Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kirchenspaltung; Kirchenstaat

367

Kirchenspaltung – Kirchenstaat

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kirchenslawisch'

(2. Aufl., Weim. 1886). – Die bis ins 11. Jahrh. im altbulgar. Reiche blühende altkirchenslawische Litteratur ist fast durchgängig eine Übersetzungslitteratur. Aus dem Griechischen wurden außer biblischen Büchern die zu gottesdienstlichem Gebrauche bestimmten Werke übersetzt, außerdem namentlich Werke der Kirchenväter, Heiligenlegenden und andere mehr populärkirchliche Schriften. In weiterm Sinne gehören zur kirchenslaw. Litteratur auch die in Rußland, Serbien und Bulgarien im Laufe des Mittelalters und darüber hinaus erstandenen Bücher in kirchenslaw. Sprache.

Kirchenspaltung, s. Schisma.

Kirchenstaat (ital. Stato della Chiesa, Stato Pontificio, Stato Romano; lat. Patrimonium Petri), das ehemalige Staatengebiet, über welches dem Papste als Oberhaupt der röm.-kath. Kirche die Souveränität zustand. Bis 1859 erstreckte sich dieses in Mittelitalien gelegene Gebiet von 41°10' bis 44°50' nördl. Br. und von 11°25' bis 13°50' östl. L. von Greenwich, wurde im N. vom Lombardisch-Venetianischen Königreich, im W. von Modena und Toscana, im SO. vom Königreich Neapel begrenzt, stieß im SW. an das Tyrrhenische Meer, im O. an das Adriatische Meer. Nach dem Gesetz vom 22. Nov. 1850 bestand der K. aus den Provinzen Viterbo, Civitavecchia und Orvieto, die zusammen mit dem Stadtbezirk von Rom (Roma e Comarca) den Titel Roma e circondario führten, und den vier Legationen der Romagna, der Marken, von Umbrien und der Campagna und Marittima, welche wieder in 20 Delegationen (s. d.) eingeteilt waren. Dies Gebiet entsprach ziemlich den gegenwärtigen ital. Provinzen Bologna, Ferrara, Forli, Ravenna, Ancona, Ascoli-Piceno, Macerata, Pesaro e Urbino, Perugia und Rom und hatte insgesamt einen Flächenraum von 752 Quadratmeilen (41407 qkm) mit (1857) 3126263 E. Von 1860 bis 1870 gehörte zum K. nur noch Rom mit der Comarca, die Legation Velletri und die drei Delegationen Viterbo, Civitavecchia und Frosinone (ohne Pontecorvo), entsprechend dem jetzigen Compartimento Latium (Rom), ein Areal von 214,12 Quadratmeilen (11790 qkm) mit (1869) 729859 E. Nach dem Sept. 1870 wurde auch dieser Rest des K. dem Königreich Italien einverleibt. (S. die Historischen Karten von Italien II, III, IV.)

An der Spitze des K. stand der Papst, ein geistlicher Wahlfürst mit unumschränkter Gewalt; dem Papst zur Seite stand das Kollegium der Kardinäle (sacro collegio), welches 70 Mitglieder zählte. Der Leiter des polit. Staatswesens war der Kardinal-Staatssekretär, welcher vom Papste ernannt ward. Neben dem Ministerrate bestand seit Sept. 1849 ein Staatsrat von 15 zum Teil weltlichen Mitgliedern; außerdem war zufolge Gesetz vom 21. Okt. 1850 eine Staatskonsulta für Finanzangelegenheiten errichtet. Die Verwaltung jeder Legation war einem Kardinallegaten anvertraut, den Provinzen oder Delegationen waren Delegaten vorgesetzt. Als Heer diente die Soldtruppe der Schlüsselsoldaten, die 1869: 15670 Mann zählte. Orden verleiht der Papst fünf: den Christusorden (s. d.); den Orden Gregors d. Gr., gestiftet 1831; den Heiligen-Grabes-Orden (s. d.); den Pius-Orden (s. d.); den Sylvesterorden (s. d.). – Vgl. Calindri, Saggio geografico, statistico e storico dello Stato Pontificio (Perug. 1829); Tournon, Études statistiques sur Rome et la partie occidentale des États Romains (2 Bde., nebst Atlas, ↔ Par. 1831); Helfferich, Röm. Zustände im Frühjahr 1850 (Lpz. 1850); Palmieri, Topografia statistica dello Stato Pontificio (Rom 1857).

Geschichte. Der K. verdankte seine Entstehung der Pippinischen Schenkung und nicht der Konstantinischen (s. Donatio Constantini). 754 ließ sich Stephan III. (II.), Bischof von Rom, von Pippin gegen Übertragung der Merowingerkrone und Erteilung des Patriciats und der Schirmvogtei über die röm. Kirche die zum «Patrimonium Petri und Herzogtum Rom» (d. h. das Gebiet zwischen Gaeta, Tibur und Todi) gehörigen Landstriche zuerkennen, zu deren Auslieferung Pippin die Langobarden zwang; 755 fügte Pippin dazu noch Bologna, Ferrara und die Küste von Ravenna bis Ancona, sowie die anstoßende Romagna. Die Schenkung seines Vaters bestätigte Karl d. Gr. 774 dem Papst Hadrian I. Die angemaßte Lehnsoberhoheit der Kirche über das von den Normannen eroberte Unteritalien und Sicilien aus der Welt zu schaffen, gelang Heinrich IV. nicht, wohl aber verhinderte Heinrich V. die Einziehung von Toscana seitens der Kurie, der dieses Gebiet von der Markgräfin Mathilde vermacht worden war; Lothar von Supplinburg erkannte dann allerdings die Lehnsoberhoheit des Papstes über die Mathildischen Güter an, aber Friedrich I. zog dieselben wieder ans Reich. Die Vernichtung des K. drohte 1194, als Heinrich VI. das normann. Erbe in Unteritalien und Sicilien an sich nahm; allein von seinen gefährlichen Nachbarn aus dem Hause Hohenstaufen befreite sich der päpstl. Stuhl dadurch, daß er 1265 das Haus Anjou auf den Thron von Neapel rief. Die Intriguen König Philipps IV. von Frankreich bewirkten 1305 die Verlegung der Kurie nach Avignon (Babylonisches Exil, 1309–77). Nach dem Aufstand des Cola di Rienzi in Rom (1347) und dessen Ermordung (1354) wurde sowohl der ganze K. als auch Rom selbst der Kurie durch Albornoz (s. d.) wieder unterworfen. Aber das 1378 ausgebrochene Schisma nötigte die röm. Päpste, ihrer Oberherrlichkeit sich zu begeben, um nicht die Unterthanen dem Gegenpapst in Avignon zuzutreiben.

Während aber im ganzen Mittelalter die Herrschaft der Päpste über den K. mehr eine nominelle war, schufen die Borgia (s. d. und Alexander VI.) und ihr Erbe Papst Julius II. einen wirklichen Staat aus einem großen Teil der bisherigen päpstl. Gebiete. Letzterer gewann außer Rimini und Faënza auch Ravenna und Cervia von den Venetianern zurück und unterwarf Perugia, Bologna, Imola, Forlì, Modena, Reggio, Parma und Piacenza der päpstl. Herrschaft. Sein Nachfolger Leo X. (1513–21) verwandte sein diplomat. Geschick in der Hauptsache auf Rückführung der Medici nach Florenz, die sein zweiter Nachfolger, Clemens VII. (1523–34), dann durchführte. Des letztern Politik zog über den K. den furchtbaren Kampf zwischen Karl V. und Franz I. herein, welcher niemals wieder erlebte Schrecken über die Ewige Stadt brachte. Während Clemens VII., von den kaiserl. Truppen belagert, in der Engelsburg saß, nahmen die Este Modena, die Venetianer Ravenna und Cervia, Giovanni di Sassatello Imola, die Malatesta Rimini, Rodolfo Varano Camerino, die Baglioni Perugia. Durch den Vertrag von Barcelona (1528) und den Frieden von Cambrai wurde zwar Ravenna und Cervia dem K. zurückgegeben, die Este und Rovere aber in ihren Erwerbungen erhalten. Wie Clemens VII., so be-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 368.

Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.