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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Italienische Kunst

eine neue Kunstweise hinzu, welche sich ebenfalls feindlich gegen die Schule der Carracci stellte und ihren Hauptgründer durch Pietro da Cortona (s. d.) fand. Gleichgültig gegen die Bedeutung seiner Aufgaben und unbekümmert um die Naturwahrheit erstrebte dieser ausschließlich das Hervorbringen blendender und gefälliger Wirkungen, was ihm, bei ausgezeichneter Begabung, in hohem Grade gelang, zumal bei großen Deckenmalereien. Seine Bilder scheinen wie ein Hauch auf die Fläche geblasen. Dieser Vorzug (das Sfumato der Italiener), nebst der geschickten Ausgestaltung derRäumlichkeiten, der trefflichen malerischen Anordnung, der entschieden gewählten Beleuchtung und der blühenden Färbung, hat jenem Meister das Lob des geistreichsten Kunsthandwerkers eingetragen.

Von 1650 ab begann in allen Teilen Italiens abermals, und diesmal unaufhaltsam, ein Wandel in der Malerei, der bis gegen 1750 die gänzliche Ausartung herbeiführte. Die meisten Maler dieser Periode waren Nachahmer der Carracci und ihrer berühmtesten Schüler; Carlo Cignani, Andrea Sacchi, Carlo Maratti, Benedetto Gennari, Alessandro Tiarini, Lionello Spada, Sassoferrato und Carlo Dolci zählen zu den namhaftesten Meistern dieser Richtung. Ihre Werke, obwohl noch sorgsam durchgebildet, lassen meist kalt; sie sind für die schwächliche und süßliche religiöse Gefühlsweise ihrer Zeit charakteristisch. Eine kleinere Anzahl von Malern verfolgte den von Caravaggio eingeschlagenen Weg. Der Hauptmeister dieser Richtung ist Salvator Rosa, dem sich Preti (il Calabrese), Giuseppe Maria Crespi u. a. als minder bedeutend anreihen. Viele Maler endlich folgten der Manier des Pietro da Cortona und steigerten diese noch zu einer technisch höchst vollendeten, inhaltlich aber armen Kunst. An ihrer Spitze stehen Luca Giordano, Romanelli, Solimena, der mit koloristischer Meisterschaft arbeitende Tiepolo; zu ihrem Anhang gehört die ganze venet. und neapolit. Schule dieser Zelt. Ihre Bilder machen noch bis zum Ende des Jahrhunderts Wirkung, da sie sich namentlich auf geschickte Massenverteilung verstanden. Giordanos Fresken (1632) im Palast Medici-Riccardi zu Florenz und Tiepolos im Palazzo Labia zu Venedig sind das glänzendste Werk dieser ganzen Richtung. In der Veduten- und Prospektmalerei haben Grimaldi (il Bolognese), Canaletto und sein Schüler Francesco Guardi bisher nicht Erreichtes geliefert. Obgleich die übrigen Gattungen der Genremalerei in Italien nie allgemeinere Verbreitung erlangten, sind doch hier Aniello Falcone und Michelangelo Cerquozzi als Schlachtenmaler, Giovanni Benedetto Castiglione als Maler von Landschaften mit Tier- und Menschenfiguren, Mario de' Fiori als Blumenmaler anzuführen, aber freilich mit den in diesen Fächern berühmten Meistern der holländ. Schule nicht zu vergleichen. Unter den ital. Historienmalern des 18. Jahrh. erhob sich nur Pompeo Batoni (s. d.) über seine Zeitgenossen, ohne jedoch dauernd zu wirken. Ebensowenig gelang dies den Malern des angehenden 19. Jahrh. Die einen von ihnen folgten der frühern Richtung der einheimischen Eklektiker oder Akademiker und hatten ihren namhaftesten Meister an Vincenzo Camuccini zu Rom. Andere suchten eine Stütze in der franz. Schule des Klassicisten L. David: so Andrea Appiani in Mailand und Pietro Benvenuti in Florenz. Noch andere, wie Francesco Coghetti (1804-75), schlossen sich an die Bestrebungen der deutschen Künstler an, welche zu Rom in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. die romantische Richtung einleiteten. Die künstlerischen Mittelpunkte Italiens sind Florenz, Rom, Mailand, Venedig und Neapel. In jeder Stadt hat sich bis zu einem gewissen Grade eine selbständige Schule entwickelt. In Florenz war Cesare Mussini der Vertreter der klassischen Historienmalerei. Ihm schlossen sich im wesentlichen die namentlich kirchliche Gegenstände behandelnden Maler Antonio Ciseri und der jüngere Giacomo Martinetti an. Amos Cassioli bildete die romantisch-histor. Richtung weiter, welche Stefano Ussi zunächst in besonders formenrichtiger, aber zugleich trockner Weise, doch später mit wachsender Feinheit der koloristischen Beobachtung fortführte, auf die auch der kraftvolle Giov. Fattori, ferner Bruzzi und der elegante Porträtist Michele Gordigiani in ihrer Weise hinwirkten.

Früher kamen die Venetianer zu einer eigentümlichen Richtung. Ausländische Aquarellisten, vorzugsweise der Deutsche Karl Werner, die Österreicher Ruben und Passini, legten den Grund zu einer durch frische Farbengebung ausgezeichneten Schule. Die Genremaler Giac. Favretto, Alessandro Zezzos, Ettore Tito, Tito Conti, Antonio Rotta, Egisto Lancerotto, Luigi Mion (s. Taf. VIII, Fig. 2) machten sie vorzugsweise durch ihre vielfach reproduzierten Werke bekannt. Andere Italiener schlossen sich ihnen an, wie Angelo dall'Oca Bianca in Verona, die Österreicher Eugen Blaas, Cecil van Haanen. In der Landschaft schlug zunächst Guglielmo Ciardi einen ernstern Ton an, welchem tüchtige Meister, wie P. Fragiacomo, B. Bezzi, C. Laurenti, der massenhaft produzierende Mainella u. a. folgten. Selbständiger entwickelte sich die Kunst in Neapel, wo Domenico Morelli und die beiden Palizzi einem kräftigen Realismus sich hingaben, namentlich nachdem sie, dem Spanier Fortuny und den Franzosen folgend, ihre Studien im Orient gemacht hatten. In Rom selbst bildete sich ein auf kräftige Herausarbeitung der Einzelfarbe begründeter Realismus aus; es entstand eine geschlossene Richtung der Malerei, an deren Spitze freilich die sich dort aufhaltenden Spanier Fortuny, Pradilla, Villegas u. a., doch auch die Italiener Niccolò Barabino (gest. 1891), berühmt durch seine Fresken im Palazzo Celesia und Palazzo Municipale zu Genua, Scipione Vanutelli u. a. stehen. Unter den jüngern Malern zeichnet sich eine Reihe durch leuchtende, oft starke Farbengebung, namentlich in dem sehr gepflegten Genrebilde aus, in welchem besonders die Neapolitaner es zu einer hohen koloristischen Meisterschaft brachten. Am glänzendsten offenbart sich diese in Paolo Michetti (s. Taf. VIII, Fig. 3), dem geistvollen Darsteller des Lebens der Abruzzen; nahe stehen ihm Simoni, Saporetti, Tiratelli und der prickelnd farbige Landschafter Brancaccio. In Rom hat sich eine gedämpftere Farbengebung unter dem Einfluß von Paris und Venedig ausgebildet: Corelli, de Sanctis und zahlreiche andere gehören dieser Richtung an, welche durch Aristide Sartorio zu einer stimmungsvollen Gefühlsweichheit gesteigert wird. Teils derbere Farbeneffekte, teils kältere Töne beherrschen die Florentiner Francesco Vinea (s. Taf. VIII, Fig. 5), Andreotti (s. Taf. VIII, Fig. 4), Gioli, Simi, Signorini, Muzzioli, die Mailänder Bianchi, die Brüder Induno, ferner Pagliano, Bertini und Mosè. Ernster und großartiger hat sich die ital. Landschaft entwickelt, als deren Vorbote unter deutschem Einfluß