen gewöhnlich beträchtliche Lageveränderungen und Verschiebungen der Gebärmutter, der Harnblase, des Mastdarms und der benachbarten Organe. Die Beschwerden, die derartige größere Myome veranlassen, bestehen hauptsächlich in außerordentlich heftigen, bisweilen fast unstillbaren Blutungen, in wehenartigen Schmerzen, Stuhlverstopfung und Harnbeschwerden, bisweilen auch Schmerzen und abnormen Empfindungen (Ameisen-^[folgende Seite]