Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gehirnabsceß; Gehirnatrophie; Gehirnblasenwurm; Gehirnblutung; Gehirnbruch; Gehirndruck

680

Gehirnabsceß - Gehirndruck

sie bei den höchsten Affen (wie auch beim Menschen) so weit gelangt, daß das ganze kleine G. von oben her nicht mehr sichtbar ist. Ziemlich gleichen Schritt mit der Entwicklung der Hinterlappen hält die der Vorderlappen, die sich mehr und mehr nach vorn ausbreiten über den Ursprung der Riechnerven weg, der bei einigen Nagetieren noch aus besondern Gehirnabschnitten, den Riechkolben, stattfindet. Sehr verschieden gestalten sich auch die Windungen; sie sind einmal, auch in derselben Ordnung, um so schwächer entwickelt, je kleiner die betreffende Tierart ist, dann aber richtet sich ihre Entwicklung unverkennbar auch nach der Stufe, welche die Säugetiere in der Reihe einnehmen: so haben Monotremen und Beuteltiere, auch die größten, glatte Hemisphären. Man hat nach dem Vorhandensein oder Fehlen der Windungen die Säugetiere in zwei große Gruppen: furchenhirnige (gyrencephala) und glatthirnige (lyssencephala) zerlegen wollen. Das Hinterhirn der Seitenventrikel mit dem Vogelsporn verschwindet bei den niedern Ordnungen, dafür vergrößern sich aber die Ammonshörner. Auch der Hinterbalken wird in absteigender Linie immer kleiner, fehlt aber keinem Säugetier ganz; umgekehrt verhält sich die Entwicklung des Sehhügels. Der Vierhügel der Monotremen hat bloß ein Paar von Höckern, erst bei den Beuteltieren erscheint nach und nach das hintere Paar. Am Kleinhirn der niedern Säugetiere (Monotremen, Beuteltiere, Nager, Insektenfresser und Fledermäuse) überwiegt noch der Wurm, der successive gegen die Seitenteile zurücktritt, bis sich bei den höchsten Affen die Sache ähnlich gestaltet wie beim Menschen. Am verlängerten Mark verkleinern sich die Oliven in absteigender Linie.

Am G. der Vögel hat das Vorderhirn schon ein beträchtliches Übergewicht über die andern Hirnteile, doch fehlen Windungen noch völlig. Die großen Hemisphären sind nur durch eine einfache Kommissur anstatt durch einen Hirnbalken verbunden. Der Seitenventrikel ist sehr geräumig, daher die eigentliche Hirnmasse nur dünn, doch wird er zum größten Teil vom Streifenhügel ausgefüllt, der aber hier noch nicht die abwechselnden Lagen von grauer und weißer Substanz zeigt, sondern aus letzterer allein besteht. Das Gewölbe ist bloß rudimentär: der kleine Vierhügel wird vom Vorderhirn völlig überdeckt und der quergefurchte Wurm ist weit größer als die Seitenteile des Kleinhirns.

Bei den Reptilien ist das G. noch geringer entwickelt als bei den Vögeln: so wird der Vierhügel vom Vorderhirn nicht überdeckt und die Riechnerven sind im hintern Ende zu Riechkolben angeschwollen, deren innerer Hohlraum mit den Seitenventrikeln im Zusammenhange steht.

Die Amphibien haben ein im Verhältnis kleines G., an dem aber ein deutlich gesondertes Mittelhirn nachweisbar ist. Eine Grube auf der Oberseite des verlängerten Marks zwischen den auseinander tretenden hintern Strängen (vordere Rautengrube oder Zugang zur vierten Hirnhöhle) ist sehr ansehnlich.

Das G. der Fische ist im Verhältnis zur Größe des ganzen Tieres oder zu der des Rückenmarks sehr klein und wächst nicht in dem Maße wie die Schädelhöhle, sodaß es diese nicht ganz, bei alten Individuen oft nur zu einem kleinen Teil, ausfüllt. Bei einem Mondfisch (s. d.) von 158 kg wog das G. bloß 2,2 g. Der niederste Fisch (Amphioxus, s. Lanzettfische) hat noch kein gesondertes G. Bei den Rundmäulern folgen sich vier von oben sichtbare Abschnitte des G. aufeinander: 1) das sehr kleine, doppelseitige Vorderhirn (entsprechend der Hemisphäre), 2) ein winziges Zwischenhirn, 3) ein aus einem paar Anschwellungen bestehendes Mittelhirn (Vierhügel) und 4) ein Kleinhirn in Gestalt einer sehr kleinen Brücke zur Verbindung der hintern Stränge. Der Zugang zur vierten Hirnhöhle steht weit offen (Rautengrube, sinus rhomboidalis). Bei den übrigen Fischen sind Zwischenhirn (d. h. Sehhügel und Umgebung der dritten Hirnhöhle) und Mittelhirn als solche nicht vorhanden, sie werden durch die Sehlappen (lobi optici) ersetzt, die aus einer Vereinigung des Vierhügels und des Zwischenhirns bestehen. Die Riechkolben (lobi olfactorii) der Fische sind hohl, meist sehr groß und oft am vordern Ende verbreitert. Das am höchsten entwickelte G. unter den Fischen haben die Haie.

Litteratur. Carus, Versuch einer Darstellung des Nervensystems und besonders des G. (Lpz. 1814); Leuret und Gratiolet, Anatomie comparée du système nerveux (2 Bde. mit Atlas, Par. 1839-57); Luys, Recherches sur le système nerveux cérébrospinal (ebd. 1865, mit Atlas von 40 Taf.); ders., Iconographie photographique des centres nerveux (ebd. 1872); Pansch, De sulcis et gyris in cerebris simiarum et hominum (Eutin 1867); von Miklucho-Maclay, Beiträge zur vergleichenden Neurologie der Wirbeltiere (Lpz. 1870).

Gehirnabsceß, s. Gehirnentzündung.

Gehirnatrophie, s. Gehirnschwund.

Gehirnblasenwurm, s Drehkrankheit.

Gehirnblutung, s. Schlagfluß.

Gehirnbruch, Encephalocele, das teilweise Heraustreten des Gehirns aus seiner knöchernen Schädelkapsel, ist entweder angeboren oder infolge von Kopfverletzungen erworben. Der angeborene G. (Encephalocele congenita) stellt sich als eine bald größere, bald kleinere kugelige oder halbkugelige Geschwulst am Hinterhaupt, an der Stirn oder in der Gegend der Schläfenschuppen dar, deren Inhalt aus Gehirnwasser und Gehirnsubstanz besteht und durch eine Öffnung in der Schädelkapsel mit dem Großhirn in Verbindung steht. Die Ursache dieser Mißbildung besteht in einer partiellen Wasseransammlung in den Hirnhöhlen in Verbindung mit einem regelwidrigen Offenbleiben gewisser Schädellücken, durch die Teile des sackartig vorgedrängten Großhirns nach außen treten können. Die meisten mit angeborenem G. behafteten Kinder sterben frühzeitig, weil sich der Bruchinhalt leicht entzündet und dann gewöhnlich eine tödliche Hirn- und Hirnhautentzündung zur Folge hat. Nur ganz kleine Hirnbrüche können bis ins höhere Alter getragen werden. Der erworbene oder traumatische G. (Encephalocele acquisita s. traumatica) besteht in dem Heraustreten von Gehirnsubstanz aus Schädelwunden, wobei dieselbe als rötliche schwammartige Masse erscheint und gewöhnlich in Verschwärung und brandigen Zerfall übergeht. Man trägt die vorgefallene Hirnsubstanz mit dem Messer ab und bedeckt die Wunde mit einem antiseptischen Verband.

Gehirndruck (Compresio cerebri), diejenigen Krankheitserscheinungen, welche durch einen abnormen Druck auf die Hirnoberfläche oder die innern Hirnpartien hervorgerufen werden. Am häufigsten beobachtet man diese Symptome bei Schädelbrüchen, wenn ein oder mehrere Knochenstücke in das Innere der Schädelhöhle eingedrückt sind, bei größern Gehirngeschwülsten (s. d.), bei umfangreichern Blut-^[folgende Seite]