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Geschlagenes Feingold - Geschlechtskrankheiten
Geschlagenes Feingold, s. Blattgold.
Geschlecht (Genus) ist in weiterm Sinne gleichbedeutend mit dem systematischen Begriff der Gattung (s. d.), in engerm aber bezeichnet man durch das männliche und das weibliche G. (sexus masculinus und sexus femininus) zwei verschiedene, immer im Bau der Geschlechtsdrüsen, häufig aber auch und in sehr bedeutendem Grade in der äußern Gestalt, Stimme u. s. w. voneinander abweichende Formen («geschlechtlicher Dimorphismus»), in welchen bei den meisten Tieren und zahlreichen Pflanzen behufs einer eigentümlichen, auf die Fortpflanzung sich beziehenden Arbeitsteilung die Individuen der einzelnen Tier- und Pflanzenarten vorkommen. Durch die Verschiedenheit der G. wird die geschlechtliche Zeugung (s. d.) der neuen organischen Wesen vermittelt, welche mit denen, von welchen sie gezeugt wurden, von gleicher Art sind. Nur bei auf niederer Stufe stehenden Organismen (bis zu den Insekten herauf, aber nie bei Wirbeltieren) finden andere Fortpflanzungsweisen statt, die teils neben der geschlechtlichen Zeugung hergehen, teils mit derselben in Wechselbeziehung stehen. (S. Ammenzeugung, Generationswechsel, Parthenogenesis.) Der Grundcharakter der verschiedenen G. macht sich durchgehends derart bemerkbar, daß das männliche sich als zeugendes, schaffendes, das weibliche als empfangendes, fortbildendes offenbart. Letzteres trägt den Keim zu einem organischen Wesen seiner Art in sich, bildet ihn aber (mit verschwindenden Ausnahmen, s. Parthenogenesis) erst nach empfangenem Anstoß von ersterm weiter aus. Die Organe, welche den Hauptunterschied der G. begründen, nennt man Geschlechtsteile oder Genitalien (s. Geschlechtsorgane), und ihren Komplex das Geschlechts- oder Sexualsystem oder die primären Geschlechtscharaktere. Der weitaus wichtigste Teil desselben sind die Geschlechtsdrüsen, bei den männlichen Tieren die Hoden, in welchen der Samen (sperma), bei den weiblichen Tieren die Eierstöcke, in welchen die Eier sich bilden. Diese Organe, in den verschiedenen Tierklassen mit unendlicher Verschiedenheit gebaut, liegen abgesondert von denen, welche zur Erhaltung des Individuums selbst dienen, und erfüllen ihren Zweck einzig und allein in der Erhaltung und Fortpflanzung der Gattung. Bei den Pflanzen findet sich das Analogon des tierischen Samens, der in den Staubgefäßen enthaltene Pollen, sowie der Stempel, welcher die Eichen führt, in den meisten Fällen innerhalb einer und derselben Blüte vereinigt, während das getrennte G. der seltenere Fall ist. Umgekehrt giebt es niedere Tierklassen, welche, ähnlich den erst genannten Pflanzen, die verschiedenen Geschlechtsorgane in demselben Individuum vereinigen und so die hermaphrodite Bildung darstellen. Entsprechend den gemäß der geschlechtlichen Arbeitsteilung den verschiedenen G. zufallenden Rollen sind die männlichen Tiere meist geschmückter und mit stärkern Waffen ausgestattet als die weiblichen Tiere (Löwe, Hirsch, Hahn, Schmetterlinge, Hirschkäfer, sog. sekundäre Geschlechtscharaktere, s. Darwinismus, Zuchtwahl).
Während der Naturforscher durch Beobachtung in dem Instinkt der Tiere einen Unterschied der G. zu erblicken vermag, stellt sich dieser Unterschied beim Menschen von früher Kindheit an in Charakter und Gefühlsleben auf den ersten Blick dar. Der geschlechtliche Dimorphismus ist bei den niedern Menschenrassen, bei welchen beide G. sich mehr denselben Verrichtungen widmen, geringer als bei den kultivierten Rassen, bei welchen sich eine entwickeltere Arbeitsteilung herausgebildet hat. So verschieden die G. in ihren Vollkommenheiten sind, ebenso abweichend voneinander zeigen sie sich in ihren Unvollkommenheiten. Viele Krankheiten, abgesehen von denen, die der Natur der Sache nach nur das eine oder das andere G. befallen können, suchen das eine vorzugsweise vor dem andern auf; andere, denen beide G. anheimfallen, nehmen bei dem Manne einen andern Verlauf als beim Weibe, wie z. B. das Weib mehr zu chronischen Krankheiten geneigt ist, der Mann mehr zu akuten, und die letztern Krankheiten meist einen stürmischem Angriff auf den Mann machen als auf das Weib. Dieser Unterschied erstreckt sich auch auf die geistigen Unvollkommenheiten, auf die Fehler des Charakters, die Leidenschaften und die wirklichen Geisteskrankheiten. Der Mann ist mehr dem Zorn, der Wut und der Raserei, das Weib mehr der List, Eifersucht und Melancholie unterworfen. Zuweilen kommen Beispiele vor, wo die Natur sich in der Zusammensetzung eines Menschen aus Körper und Geist versehen zu haben scheint, Männer, die in ihrem Thun und Treiben mehr dem Weibe ähneln und umgekehrt. Man würde diese Fälle sehr häufig falsch beurteilen, wenn man diese Abweichungen nur aus eigentümlicher Charakterbildung zu erklären versuchte, da sie oft im Körper selbst begründet sind, wie z. B. schon die bei dergleichen Männern oft vorkommende Bartlosigkeit und unkräftige, hohe Stimme und der bei dem Mannweibe (virago) sich gewöhnlich auf der Oberlippe zeigende Anflug von Bart nebst der kräftigen, tiefen Stimme neben andern weniger bemerkbaren Abweichungen einen Mißgriff der Natur in der Verteilung der jedem G. zukommenden körperlichen Eigentümlichkeiten und Fähigkeiten deutlich offenbaren. Über Menschen, deren G. zweifelhaft ist oder in denen sich beide G. zu vereinigen scheinen, s. Hermaphroditismus.
Geschlecht, in sprachlicher Hinsicht, s. Genus.
Geschlechtliche Fortpflanzung, s. Zeugung.
Geschlechtscharaktere, Geschlechtseigentümlichkeiten, s. Geschlecht.
Geschlechtsgemmen, s. Hydroidpolypen.
Geschlechtsgenossenschaft, eine der ursprünglichsten Anfangsformen menschlicher Vereinigung, nur aus den Gliedern der gleichen Familie im weitern Sinne bestehend. Die nächsthöhere Stufe ist die aus der Verschmelzung mehrerer G. hervorgehende Horde. Die G. hat sich, wie mehrere Sociologen annehmen, nur unwesentlich von der Rudelbildung bei den höhern Säugetieren unterschieden. Ein eigentliches Oberhaupt mit weitgehenden Machtbefugnissen bestand wahrscheinlich nicht, sondern nur ein Anführer oder eine Anführerin, ganz ähnlich dem Leittiere der tierischen Rudel. Auch war die Verfassung vermutlich eine im weitgehendsten Maße kommunistische, indem jegliches Eigentum allen Mitgliedern der G. gemeinsam gehörte und auch jeglicher Mann an jegliches Weib und jegliches Weib an jeglichen Mann ein Anrecht hatte. Somit herrschte gleichzeitig Polygynie und Polyandrie und zwar nur endogam, d. h. innerhalb der G. Allerdings kann bei dieser Art des Geschlechtsverkehrs von einer Form der Ehe keine Rede sein.
Geschlechtsgüter, s. Stammgüter.
Geschlechtskrankheiten, im weitern Sinne alle Krankheiten des männlichen und weiblichen