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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Heldburg; Heldenbuch; Heldengedicht; Heldensage

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Heldburg - Heldensage

H.

Heldburg, Stadt im Kreis Hildburghausen des Herzogtums Sachsen-Meiningen, 22 km im W. von Coburg, in 296 m Höhe, rechts an der Kreck, an der Hildburghausen-Heldburger Eisenbahn (Nebenbahn), Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Meiningen), hat (1890) 1105 meist evang. E., Post, Telegraph; Dampfsägewerk, Obst-, Getreide- und Futterbau. Das uralte Schloß auf dem steilen Klingsteinschieferberge, um 1200 zur Grafschaft Wildberg gehörig, war oft Residenz der Grafen von Henneberg und wurde von Johann Friedrich Ⅱ. erneuert. 1580 wurde H. Stadt. – Vgl. Groeschel, Nikolaus Gromann und der Ausbau der Veste H. 1560‒64 (Meiningen 1892); Retz, Geschichte und Beschreibung der Veste H. (2. Aufl., Hildburgh. 1892).

Heldburg, Helene Freifrau von, Gemahlin des Herzogs Georg Ⅱ. (s. d.) zu Sachsen-Meiningen.

Heldenbuch, eine Sammlung von epischen, zum Kreise der deutschen Heldensage (s. d.) gehörigen Gedichten, die vom 15. Jahrh. bis 1590 mehrmals gedruckt wurde und Ortnit, Wolfdietrich, Rosengarten und Laurin umfaßt. Doch war dieser Titel oder «Reckenbuch» auch bei Sammlungen in Gebrauch, die Ritterromane mit enthielten. Erst neuerdings ist es Brauch geworden, unter H. nur die Dichtungen der deutschen Heldensage außer Nibelungenlied, Klage und Gudrun zusammenzufassen. So erschien ein «Deutsches H.», eine kritische Gesamtausgabe der kleinern Gedichte der Heldensage, Berlin 1866‒73 in 5 Bänden, und Simrock gab in seinem «Heldenbuch» (6 Bde., 1843‒49 u. ö.) moderne Erneuerungen dieser Dichtungen heraus.

Heldengedicht, Heldendichtung, Hauptgattung der epischen Poesie (s. Epos und Heldensage).

Heldensage, deutsche, die gesamte volkstümliche Überlieferung, in welcher unser Volk die Erinnerung an die Großthaten seines Heldenzeitalters bewahrt hat. Im Gegensatz zum Mythus, der Naturvorgänge auf Götter und Heroen zurückführt, beruht die H. im wesentlichen auf histor. Grundlage, wenn es auch sehr häufig vorkam, daß ältere Mythen mit jüngern Sagen verbunden oder lagenartig auf historisch scheinende Personen und Orte übertragen wurden. Mythus und Sage sind unbewußte poet. Produktion, niemals das Werk eines Einzelnen, sondern der Ausdruck einer im ganzen Volk entstandenen Auffassung. Den Mythus brachten die Germanen größtenteils schon aus der indogerman. Gemeinschaft mit, die H. erwuchs in ihrem geschichtlichen Sonderleben. Vielleicht hat die Gestalt des Siegfried (s. d.) neben einem mythischen Kern Züge von dem Römerbesieger Arminius. Die eigentliche Heldenzeit der Germanen aber war die Völkerwanderung (350‒650). Die mächtigen geschichtlichen Gestalten der kriegerischen Gotenkönige Ermanarich (um 370) und Theodorich, des Hunnen Attila, des unglücklichen Burgundenkönigs Gundicarius, der Austrasier Theodorich und Theodebert und ihres Gegners, des Dänen Chochilaich, des Langobarden Rothari, der Wikingerkönige der Nordsee sind die Lieblinge der Sage geworden, die ihre Thaten freilich oft bis zur Unkenntlichkeit verändert hat; nicht mit Absicht. Die H. ist weiter nichts als naive geschichtliche Überlieferung, die, wenn sie die alten Motive nicht mehr erkannte, die Ereignisse in einen neuen Zusammenhang rückte ohne Rücksicht auf Ort und Zeit. Die H. beruht auf Stammessagen, die, durch Sänger oft vornehmen Geschlechts (man denke an Horant) in kurzen strophischen Liedern verbreitet, zu einer deutschen Gesamtsage zusammenwuchsen. Die ältesten Reste dieser Heldendichtung sind uns angelsächsisch erhalten, namentlich im «Widsith», einer Art Heldenkatalog, und im «Beowulf», der, aus Liedern entstanden, mit seinen ältesten Bestandteilen noch ins 7. Jahrh. zurückreicht. In Deutschland ist der einzige Rest des Heldengesanges in Liedern das Hildebrandslied aus dem 8. Jahrh. Karl d. Gr. ließ die epischen Heldenlieder sammeln, aber seine Sammlung ist durch die Gleichgültigkeit seiner Nachfolger und die Feindschaft der Geistlichkeit verloren gegangen. Mit dem vollen Siege des Christentums ließ diese Feindschaft freilich nach; einem Mönch Eckehart Ⅰ. danken wir die einzige vollständig erhaltene Bearbeitung der Walthersage (in seinem lat. «Waltharius»). Die auf einer unzuverlässigen Stelle der «Klage» (s. d.) beruhende Vermutung, daß Bischof Pilgrim von Passau im 10. Jahrh. die Nibelungensage durch Meister Konrad lateinisch behandeln ließ, ruht auf sehr schwachen Füßen. Besser zeugen vom Fortleben der H. in Deutschland die Personen- und Ortsnamen der Urkunden, die oft die Verbreitung der einzelnen Sagen nach Ort und Zeit erkennen lassen. Aus Niederdeutschland drang die H. wiederholt (im 8. und 13. Jahrh.) nach dem Norden; die Heldenlieder der Edda aus dem 9. bis 11. Jahrh. sind wichtige Quellen, welche die alte Form des kurzen strophischen Liedes bewahrt haben; dazu kommen die prosaischen nord. Sagas des 13. Jahrh., die Völsungasaga, gewisse Partien der Snorra-Edda u. a. Die Thidrekssaga, ebenfalls aus dem 13. Jahrh., giebt ziemlich genau eine niederdeutsche Fassung der Nibelungensage wieder, die in Soest lokalisiert war.

In ein neues Stadium tritt die H. in Deutschland im 12. Jahrh. Sie hatte vom 9. Jahrh. bis dahin, uns nur in geringen Spuren merklich, im Munde der Bauern und fahrenden Leute fortgelebt, in einzelne Lieder verzettelt, die nur herausgerissene Episoden behandelten, den Zusammenhang der Sage voraussetzten und sich natürlich untereinander stark