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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kaltschüren - Kaluga
Kaltschüren, in der Glasfabrikation, s. Glas
Md. 8, S. 39 d).
Kaltwasserkur, Hydriatrik, Hydrothe-
rapie, die methodische Anwendung des kalten
Wassers zu Heilzwecken. Die äußerliche Anwendung
des kalten Wassers als Heilmittel, welche sich im
Altertum eines großen Ansehens erfreute, aber
später aus hartnäckige Vorurteile und Abneigung
stieß, wurde zuerst, nachdem in England James
Currie (geb. 31. Mai 1756, gest. 31. Aug. 1805)
mit Erfolg die fieberhaften Krankheiten mit kalten
Bädern behandelt hatte, von dem Bauer Vincenz
Prießnitz (s. d.) in Gräfenberg bei Frcienwaldau
in Osterreichisch-Schlesien in der ersten Hälfte des
19. Jahrh, empfohlen und seitdem auch in die Heil-
kunde eingeführt, in neuerer Zeit in ausgedehnter
Weise. Man bedient sich hierbei des kalten Wassers
in ziemlich großen Mengen als Getränk, oder zu
Bädern, Douchen, Übergießungen, Abreibungen,
Umschlägen und Einwicklungen. Das Trinken soll
den Stoffwechsel anregen, Blutstauungen (des Unter-
leibs) heben, Sekretionen (z. B. des Darmsaftes)
beschleunigen, Ablagerungen (von Harngries u. dgl.)
auflösen. Die Bäder werden als Voll- und Halb-
oder Teilbäder gebraucht. Die Vollbäder bezwecken
eine Reinigung der Haut, bewirken die Abkühlung
des Körpers, treiben das Blut aus der Haut auf
tiefer gelegene Organe und wirken als kräftige
Hautreize, die wiederum ihre Rückwirkung auf den
ganzen Organismus ldie Herzthätigkeit, das Nerven-
system) ausüben. Nervöse Personen werden daher
durch anhaltende kalte Bäder leicht anämiscb und
magern ab. Der durch das kalte Bad erlittene
Wärmeverlust wird durch eine gesteigerte, mit Be-
schleunigung des Stoffwechsels verbundene Wärme-
produktion im Innern des Körpers ausgeglichen,
woraus die krästig umstimmende, die gesamten Er-
nährungsvorgänge lebhaft anregende Wirkung der
K. beruht. Bei den Teilbädern will man die ört-
lichen Wirkungen auf einen Körperteil beschränken.
Bei den Douchen und Abreibungen kommt noch die
Verstärkung des Hautreizes ins Spiel. Umfchläge
werden so angewendet, daß man die nur durch-
feuchteten Tücher nicht warm werden läßt (so zur
Beseitigung von Entzündungen), oder so, daß man
sie erst wechselt, wenn sie warm geworden sind
(Prießnitz sche Umschläge). Namentlich wendet
man diese Umschläge bei Entzündungen u. s. w. an.
Als eine Abart der Umschläge kann man die naß-
kalten Einwicklungen oder Einpackungcn des
Körpers betrachten, der dadurch (unterstützt durch
vieles Trinken) in Schweiß gebracht wird. Endlich
werden zur örtlichen Anwendung des kalten Wassers,
wobei die Wirkung der Kälte allein zur Geltung
kommen soll, ohne daß die betreffenden Teile feucht
werden, besondere Apparate, die sog. Kühlappa-
rate, wie die Kühlsonde (s. d.) u. a., benutzt.
Die Temperatur, welche das Wasser haben soll,
ist verschieden, meist indes nur mäßig niedrig
(18-25" (1.). Von wesentlicher Bedeutung zeigt
sich hierbei, wie auch bei den andern Heilbädern,
die Änderung der Lebensweise in den Kurorten, das
müßige Leben, die Zerstreuung, die gute Küche und
die Bewegung in frischer Luft, besonders aber für
die Kaltwasferkurorte die mit der Anwendung des
kalten Wassers verbundene Abhärtung. Neben der
K. gehen öfters noch andere Kuren (Trauben-, Milch-,
Molkenkur u. s. w.) einher. Als besonders wirksam
erweisen sich K. bei chronischen, auf allgemeinen Er-
Artikt'l, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.
nährungsstörungen beruhenden Krankheiten, ins-
besondere bei Syphilis, Gicht, Rheumatismus,
chronischen Metallvergiftungcn, bei Hypochondrie
und Hysterie, bei gewissen Krampf- und Lähmungs-
zuständen, chronischen Hautkrankheiten u. dgl., wo-
gegen sie bei allen eigentlichen Zehrkrankheiten
(Schwindsucht, Krebs, Zuckerruhr u. dgl.) sowie bei
geistigen Störungen nachteilig wirken. Wenn irgend
eine Methode, so erfordert gerade die Hydrotherapie
sachkundige Überwachung durch einen sorgfältig in-
dividualisierenden Arzt.
Litteratur. Petri, Wissenschaftliche Begrün-
dung der Wasserkur (Kobl. 1853); ders., Gegenwart,
Vergangenheit und Zukunft der Wasserkur (ebd.
1865); Winternitz, Das methodische Wassertrinken
(Wien 1866): Runge, Die Wasserkur (Lpz. 1879):
ders., Anleitung zum Gebrauch der Wasserkuren
(4. Aufl., Verl. 1881); Anjel, Grundzüge der Wasser
kur in chronischen Krankheiten (2. Aufl., ebd. 1886):
Winternitz, Die Hydrotherapie auf physiol. und kli-
nischer Grundlage (2 Bde., 2. Aufl., Wien 1890 sg.):
Franz Karl Müller, Hydrotherapie (Lpz. 1890):
Preller, Die Wasserkur (ebd. 1891).
Kaltwafserpumpe, eine Pumpe an Dampf-
mafchincn mit Kondensation, welche das für die
Kondensation erforderliche Einfpritzwasser beschafft.
Gewöhnlich gelangen Kolbenpumpen zur Verwen-
dung. Wenn das Einfpritzwasser dem Kondensator
zustießt oder durch das Vakuum im Kondensator
selbst angesaugt werden kann, so fällt die K. weg.
Kalüga. 1) K., russ. Ivalu^Lka^ FuderniM,
Gouvernement im mittlern Teil des europ. Rußland,
zu den großruss. Gouvernements gehörig und von
den Gouvernements Moskau, Tula und Smolensk
umgeben, hat 30 929,5. (ikm mit 1209 225 E., d. i.
39 auf 1 hliin. Das Land ist eben, von tiefen
Regenfchluchten und im südwestl. Teil von Aus-
läufern der Waldai-Höhen durchzogen. Der Boden
ist wenig fruchtbar, enthält Steinkohlen, Eifenerz,
Marmor, Thonerde. Der Hauptstrom ist die schiff-
bare Oka mit ihren Nebenflüssen Shisdra und Ngra.
Wälder sind reichlich vorhanden. Die mittlere Tem-
peratur beträgt in der Stadt K. im Winter -7,2",
im Sommer 18,0°, im Jahresdurchschnitt 4,7° <^.
Die Bevölkerung besteht aus Großrussen, von denen
neun Zehntel zur russ.-orthodoren Kirche gehören und
die Eparchie Kaluga-Borowsk bilden, mit einem
Bischof an der Spitze. Die Landbewohner erbauen
Roggen, Hafer, besonders Hanf. Die Industrie ist
sehr bedeutend. 1892 bestanden 221 Fabriken mit
10 Mill. Rubel Produktion, darunter Papierfabriken
(2Mill. Rubel), eine Maschinenfabrik (1,7 Mill.
Rubel), viele Gerbereien, Ölmühlen u. a. 1887
wurden gewonnen 1^/2 Mill. Pud Gußeisen, 69 717
Pud Eisen, 40 000 Pud Stahl, 18 000 Pud Stahl-
und Eisengeräte. Bedeutend ist der Handel mit
Hanf, Leinwand, Flachs, Ol, Leder, Thon-, Holz-
und Glasgeschirr. Von 637 Schulen waren 606
Volksschulen. In K. liegen von der Eisenbahn
Wjasma-Rjaschsk 200, von der im Bau begriffenen
Linie Vrjansk-Podolsk 100 km, zusammen^300 km.
Das Gouvernement zerfällt in 11 Kreise: K., Bo-
rowsk, Sbisdra, Koselsk, Lichwin, Malojaroslawez,
Mcdyn, Meschtschowsk, Mosalsk, Peremyschl und
Tarussa. - 2) Kreis im mittlern Teil der östl.
Hälfte des Gouvernements K., bat 1915,4 hkm,
107140 E., wenig Ackerbau, Viehzucht, Eisen-
gießereien u. a. - 3) Hauptstadt des Gouverne-
ments und des Kreises K., unter 54^ 31' nördl. Br.