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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gerste

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Gerste

der Entomologischen Sammlung der Berliner Universität ernannt, welche Stellung er bis 1876 innehatte. Er habilitierte sich 1857 für Zoologie an der Universität Berlin, wurde 1873 daselbst außerord. Professor und ist seit 1876 ord. Professor der Zoologie und Direktor des Zoologischen Museums an der Universität in Greifswald. Seine wissenschaftlichen Werke sind, abgesehen von zahlreichen Aufsätzen in Fachzeitschriften: «Handbuch der Zoologie» (2 Bde., Lpz. 1863‒75; im Verein mit V. Carus), «Das Skelett des Döglings, Hyperoodon rostratus» (ebd. 1887), «Rhipiphoridum Coleopterorum familiae dispositio systematica» (Berl. 1855), «Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen im Gebiete der Entomologie während der J. 1853‒70» (ebd. 1855‒73), «Entomographien, Abhandlungen im Bereich der Gliedertiere» (Bd. 1: «Monographie der Endomychiden», Lpz. 1858), «Über die Gattung Oxybelus» (Halle 1867), «Die Arten der Gattung Nysson» (ebd. 1867), «Die Gliedertier-Fauna des Sansibargebietes» (in von der Deckens «Reisen in Ostafrika», Bd. 3, Abteil. 2, Lpz. 1873), «Zur Morphologie der Orthoptera amphibiotica» (Berl. 1873), «Beiträge zur Artenkenntnis der Neuroptera Megaloptera» (Greifsw. 1884‒88), «Die Orthopteren-Fauna Guineas» (ebd. 1883), «Die Klassen und Ordnungen der Gliederfüßler: Arthropoda» (Bd. 5 von Bronns «Klassen und Ordnungen des Tierreichs», Lpz. 1866‒93), «Die Wanderheuschrecke (Oedipoda migratoria L.), gemeinverständliche Darstellung ihrer Naturgeschichte u. s. w.» (Berl. 1876), «Der Coloradokäfer und sein Auftreten in Deutschland» (Cass. 1877).

Gerste (Hordeum L.), Pflanzengattung aus der Familie der Gramineen (s. d.). Man kennt etwa 12 wildwachsende Arten, die vorzugsweise in der nördlichen gemäßigten Zone vorkommen. Einige hierher gehörige Arten sind wichtige Getreidepflanzen und schon seit sehr langer Zeit in Kultur. Die Ährchen stehen zu drei an der Spindel; bei den wild wachsenden Arten sind alle Ährchen begrannt, die seitenständigen entweder männlich oder geschlechtslos. Ganz gemein ist bei uns Hordeum murinum L., die Mäusegerste. Die Ährchen der angebauten Arten sind entweder alle zwitterig, oder die seitenständigen sind männlich, dann aber unbegrannt.

Die kultivierten Arten sind fast sämtlich einjährig, meistens Sommer-, seltener Winterfrucht. Als die vorzüglichste gilt die lange zweizeilige G. (Hordeum distichum L., s. Tafel: Getreidearten, Fig. 16 a ganze Ähre, b einzelnes Korn); etwas geringer im Range steht die gemeine oder vierzeilige G. (Hordeum vulgare; Fig. 14 a ganze Ähre, b einzelnes Korn) mit vielen Abarten, im letzten die sechszeilige G. (Hordeum hexastichum L.; Fig. 15 a ganze Ähre, b einzelnes Korn). Bei letzterer sind die Ährchen genau in sechs gleichweit entfernte Zeilen gestellt, die Ähren deshalb walzenförmig; bei Hordeum vulgare sind zwar auch alle Ährchen fruchtbar, dieselben jedoch in vier Reihen geordnet, weshalb die Ähre viereckig erscheint. Die zweizeiligen G. haben zusammengedrückte Ähren; unter ihnen zeichnet sich die Pfauengerste (Hordeum zeocriton L.; Fig. 17 a ganze Ähre, b einzelnes Korn) durch weit abstehende lange Grannen aus. Eine bemerkenswerte Abart der gemeinen G. ist die Zinkengerste (Hordeum trifurcatum), bei der die Ährchen statt in Grannen in drei auseinander gespreizte Zähne auslaufen, sowie die nackte G. oder Jerusalemsgerste, bei der sich zur Reifezeit die Spelzen von der Frucht trennen.

Die Samen der G. dienen zur Bier-, Zucker-, Sirup-, Graupen-, Kaffeesurrogat-, Gerstenmilch- und Mehlbereitung; doch ist Gerstenmehl weniger zur Brotbereitung geeignet; nur in dem nördl. Europa und in Schottland wird es ohne Mischung mit Weizenmehl dazu verwendet. Die Zusammensetzung der G. ist nach J. Kühn folgende: die Körner enthalten im Mittel 86,2 Proz. Trockensubstanz, 11,2 Proteïnstoffe und 2,1 Fettsubstanz, 65,5 stickstofffreie Extraktstoffe, 5,2 Holzfaser und 2,2 Proz. Asche. Das Stroh enthält 85,7 Proz. Trockensubstanz, 3,4 Proteïnstoffe und 1,4 Fettsubstanz, 34,7 stickstofffreie Extraktstoffe, 41,8 Holzfaser und 4,4 Proz. Asche. Die G. gedeiht sowohl im heißen, trocknen Klima, z. B. in Arabien, als auch in kalten Zonen, z. B. in Norwegen, wo dieselbe als einzige Getreideart noch unter 70° nördl. Br. angebaut wird. Auch sind die Samen der G., welche im Orient die ausschließliche Kraftnahrung der Pferde bilden, sowie das Gerstenstroh ein gutes Viehfutter. Das ursprüngliche Vaterland der G. ist jedenfalls Westasien, wahrscheinlich der Kaukasus, woselbst wenigstens die zweizeilige G., Hordeum distichum L., wildwachsend gefunden wurde; auch in andern orient. und südl. Gegenden kommen wilde oder verwilderte Formen der G. vor. Nach Deutschland kam sie zuerst aus Italien. Schon Moses und verschiedene Bücher des Alten Testaments erwähnen der G., ebenso griech. und röm. Schriftsteller. Die alten Römer bereiteten aus ihr verschiedene Speisen und Getränke. Den Griechen, den Ägyptern und den alten Deutschen war das aus G. bereitete Bier bekannt, die Römer erhielten Kunde von dem Gerstentrank der Germanen durch Tacitus.

Die G. liefert die höchsten Erträge auf einem tiefgründigen Lehm- oder Lehmmergelboden, kommt aber, wenn auch nicht so gut, noch auf lehmigem Sandboden fort, wogegen stark bindiger, strenger Thonboden derselben nicht zusagt. Die G. verlangt ein unkrautfreies, nicht abgetragenes Feld, welches im Herbste die Saatfurche erhalten haben muß und im Frühjahr nur mit dem Grubber gelockert wird. Der Körnerertrag ist beim Anbau im zweiten und dritten Jahre nach der Düngung ein höherer als unmittelbar nach derselben; rechtzeitige Gaben von Chilesalpeter und Superphosphat haben sich als günstig bewährt; Braugerste ist jedoch empfindlicher gegen jede Art von Düngung als solche, welche zur Mehlbereitung oder zum Viehfutter verwandt wird. Die Ernte der G. erfolgt, wenn die ersten Pflanzen reif geworden sind. Der Ertrag schwankt zwischen 10 und 60 hl pro Hektar, je nach Boden, Art der G., Klima und Wetter; das Gewicht pro Hektoliter beträgt 58‒86 kg; der Strohertrag beläuft sich auf 1500‒3000 kg pro Hektar. Über den Handel mit G., die Preise und die Produktion s. Getreidehandel, Getreidepreise, Getreideproduktion. Als tierische Feinde sind zu nennen: Drahtwurm (Larve von Agriotes segetis Gyl.), die Larven der Hessenfliege (Cecidomyia destructor Say.), der Weizenmücke (Cecidomyia, tritici Kirby), des Getreideschänders (Cecidomyia cerealis Sauter), der Fritfliege (Chlorops frit Mg.), die Raupe der Gamma-Eule (Plusia gamma L.) u. a. m.; zu den pflanzlichen Feinden gehören: der Flugbrand (s. Brand [des Getreides]), das Mutterkorn (s. d.), der Rost (s. Getreiderost) und der Meltau (s. d.). – Vgl. Körnicke u. Werner, Handbuch des Getreidebaues