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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Lehrwerkstätten; Leï; Leibbataillon; Leibbürgen; Leibcompagnie; Leibeigenschaft

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Lehrwerkstätten - Leibeigenschaft

In Österreich regeln die §§. 97‒104a der Gewerbeordnung von 1883 das Lehrlingswesen. Der L. ist schriftlich oder mündlich vor der Genossenschaftsvorstehung, oder wenn eine solche für das betreffende Gewerbe nicht besteht, vor der Gemeindebehörde abzuschließen und in beiden Fällen in einem besondern Protokollbuch dieser Organe zu verzeichnen. Auch sind die Bedingungen des Vertrags in das Arbeitsbuch aufzunehmen. In Frankreich regelt das Gesetz vom 22. Febr. 1851 das Lehrlingswesen. Es verbietet gewissen Personen Lehrlinge zu halten, normiert eine Maximalarbeitszeit für Lehrlinge unter 16 Jahren, verbietet für diese die Nacht- und Sonntagsarbeit, regelt die Rechte und Pflichten beider Teile, führt eine Probezeit von zwei Monaten ein, bestimmt die Fälle, in denen der L. teils ipso jure aufgelöst sei, teils einseitig aufgelöst werden könne u. s. w. Die Schriftlichkeit des L. ist nicht obligatorisch, aber der Beweis nur mündlich abgeschlossener Verträge erschwert. Die in England aus der Zeit Elisabeths stammende Lehrlingsakte von 1562 wurde 1814 aufgehoben und nur noch eine polizeiliche Jurisdiktion über das Lehrlingsverhältnis ist in Kraft geblieben.

Vgl. Schriften des Vereins für Socialpolitik, Heft 10 (Lpz. 1875); Bücher, Lehrlingsfrage und gewerbliche Bildung in Frankreich (Eisenach 1878); Stieda, Litteratur über Lehrlingswesen (in «Conrads Jahrbüchern für Nationalökonomie», Neue Folge, Bd.2, S. 261‒273); Garbe, Der zeitgemäße Ausbau des Lehrlingswesens für Industrie und Gewerbe (Berl. 1889); Schönberg, Handbuch der polit. Ökonomie, Bd. 2 (Tüb. 1891); Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. 4 (Jena 1892), S. 1014 fg.

Lehrwerkstätten, die meist mit technischen Schulen verbundenen Werkstätten, in denen die Schüler eine schulmäßig-methodische Unterweisung in ihrem Handwerk erhalten. Auf den höhern Stufen des technischen Unterrichts dienen die L., wo sie überhaupt noch bestehen, nur dazu, den Schülern einen allgemeinen Einblick in den praktischen Betrieb zu gewähren, oder haben sich zu Versuchsstationen entwickelt. Nur die franz. höhern Gewerbeschulen und einige österr. Fachschulen (z. B. für Maschinen- und Eisenindustrie in Komotau, Steyr) besitzen wirklich produzierende Werkstätten. Die Verbindung der bayr. Industrieschulen (Vorschulen für die technische Hochschule) mit L. soll den Schülern die praktische Lehrzeit ersparen. Gute Erfahrungen sind mit den L. bei den niedern technischen Schulen, besonders bei der Lehrlingsausbildung gemacht worden. In Frankreich werden durch Gesetz von 1880 dem Volksschulunterricht Lehranstalten, welche die L. zum wesentlichen Bestandteil haben, angeschlossen. Diesem Beispiel folgte Österreich 1889 mit der Errichtung der Staatshandwerkerschule in Linz. Belgien hat schon 1847 die L. seiner Webschulen für die Kinder der Arbeiterbevölkerung durch königl. Erlaß organisiert; Holland besitzt zahlreiche Handwerksschulen mit L. Auch die engl. und amerik. technischen Schulen sind meist mit L. verbunden. Mit wenig ausgedehntem theoretischem Unterricht oder ganz ohne solchen treten in Deutschland und Österreich die L. öfters für besondere Industriezweige auf, um deren Hebung oder Einführung es sich handelt; so bei den Web-, Korbflecht-, Schnitzerei-, Uhrmacherschulen; überhaupt wird hier im allgemeinen das technische Unterrichtswesen noch von der Ausbildung in der Werkstatt getrennt gehalten, und die Beschäftigung in einer privaten Werkstatt geht der Schule voraus oder neben ihr her. Seit 1878 sind in den bad., seit 1880 in den preuß. Staatseisenbahnbetrieben L. eingerichtet worden, welche die Aufgabe haben, für diesen Beruf geeignete Arbeiter heranzubilden. (S. Eisenbahnschulen und Hufbeschlaglehranstalten.)

Leï, Mehrzahl von Lëu (s. d.).

Leibbataillon, Leibbatterie, s. Leibtruppen.

Leibbürgen, im ältern german. Recht freie Menschen, welche einer Partei als Pfand übergeben wurden und bei Vertragsbruch in Schuldknechtschaft verfielen.

Leibcompagnie, s. Leibtruppen.

Leibeigenschaft, der Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Unfreiheit. Ein Sklaventum im Sinne des altrömischen, welches Menschen zu bloßen Sachen, Vermögensobjekten herabdrückte, hat in Deutschland kaum jemals existiert. Neben den zu festen Abgaben und Diensten verpflichteten Bauern, den Hörigen und Censualen (s. Grundeigentum, Bd.8, S. 491 b), gab es jedoch im Mittelalter eine ursprünglich aus Kriegsgefangenschaft hervorgegangene L. Die Leibeigenen hatten unbemessene Dienst- und Abgabenpflicht, ihr Ehe- und Vermögensrecht war beschränkt, sie waren strafrechtlich hauptsächlich nur durch die Kirche geschützt. Aber durch Ansetzung auf eine Hufe näherte sich ihr Zustand dem der Grundhörigen.

Eine weitere Verbreitung gewann die L. durch die Eroberung der ehemals slaw. Gebiete östlich der Elbe, indem die slaw. Urbewohner großenteils auf diese Stufe herabgedrückt wurden. Auch die deutschen Bauern gerieten dort mit dem Aufkommen der großen Gutswirtschaft in einen Zustand, den man vielfach mit L. bezeichnete. Aber es handelte sich doch dabei regelmäßig um ein minder strenges Verhältnis, als es bezüglich der außerdeutschen Elemente, die nie des deutschen Rechts teilhaftig geworden waren, bestand. Es handelt sich um die sog. Gutsbehörigkeit (glebae adscriptio), Guts- oder Erbunterthänigkeit, welche neben Dienst- und Abgabepflichten die Fesselung an die Scholle in sich schloß. Der Grundbehörige konnte mit dem Gute, dem er zugehörte, und zwar nur mit diesem veräußert werden, war aber vollständig vermögens- und prozeßfähig. Dahingegen konnten die leibeigenen Bauern altpreuß. Abkunft in Ostpreußen unter gewissen Umständen ohne die Güter, denen sie zugeschlagen waren, verkauft werden; ebenso war in Polen die L. auf den adligen Gütern seit dem 16. Jahrh. zu einer förmlichen Sklaverei geworden, man sprach den unterthänigen Bauern die Fähigkeit ab, gegen ihre Grundherren vor Gericht klagend aufzutreten. Diese strengste Form der L. wurde 1773 durch Friedrich d. Gr. unter Beibehaltung der Gutsunterthänigkeit aufgehoben. Die letztere wurde durchweg wesentlich gemildert und (zuerst 1748 in Schlesien) ablösbar gemacht. Der Gutsunterthan sollte sich gegen ein bestimmtem niedriges Lösegeld loskaufen und seine Entlassung ohne solches namentlich dann fordern können, wenn der Leibherr sich schwerer Mißhandlung schuldig gemacht habe. Aus den Domänen wurde die Gutsunterthänigkeit ihres eigentlichen Inhalts entkleidet. Die endgültige Aufhebung derselben erfolgte in Preußen unterm 9. Okt. 1807. Das Gleiche geschah um dieselbe Zeit in den meisten andern deutschen und außerdeutschen Staaten Europas, und zwar teils so, daß der Herr für alle hinweggefallenen Rechte entschädigt wurde, teils so, daß die persönlichen Folgen der L. ohne Entschädi- ^[folgende Seite]