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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Lungenseuche; Lungenseuche-Impfung

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Lungenseuche – Lungenseuche-Impfung

fortwährender Einwirkung des Staubes, welcher bis in die Lungenbläschen gelangt und dann hier leicht chronische entzündliche Prozesse, die sog. Staubinhalationskrankheiten (s. d.) erzeugt, welche einen sehr empfänglichen Boden für die Entwicklung der Tuberkelbacillen darbieten. Vom Klima ist die L. nicht so sehr abhängig, als man zu glauben geneigt ist. Sie zeigt sich in kalten Gegenden nicht eben häufiger als in warmen, aber das Vertauschen einer warmen Gegend mit einer kalten kann bedenklich werden. In hochgelegenen Gegenden (Gebirgen) kommt sie nicht so häufig vor als in Niederungen, weshalb man neuerdings bei der Behandlung der Krankheit der Wahl geeigneter Höhenkurorte großen Wert beilegt. Eine der wichtigsten Ursachen der L. ist endlich die Erblichkeit; die Kinder schwindsüchtiger Eltern bekommen daher die L. leichter als die gesunder. Was in solchen Fällen vererbt wird, ist nicht die Tuberkulose an sich, sondern nur eine gewisse Disposition zu derselben, eine gewisse Schwäche der Konstitution (skrofulöse oder tuberkulöse Konstitution), die auf einer kümmerlichen Anlage des Herzens und Arteriensystems sowie auf einer schwächlichen Entwicklung des Brustkorbes und des übrigen Atmungsapparates beruht und über lang oder kurz der Entwicklung der Tuberkelbacillen einen günstigen Boden bietet. Äußerlich ist dieser «schwindsüchtige Habitus» zu erkennen an dem lang aufgeschossenen magern Körper, an der dünnen blassen Haut, dem langen, flachen, wenig gewölbten Brustkasten, dem langen dünnen Hals und der hektischen Rötung der Wangen.

Die Behandlung der L. muß schon in den frühesten Stadien der Krankheit sorgfältig eingeleitet werden. Ist die Krankheit einmal im vollen Gange und besteht schon seit Monaten hohes Fieber, so ist nur geringe Aussicht auf Herstellung vorhanden. Bemerkenswert ist aber, daß Tuberkulöse mit den ausgedehntesten Zerstörungen der Lungen oft bis kurze Zeit vor dem Tode einigermaßen arbeitsfähig bleiben und von einer Hoffnung getragen werden, die fast erst mit dem letzten Atemzuge erlischt. Viel läßt sich thun, ehe die Krankheit so weite Fortschritte gemacht hat. Befindet sich die Verdauung nur noch einigermaßen in gutem Zustande, so müssen durch reichlichsten Nahrungszufluß die Kräfte erhalten werden. Die Kranken sollen Milch, Kefir, Eier, Fleisch, Mehlsuppen, fette Nahrungsmittel (Leberthran, gute Butter), gutes bayr. Bier u. dgl. genießen, aber keine Molken- oder sonstige Badekur gebrauchen, bei der sie der rauhen Morgenluft und andern Schädlichkeiten ausgesetzt sind. Die Arbeit sei sehr mäßig und werde nicht bis zur Erschöpfung getrieben. Der Patient nehme Aufenthalt in reiner, warmer Luft (nicht in Kuhställen); Winteraufenthalt im Süden ist sehr zu empfehlen. Oft erweist sich längerer Aufenthalt in einem geschützten Höhenklima heilsam. Gegen frische Erkältungen suche sich der Kranke durch wollene Unterkleider, Warmhalten der Füße u. dgl. zu schützen, auch ist die Haut durch tägliche laue Abreibungen möglichst abzuhärten. Arzneimittel sind gegen die L. machtlos und können nur gebraucht werden zur Linderung von Nebenerscheinungen, wie Husten und Durchfall. Direkte Mittel, welche die Bacillen innerhalb der Lungen vernichten, sind bis jetzt nicht bekannt; auch die von Weigert («Die Heißluftbehandlung der Lungentuberkulose», Berl. 1889) empfohlenen Inhalationen heißer Luft von 200° C. sowie die von R. Koch empfohlenen Einspritzungen von Tuberkulin (s. d.) haben sich nicht bewährt. Da übrigens die L. durch Ansteckung übertragen werden kann, so sollte der Auswurf Schwindsüchtiger stets und unter allen Umständen in ein Speigefäß, dessen Boden mit fünfprozentiger Carbolsäurelösung bedeckt ist, aufgefangen, dagegen das Ausspucken auf den Boden oder in das Taschentuch gänzlich vermieden werden; ebenso müssen Betten, Wäsche und Kleider der Kranken höchst sorgfältig gesäubert und desinfiziert werden, ehe sie von Gesunden benutzt werden dürfen. (S. Krankenwäsche.)

Litteratur. F. Niemeyer, Klinische Vorträge über die L. (2. Aufl., Berl. 1867); Waldenburg, Die Tuberkulose, die L. und die Skrofulose (ebd. 1869); Buhl, Lungenentzündung, Tuberkulose und Schwindsucht (2. Aufl., Münch. 1874); Rob. Koch, Die Ätiologie der Tuberkulose (in der Berliner «Klinischen Wochenschrift», 1882); Brehmer, Die Ätiologie der chronischen L. (Berl. 1885); G. Sée, Die bacilläre Lungenphthise (deutsch von Salomon, ebd. 1886); Fromm, Die klimatische Behandlung der L. (Braunschw. 1887); Cornet, Wie schützt man sich gegen die Schwindsucht (2. Aufl., Hamb. 1890).

Lungenseuche, eine nur beim Rind vorkommende, seuchenartig auftretende, langsam verlaufende Lungenbrustfellentzündung. Die Ansteckung erfolgt durch die Atmungsluft. Man unterscheidet bei der L. ein verborgenes und offenes Stadium. Bei dem erstern scheinen die Tiere vollkommen gesund zu sein und husten nur hin und wieder. Bei dem offenen Stadium aber stehen die Rinder von der Krippe zurück, magern ab und husten stark. Durch die Perkussion der Brustwand lassen sich die entzündlichen Veränderungen während des Lebens feststellen. Behandlung des erkrankten Rindes ist aussichtslos, doch können die noch nicht erkrankten Tiere des Stalles durch Lungenseuche-Impfung (s. d.) gerettet werden. Ist L. in einem Stalle festgestellt, so hat nach den Bestimmungen des Reichs-Viehseuchengesetzes Tötung sämtlicher erkrankter, allenfalls auch der seucheverdächtigen Tiere zu erfolgen, jedenfalls Absperrung der letztern sowie der der Ansteckung verdächtigen Tiere und gründliche Desinfektion. Für die auf amtliche Anordnung wegen L. oder Lungenseucheverdacht getöteten Tiere werden vom Staate 80 Proz. des gemeinen Wertes entschädigt. (S. Gewährsfristen.)

Lungenseuche-Impfung, die Einimpfung von Lymphe aus der Lunge eines lungenseuchekranken Rindes unter die Haut von gesunden Rindern, um diese vor der Ansteckung durch Lungenseuche zu bewahren (zuerst vom Niederländer Willems 1852 empfohlen). Zu der Einimpfung wählt man den Schwanz oder den Triel und benutzt als Instrumente besondere Nadeln (von Rueff, Sticker, Ömler) oder eine sog. Pravazsche Spritze. Nach dieser Impfung tritt beim Impflinge unter gewöhnlichen Umständen nach 2‒3 Wochen eine heiße, schmerzhafte, bis hühnereigroße Geschwulst auf, die indessen, ohne das Allgemeinbefinden dauernd zu beeinflussen, bald wieder verschwindet. Die Wirksamkeit der L. ist nicht überall anerkannt. In neuester Zeit hat aber Professor Schütz in Berlin im Auftrage des preuß. Landwirtschaftsministeriums eine größere Versuchsreihe mit L. vorgenommen und auf Grund der befriedigenden Resultate sich vollkommen für dieselbe ausgesprochen. Zuweilen wird nach der L. die geimpfte Hautstelle brandig, wodurch der Tod des geimpften Tieres