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Hofrecht – Hofsystem
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Hofrat'
Ministerialrat
. Demnach ist in Österreich gegenwärtig noch der H. ein wirklicher hoher Funktionär; doch wird auch jetzt, und zwar noch häufiger als sonst, Titel
und Rang eines H. an Beamte höhern Ranges, Gelehrte u.s.w. erteilt. (S. auch
Geheimer Rat und
Staatsrat.)
Hofrecht, im deutschen Recht die Gesamtheit derjenigen Bestimmungen, welche das Verhältnis zwischen dem Grundherrn und den von ihm abhängigen Bauern, Zinspflichtigen,
Hörigen und eigenen Leuten festsetzten. In der alten Zeit hingen die Unfreien großenteils von der Gnade des Herrn ab; allmählich bildeten sich aber auch für diese Beziehungen Rechtsnormen aus,
besonders seitdem ursprünglich viele Freie, um Schutz zu finden, in den Hofverband traten. Das H. ward den Hofhörigen zur Erhaltung der mündlichen Überlieferung auf eigenen Hoftagen in feststehenden
Fragen und Antworten «gewiesen», später auch schriftlich aufbewahrt (Weistümer), und hinderte namentlich alle Anforderungen der Herrschaft über das von alters her bestehende Maß. Hierbei muß man
unterscheiden die bäuerlichen, gemeinen oder sog. Dinghofrechte und die ritterlichen oder edeln Dienst- und Hofrechte, unter
den letztern wieder das eigentliche Lehn(hof)recht als das H. der ritterlichen Lehnsleute (Vasallen) und das Dienstmannenrecht als das H. der ritterlichen Dienstleute, Ministerialen. Seit dem
Eindringen der fremden Rechte vermehrten einzelne Gefälligkeitsleistungen, aus denen sich früher kein Schluß auf eine bestehende Pflicht machen ließ, wenn sie sich während der Verjährungszeit
wiederholt hatten, die Last der Unterthanen bleibend. Durch die neuere Staatsverfassung und die Ausgleichung der Ständeunterschiede ist das H. beseitigt worden. – Vgl. G. L. von Maurer, Geschichte
der Fronhöfe, Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland (4 Bde., Erlangen 1862–63); Wackernagel, Das Bischofs- und Dienstmannenrecht von Basel (Bas. 1852); Zöpfl, Altertümer des Deutschen
Reichs und Rechts (3 Bde., Lpz. 1860–61). Zahlreiche Quellen des H. Sind vereinigt in Jak. Grimms und R. Schröders «Weistümer» (7 Tle., Gött. 1840–78).
Hofstaat, die Gesamtheit der Personen, welche einen regierenden Fürsten und dessen Familie am Hofe umgeben. Der Umfang des H. ist je nach der Machtstellung des betreffenden
Fürstenhauses verschieden; an den größern Höfen zerfällt der H. in Obersthofämter (Oberstkämmerer, Schenk, Truchseß, Marschall, Jägermeister u.s.w.),
Oberhofchargen (Oberhofmarschall, Oberstallmeister, Oberceremonienmeister, Oberküchenmeister u.s.w.) und deren Viceoberhofchargen, ferner in die
Hofchargen (Ceremonienmeister, Schloßhauptleute, Hofjägermeister, Hofstallmeister), Kammerherren und Kammerjunker. Die Damen eines Hofs, an deren Spitze die
Oberhofmeisterin der regierenden Fürstin steht, sind Palastdamen, Hof- und
Ehrendamen. Zur dienstlichen Unterstützung treten die Hofbeamten und die Hofdienerschaft hinzu.
Hofstede de Groot, Petrus, holländischer reform. Theolog, geb. 8. Okt. 1802 zu Leer in Ostfriesland, wurde 1826 Prediger zu Ulrum, 1829 Professor und Universitätsprediger zu
Groningen, wo er, 1872 emeritiert, 7. Dez. 1886 starb. H. war das Haupt der sog. Groninger Schule, deren Anhänger sich selbst die «Evangelischen» nennen und die theol.-kirchliche Mittelpartei
zwischen den «Modernen» und ↔ den «Orthodoxen» bilden. Als ihr Organ diente 1837–72 die von H. mit van Oordt und Pareau herausgegebene Zeitschrift
«Waarheid en Liefde». Von seinen Schriften seien außer seinem die Geschichte der Alten Welt unter dem Gesichtspunkt einer Vorbereitung auf Christum betrachtenden
Hauptwerk «Opvoeding der Menschheid» (3 Bde., Groningen 1847; 2. Aufl. 1855) genannt:
«Institutiones historiae ecclesiae» (ebd. 1835; 2. Aufl. 1852), «Institutio theologiae naturalis» (Utr. 1841; 4. Aufl. 1861),
«Encyclopaedia theologi christiani» (mit Pareau, ebd. 1844), «Die Unruhen in der niederländ.-reform. Kirche während der J. 1833–39» (anonym; deutsch von Gieseler,
Hamb. 1840), «Die Groninger Theologen» (1854; deutsch, Gotha 1863), «Kort overzigt van de leer der zonde» (Groningen 1856),
«Over de evangelisch-catholieke godgeleerdheid als de godgeleerdheid der toekomst» (ebd. 1856),
«De zending, eene voortgaande openbaring van God» (Rotterd. 1860), «Mededeelingen omtrent Matthias Claudius» (Groningen 1861),
«Het evangelie der apostelen tegenover de twijfelingen en de wijsheid der wereld» (Haag 1861), «Basilides am Ausgang des apostolischen Zeitalters als erster Zeuge
für Alter und Autorität neutestamentlicher Schriften» (1866; deutsch, Lpz. 1868), «Die moderne Theologie in den Niederlanden» (1869; deutsch, Bonn 1870),
«Johan Wessel Ganzevoort» (Groningen 1871), «50 jaren in de Theologie» (ebd. 1872),
«Oud-catholieke beweging in het licht der kerkgeschiedenis» (ebd. 1877),
«Honderd Jaren uit de Geschiedenis der Hervorming in de Nederlanden 1518–1619» (Leid. 1884).
Hofsystem, im Gegensatz zum Dorfsystem (s.d.) die Ansiedelung der landwirtschaftlichen Bevölkerung auf gesonderten Einzelhöfen, in der Weise, daß jeder
Wirt den ihm gehörenden Grundstückskomplex bewohnt. Man findet die Ansiedelung in Einzelhöfen in größtem Umfange verbreitet in Nordamerika, wo die eigentümliche Kolonisationsgesetzgebung der
Vereinigten Staaten und Canadas dazu geführt hat, daß thatsächlich die gesamte ackerbautreibende Bevölkerung in Einzelgehöften haust und wesentlich nur die gewerb- und handeltreibende Bevölkerung
geschlossene Ansiedelungen bildet. (Vgl. Sering, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas, Lpz. 1887, S. 106 fg.) Innerhalb Europas sind die Einzelgehöfte besonders verbreitet in Norwegen und
dem nördl. Schweden, in Irland, der Bretagne und im südl. Frankreich, in einem Stück der westfäl. Ebene westlich der Weser und am Niederrhein; endlich in den Alpen, den südl. Vogesen und dem südl.
Schwarzwald. Hier wie in Norwegen ist es die Hochgebirgsnatur gewesen, welche das H. herbeigeführt hat. In Westfalen hat dasselbe schon zu Tacitus' Zeit bestanden, und man nimmt an, daß es die dort
eindringenden Germanen von den verdrängten Kelten übernommen haben, wie denn die Einzelhöfe da, wo sich der kelt. Typus am reinsten erhalten hat, in Irland und der Bretagne, bis zur Gegenwart
vorherrschen und auch in Südfrankreich von den Kelten herstammen. Das H. bietet den wirtschaftlichen Vorzug, daß die Geschlossenheit des Besitzes gegenüber dem Dorfsystem an Bewirtschaftungskosten
und wegen des Wegfalls von Flurwegen und Grenzen an Boden sparen läßt, daß es den einzelnen Wirt selbständiger macht und keinen Flurzwang (s.d.), keine Hinderung im Anbau der
Grundstücke durch Nachbarn kennt.