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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Händel

schrieb, sind sechs dreistimmige Sonaten für zwei Oboen (oder Violinen) und Baß gedruckt im 28. Bande der Ausgabe der Deutschen Händel- Gesellschaft); sie erregen das höchste Erstaunen sowohl durch die kontrapunktische Kunst wie durch die Schönheit und Reife der melodischen Gestaltung. Später in Hamburg setzte er 1703 eine von Postel gedichtete Passionskantate; 1704 schrieb er die erste Oper «Almira», die außerordentlichen Beifall fand, und bald darauf «Nero» und «Florinda», die erst 1708 aufgeführt wurden, als H. sich schon in Italien einen Namen gemacht hatte. Dorthin wandte er sich 1706, zuerst nach Florenz, wo 1707 seine erste ital. Oper «Rodrigo» entstand. In Venedig schrieb er 1709 die allgemein bewunderte Oper «Agrippina», in Rom das Oratorium «Ressurezione», in demselben Jahre sowie in dem folgenden in Neapel das Pastoral «Aci, Galatea e Polifemo» und mehreres andere, dann um 1710 in Rom die Allegorie «Il trionfo del tiempo» und viele Kantaten.

In Italien reifte H. zu dem großen universalen Künstler voll unerschöpflicher Hilfsmittel, als welcher er sich auf allen Stufen seines langen Lebens bewährte. Namentlich wurde sein Gefühl für vokalmäßige Setzart und Wirkungen zu einer solchen Feinheit ausgebildet, daß er es mit den besten Italienern aufnehmen und diese endlich überwinden konnte. Von Venedig aus kam H. 1710 nach Hannover in das Amt eines Kapellmeisters als Nachfolger Agostino Steffanis, des größten Meisters im Vokalduettsatze, und hier schrieb er unter anderm für die Kurprinzessin Karoline die meisten seiner ital. Kammerduette. In demselben Jahre ging er auf Urlaub nach London, wo seine Oper «Rinaldo» großen Erfolg hatte. Einen zweiten Urlaub zu einer Reise dorthin erhielt er einige Jahre später. Er komponierte diesmal den «Pastor fido» und «Teseo», versäumte aber rechtzeitig heimzukehren und zog sich dadurch wie durch Komposition eines Tedeum auf den Utrechter Frieden die Ungnade seines im August desselben Jahres (1714) zum König von England erhobenen Kurfürsten zu. H. blieb nun in London und führte 1715 eine neue Oper: «Amadigi», auf. Erst 1717, als er den König bei einer Wasserpartie auf der Themse mit den als «Wassermusik» bekannt gewordenen Instrumentalstücken überraschte, kam es zu einer ehrenvollen Aussöhnung. H. stand von jetzt an mit dem Hofe lebenslang auf einem so vertrauten Fuße, daß er als der Hofkomponist des königl. Hauses Hannover angesehen werden muß, obwohl er keine eigentliche Anstellung besaß. Nachdem er sich bei dem jungen Grafen Burlington aufgehalten hatte, zog er zu dem in Cannons unweit London mit fürstl. Pomp residierenden Herzog von Chandos, für dessen Kapelle er eine Reihe von Anthems oder motetten- und kantatenartigen Kirchenstücken schrieb, die durch Kraft der Darstellung und eindringende Lebendigkeit seine spätern Oratorien vorbilden. Noch wichtiger wurde sein Aufenthalt in Cannons durch das erhabene Oratorium «Esther», das erste Oratorium in engl. Sprache, und das herrliche Pastoral «Acis and Galatea», die, um 1720 entstanden, von Pope, Arbuthnot und Gay gedichtet waren.

Um 1720 trat dann ein Wendepunkt in H.s Leben ein. Eine Opernakademie (Royal Academy of Music) wurde in London gegründet und H. nebst Bononcini und andern als Komponist und Dirigent angestellt. Das Unternehmen, für das er zuerst den «Rhadamist» und dann noch 13 Opern schrieb, erhielt sich bis 1728. Sämtliche Werke wurden in ital. Sprache aufgeführt und bildeten in Gehalt und Darstellung den Glanzpunkt der damaligen ital. Oper in Europa. H. eröffnete 1729 eine neue Akademie mit Unterstützung des Hofs und Adels auf eigene Kosten, schrieb eine Reihe von neuen Werken und brachte «Esther» und «Acis» zuerst öffentlich zur Darstellung. Doch geriet er bei der Aufführung seines neuen Oratoriums «Deborah» in Zwiespalt mit einer gewissen Partei des Adels, die von Anfang an der flachen specifisch ital. Richtung sich zugeneigt hatte und jetzt bei «Deborah» die Unzufriedenheit über erhöhte Preise zur Errichtung einer ital. Gegenoper benutzte, für die Porpora und Hasse komponierten und die durch den Sänger Farinelli vorübergehend Glanz erhielt. H.s Energie überwand auch diesen Widerstand, doch nur mit Darangabe aller seiner Mittel und Kräfte. Er war mehrfach dem Bankrott nahe und verfiel momentan in Irrsinn. Indes genas seine kräftige Natur von schlagartigen Anfällen bald wieder, hauptsächlich durch den Gebrauch der Bäder von Aachen. Unerschöpflich in den Mitteln seiner Kunst, wußte er seinen Werken und Ausführungen eine Mannigfaltigkeit zu verleihen, der die Gegner, trotz einer Menge von Komponisten, Sängern und Spielern, nichts Ebenbürtiges entgegensetzen konnten. H. schrieb 1736 das « Alexanderfest» und seit 1735 verband er mit seinen oratorischen Ausführungen Orgelkonzerte mit und ohne Orchester, deren Begründer er wurde. Eine ital. Oper leitete er mit einigen Unterbrechungen bis 1741, in welchem Jahre er seine Wirksamkeit an derselben in England mit «Deidamia» abschloß. H.s 40 Opern sind, was Wahrheit und Energie des Ausdrucks betrifft, echt dramatisch auch im Gang der Handlung, soweit dies der Charakter der damaligen ital. Oper gestattete. Ihr Schwerpunkt liegt aber in der Fülle der Musik, in der Schönheit und ergreifenden Wahrheit des Sologesangs, worin sie nie übertroffen sind. Für den Komponisten und in der Entwicklung der Kunst bildeten sie die natürliche Brücke zum Oratorium, dem er die Kräfte seines spätern Lebensalters zuwendete. Auf die Trauerhymne für die Königin Karoline 1737 folgten 1738 die gewaltigen Werke «Saul» und «Israel in Ägypten», von denen letzteres sich zu H.s Lebzeiten wohl die Bewunderung der Kenner, aber nicht die Gunst des Publikums zu erringen vermochte, dann 1740 das reizende «L’allegro, il pensieroso ed il moderato». Zur Einweihung eines neuen Konzertsaals in Dublin komponierte H. 1741 in 24 Tagen (vom 22. Aug. bis 14. Sept.) den «Messias», führte denselben dort 1742 zum erstenmal nebst andern Werken mit größtem Beifall auf und verweilte ein Jahr in Irland. Bei seiner Rückkehr nach London fand er die Verhältnisse zu seinen Gunsten verändert. Er erzielte 1743 eine große Wirkung mit dem schon 1741 komponierten «Samson», der in H.s Praxis die eigentliche Oratorienperiode einleitet und dem noch eine lange, glänzende Reihe folgte: «Joseph» 1743, «Semele» 1743, «Belsazar» 1744, «Hercules» 1744, «Occasional Oratorio» (zur Feier des Sieges bei Culloden) 1746, «Judas Makkabäus» 1746, «Alexander Balus» 1747, «Josua» 1747, «Salomon» 1748, «Susanna» 1748, «Theodora» 1749, «Wahl des Hercules» 1750, «Jephtha» 1751, zuletzt 1757 «The triumph