962
Heiligbutt – Heiligelinde
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Heilig'
(5. Aufl., Lpz. 1891); Tschackert, Evang. Polemik (2. Aufl., Gotha 1888).
Heilige Allianz, Name des internationalen Bündnisses, dessen Grundriß zuerst vom Kaiser Alexander I. von Rußland
eigenhändig entworfen und das dann von diesem, dem Kaiser von Österreich und dem König von Preußen zu Paris durch die Akte vom 26. Sept. 1815
mittels eigenhändiger Unterschrift vollzogen, 1816 vom Kaiser von Rußland öffentlich bekannt gemacht und nach und nach durch den Beitritt aller
damals lebenden christl. Monarchen, mit Ausnahme des Papstes und des Prinz-Regenten von England, verstärkt wurde. Auch letzterer versicherte
seine persönliche Billigung des Bundes, wurde aber vom Beitritt durch konstitutionelle Bedenken abgehalten. Die Akte trug indessen mehr den
Charakter einer Deklaration als eines Staatsvertrags und hat keine unmittelbaren polit. Folgen gehabt. Auch hat sie durch Nichterneuerung von
seiten der Nachfolger die positivrechtliche Bedeutung verloren, die sie etwa ansprechen mochte. In der Urkunde selbst sicherten die Monarchen
sich gegenseitige Bruderliebe, Hilfe und Beistand zu und erklärten, daß sie die Religion, den Frieden und die Gerechtigkeit aufrecht erhalten
wollten. Bei dem Ganzen handelte es sich wesentlich um das öffentliche Anerkennen einer sittlichen Verpflichtung und Gesinnung seitens der
Fürsten persönlich. Geheime Bestimmungen, wie vielfach behauptet worden ist, hat die Allianz nicht gehabt. Später wurde die H. A. zum Schlagwort
für die antirevolutionäre und antiliberale Politik der drei östl. Großmächte.
Heilige Bäume, Bäume, die als persönliche Wesen oder als Aufenthaltsort der Seelen Abgeschiedener verehrt wurden,
s. Baumkultus.
Heilige Familie, im Gegensatz zu den einfachen Madonnenbildern (s. Madonna) die Darstellung des
Christuskindes und seiner Angehörigen; hierzu zählen Joseph, Maria, die heil. Anna (Mutter der Maria), der kleine Johannes der Täufer und dessen
Mutter Elisabeth. Während im Mittelalter anfangs nur Maria mit dem Jesusknaben bildlich dargestellt wurde, kamen seit dem 15. Jahrh. jene
figurenreichern Familienbilder auf; ja manche altdeutsche Maler fügten sogar noch die zwölf Apostel als Kinder und Jugendgespielen Christi nebst
deren Müttern hinzu (die sog. Heilige Sippe). Sind drei Personen dargestellt
(Metterzià, Selbdritt), so ist die dritte Figur gewöhnlich der kleine
Johannes der Täufer, der in irgend ein symbolisches Verhältnis zum Christuskind gebracht ist oder an dessen Spiel teilnimmt, seltener Joseph,
noch seltener die heil. Anna. Besteht die H. F. aus vier Personen, so sind die dritte oder vierte entweder Johannes und Joseph oder Johannes und
dessen Mutter Elisabeth. Bisweilen erscheint als fünfte Figur noch Joseph, sodaß eine symmetrisch-dreieckige Gruppe zu stande kommt, indem die
beiden Kinder von ihren halb sitzenden, halb knienden Müttern gehalten werden, und darüber der auf einen Stab gestützte Joseph dargestellt ist.
Raffael hat in der großen Madonna Franz’ I. (im Louvre) in völlig freier Auffassung vielleicht das Höchste in letzterer ↔
Darstellung geleistet. Es ist charakteristisch für die mittelalterliche Auffassung der Maria, daß Joseph immer als betagter Mann neben der
jugendlichen Schönheit der Maria auftritt; dagegen hat die altchristl. Kunst noch in voller Unbefangenheit Joseph anfangs nur jugendlich
aufgefaßt, wie gleich die erste Darstellung der H. F. auf einem Wandgemälde in Sta. Priscilla in Rom aus dem 2. Jahrh, zeigt.
Heilige Kriege heißen in der altgriech. Geschichte drei unheilvolle Kriege, die von einem großen Teile der
amphiktyonischen Staaten im Interesse von Delphi gegen solche Staaten geführt wurden, die in irgend einer Weise die Interessen dieser Gemeinde
oder ihres Heiligtums verletzt hatten. Der erste dieser Kriege galt der phokischen Stadt Krissa, welche von
den Pilgern nach Delphi einen lästigen Zoll erhoben hatte; gegen diese kämpften auf Beschluß der Amphiktyonen die Athener, die thessalische
Ritterschaft und der Tyrann Kleisthenes von Sikyon seit 592 v. Chr., angeblich 10 Jahre lang. Zuletzt wurde die Stadt Krissa erobert und
zerstört. – Der alte Stammeshaß der Thessalier und der neu entbrannte der Thebaner gegen das tapfere phokische Bergvolk gab den Anlaß zu dem sog.
zweiten H. K., der von seiten der Amphiktyonen mit Festsetzung einer hohen Geldstrafe wegen der durch die
Phoker vorgenommenen Anbauung und Benutzung eines Teils des frühern Gebietes von Krissa, von seiten der Phoker durch militär. Besetzung von
Delphi (355) eingeleitet wurde. Die Phoker hielten sich längere Jahre so glücklich, daß nur die Hilfe des macedon. Königs Philipp 352 die
Thessalier rettete. Als sich nachher auch die Böoter mit dem König Philipp verbündeten und der letzte phokische Feldherr Phaläcus sein Volk
verriet (im Sommer 346 v. Chr.), mußten die Phoker die Waffen strecken. Sie wurden aus dem Bunde der Amphiktyonen ausgestoßen und die Mauern
aller ihrer Städte niedergerissen; außerdem wurden sie verurteilt, so lange eine Steuer nach Delphi zu zahlen, bis die aus dessen Tempel
geraubten 10000 Talente (47 Mill. M.) wieder ersetzt sein würden. – Den dritten H. K. veranlaßte der Athener
Äschines, indem er im März 339 v. Chr. im Rate der Amphiktyonen gegen die ozolischen Lokrer von Amphissa den Vorwurf erhob, daß auch sie
widerrechtlich die dem Apollon gehörige Ebene von Krissa bez. Kirrha zu ihrem Vorteil benutzten. Zum Führer in dem hierüber entbrennenden Kriege
wurde im Okt. 339 v. Chr. König Philipp berufen, der die Lokrer niederwarf, sich zugleich aber 338 in Böotien festsetzte, eine That, die zu dem
weltgeschichtlichen Kampfe bei Chäronea führte.
Heilige Lanze, die Lanze, mit der der röm. Kriegsknecht Longinus Christi Leib am Kreuze durchstach. Als während des
ersten Kreuzzuges das Kreuzheer in Antiochia eingeschlossen war und sich im größten Elend befand, wurde es durch die angebliche Auffindung der
H. L. zu solchem Mut entfacht, daß es das bedeutend überlegene Heer des Kerbogha gänzlich schlug (28. Juni 1098). In der Gralsage gehört die
H. L., hier auch blutende Lanze genannt, mit zu den Heiligtümern der Gralburg.
Heiligelinde, Dorf und besuchter Wallfahrtsort im Kreis Rastenburg des preuß. Reg.-Bez. Königsberg, 14 km
im SW. von Rastenburg, in schöner Waldgegend, an der Grenze des Ermelandes, hat
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 963.