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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Glycerīde; Glycerīn

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Glyceride – Glycerin

Glycerīde, Bezeichnung der esterartigen Verbindungen des Glycerins mit Säuren. In ihnen ist, wie in den gewöhnlichen Estern, der Wasserstoff der Hydroxylgruppen durch die Radikale der Säuren ersetzt. Da im Glycerin, C₃H₅(OH)₃ drei Hydroxylgruppen vorhanden sind, so tritt der besondere Fall ein, daß entweder ein oder zwei oder alle drei Wasserstoffatome durch die Säureradikale ersetzt sein können. Die hierdurch entstehenden Ester unterscheidet man als Mono-, Di- und Triglyceride. Die Essigsäure kann sich z. B. mit dem Glycerin zu folgenden Estern verbinden:

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Monacet-Glycerinester ^[img]

Diacet-Glycerinester ^[img]

Triacet-Glycerinester ^[img]

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Man bezeichnet dieselben in abgekürzter Form, indem man die Endsilbe «yl» des betreffenden Säureradikals in «in» verwandelt, der Monacet-Glyecrinester wird demnach Monacetin genannt; Diacetin ist der Diacet-Glycerinester, Stearin in der Tristearinsäure-Glycerinester u. s. f.

Da das Radikal jeder bekannten Säure Wasserstoff substituierend in das Glycerin eintreten kann, so ist die Zahl der darstellbaren G. ungemein groß. Von diesen sind die, welche die Radikale der Fettsäuren enthalten, von größter und allgemeinster Bedeutung; es sind die im Pflanzen- und Tierreich verbreiteten Fette (s. d.), die sämtlich neutrale Triglyceride sind.

Ebenso wie die G. nach ihrer Entstehung sich auf Säuren und Glycerin zurückführen lassen, so kann man sie auch wieder durch Aufnahme der Elemente des Wassers in Säuren und Glycerin verwandeln, so z. B. das Tristearin in Stearinsäure und Glycerin: C₃H₅(O⋅C₁₈H₃₅O)₃ + 3 H₂O = C₃H₅(OH)₃ + 3 C₁₈H₃₅O(OH). Leichter noch als durch Wasser wird diese Zersetzung durch Alkalihydrate, z. B. Kalihydrat, KOH, bewirkt, wobei die frei werdende Säure als Kalisalz austritt. Die Alkalisalze der kohlenstoffreichen Glieder der Fettsäurereihe nennt man Seifen, und daher die Spaltung der Fette in Glycerin und fettsaures Alkali Verseifung. Der Prozeß der Seifenbildung bei der Bereitung der Seife ist eine Spaltung des in den Fetten enthaltenen Stearins, Palmitins, Oleïns u.s. w. in Glycerin und stearinsaures, palmitinsaures, ölsaures Alkali.

Glycerīn (vom grch. glykerós, süß), Ölsüß, Scheelesches Süß, der einfachste dreiwertige Alkohol (s. Alkohole) von der Zusammensetzung C₃H₈O₃ und der Konstitutionsformel

CH₂H⋅CHOH⋅CH₂OH.

Es findet sich zu etwa 8 bis 9 Proz. in den Fetten, den neutralen Estern des G. (Triglyceriden) mit den Säuren der Fettsäure- und Ölsäurereihe. Es tritt außerdem immer als Produkt der weingeistigen Gärung auf, wobei es in Mengen von 2 bis 3 Proz. vom vergorenen Zucker entsteht. Daher findet es sich z. B. auch im Wein, dem es einen vollern Geschmack, mehr Körper, verleiht. Sehr alte Weine zeigen wegen des Mangels an G. einen magern Geschmack. 1776 wurde es von Scheele bei Gelegenheit der Bereitung von Bleipflaster entdeckt. Es kann aus den Fetten erhalten werden, die beim Verseifungsprozeß durch Säuren oder Alkalien oder überhitzten Wasserdampf in die entsprechenden Säuren und in G. zerfallen. Auch synthetisch ist es dargestellt worden. Gegenwärtig gewinnt man das G. fabrikmäßig als Nebenprodukt bei der Bereitung von Stearinsäure (zu Kerzen) aus Talg oder Palmöl und aus den Unterlaugen der Seifensieder. Bei dieser Darstellung im großen erhält man es in wässeriger Lösung und reinigt es durch Destillieren in einem Strome von überhitztem Wasserdampf, der das G. bei einer Temperatur von etwa 180° mit fortführt. Durch fraktionierte Abkühlung der Dämpfe erhält man es fast wasserfrei, indem es sich schon zu einer Flüssigkeit kondensiert bei einer Temperatur, bei der das Wasser noch dampfförmig ist und weiter geleitet wird. Reines G. ist eine dicke farblose, sirupartige, rein süße (daher sein Name) Substanz vom spec. Gewicht 1,265 bei 15°. In starker Kälte erstarrt es schwierig zu kandiszuckerartigen Krystallen, die bei etwa +17° wieder schmelzen. Unter gewöhnlichem Luftdruck destilliert es nicht ganz unzersetzt bei 290°, bei vermindertem Druck oder mit Wasserdämpfen geht es unverändert über. Mit Wasser und Alkohol mischt es sich in jedem Verhältnis, in Äther ist es unlöslich. Es löst viele Stoffe auf, besonders auch Alkalien, alkalische Erden und viele Metalloxyde, indem es mit denselben Verbindungen eingeht. Beim Erhitzen für sich, und noch reichlicher beim Destillieren mit wasserentziehenden Mitteln, wie Schwefelsäure, Phosphorpentoxyd u. s. w., wird das G. in Wasser und Akroleïn zerlegt. Bei Gegenwart von Hefe geht es bei 20‒30° in Gärung über, wobei Propionsäure gebildet wird. Von den sehr zahlreichen Anwendungen, die das G. gefunden hat, seien folgende erwähnt. Als Zusatz zum Modellierthon schützt es diesen vor dem Austrocknen; aus demselben Grunde eignet es sich zur Aufbewahrung von Nahrungsmitteln, die in feuchtem Zustande erhalten werden sollen, z. B. des Senfes. In der Liqueur-, Punschessenz- und Limonadenfabrikation dient es zum Versüßen; ferner wird es dem Wein, Bier und Essig zugesetzt, was man Scheelisieren nennt. Auch als Schmiermittel für Maschinenteile, die nicht rosten sollen, besonders bei Uhren, ist es anwendbar, da es keine Veränderung erleidet und Messing oder ähnliche Legierungen nicht angreift. Seiner Eigenschaft wegen, die Haut weich und schlüpfrig zu machen, benutzt man es in der Kosmetik zu Glycerinseifen, Glycerinessig u. s. w. und zur Pflege des Haares. Eine Mischung von G. und Leim dient zur Herstellung von Buchdruckerwalzen- und Hektographenmasse. Mit feingepulverter Bleiglätte giebt es einen schnell erhärtenden Kitt. In großer Menge findet G. gegenwärtig Anwendung zur Herstellung von Nitroglycerin (s. d.). Ferner verwendet man es zum Konservieren anatom. Präparate und in der Mikroskopie. Auch in der Färberei, Kattundruckerei und in der Medizin wird G. vielfach benutzt. Als Füllung von Gasuhren verhindert es das Einfrieren derselben. – G., ein bedeutender Handelsartikel, kommt als Rohglycerin, raffiniertes und destilliertes Fabrikat an den Markt. Die Gesamtgewinnung von Rohglycerin wird gegenwärtig auf 40 Mill. kg jährlich geschätzt (26 Mill. kg aus der Stearinfabrikation, 14 Mill. kg aus der Seifenfabrikation), woran Frankreich mit 10 Mill., England mit 7 Mill., die Vereinigten Staaten mit 6 Mill.,