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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Molekulārgröße; Molekulārkräfte; Molekulārnekrōse; Molekulārverbindungen; Molekulārwärme

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Molekulargröße - Molekularwärme

ständig verschwindet, während in essigsauren Salzen immer nur ein Viertel des Wasserstoffs vertreten wird. Die Zusammensetzung des aus der Salzsäure entstehenden Chlorkaliums entspricht z. B. immer der Formel KCl, während die des essigsauren Kaliums C₂H₃KO₂ ist. Das Salzsäuremolekül ist also HCl, gleich der einfachsten atomistischen Verhältnisformel, das Molekül der Essigsäure aber muß das Doppelte derselben, C₂H₄O₂, sein, denn durch sie wird die kleinste Menge ausgedrückt, die bei dem Prozesse der Salzbildung in Wirkung tritt. Auf ähnliche Weise ist die Molekularformel des Benzols, das nach der Analyse auf je 1 Atom Kohlenstoff 1 Atom Wasserstoff enthält, durch Untersuchung der Substitutionsprodukte ermittelt worden. Da nämlich bei der ersten Chlorwirkung nur ein Sechstel des Wasserstoffs durch Chlor ersetzt wird, so muß dem Benzol statt CH die Formel C₆H₆ im Molekül zukommen. Bestätigung geben die weitern Chlorwirkungen auf dieses Monochlorbenzol, durch die noch fünf verschiedene Phasen der Chlorsubstitution erzielt werden können, bei deren letzter erst aller Wasserstoff des Benzols verschwindet. Es entstehen so die Verbindungen: C₆H₄Cl₂, C₆H₃Cl₃, C₆H₂Cl₄, C₆HCl₅ und C₆Cl₆. Andere Chlorsubstitutionsprodukte liefert das Benzol nicht. Bei manchen chem. Verbindungen versagt dieser Weg der chem. Ermittelung der Molekulargröße, so daß physik. Hilfsmittel benutzt werden müssen. Es haben sich nämlich zwischen den sicher gestellten M. und gewissen leicht meßbaren physik. Eigenschaften der betreffenden Verbindungen bestimmte gesetzmäßige Beziehungen ergeben, die sich zur Ermittelung des unbekannten M. aus diesen physik. Eigenschaften benutzen lassen. Diese sind:

1) Die Dampfdichten unzersetzt flüchtiger chem. Körper. (S. Avogadros Gesetz.)

2) Die Erniedrigung der Gefrierpunkte von Lösungsmitteln. Diese wird bei einem und demselben Lösungsmittel durch gleich viele Moleküle jedes gelösten chem. Körpers um gleiche Beträge bewerkstelligt. Diese Beziehungen finden ihren Ausdruck in der Gleichung

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in der Δ die Erniedrigung des Gefrierpunktes, n das M. des gelösten Stoffs in Grammen, g die Menge des Lösungsmittels in Grammen und r eine Konstante ist, die nur von der Natur des Lösungsmittels abhängt und leicht durch den Versuch ermittelt werden kann. Ist das M. eines Stoffs nicht bekannt, so kann man es leicht ableiten, wenn man den Gefrierpunkt einer Lösung bestimmt, die p Gramme des Stoffs in g Grammen des Lösungsmittels enthält. Für diesen Fall ist n = p/m, wo m das M. bedeutet. Obige Gleichung wird dadurch

^[img] oder ^[img] und ^[img].

Dieses Gesetz gilt jedoch nur für Stoffe, die sich ohne Veränderung lösen, also keine Elektrolyte sind.

3) Die Erniedrigung des Dampfdruckes flüchtiger Lösungsmittel, die ebenfalls für jedes Lösungsmittel der Anzahl der gelösten Moleküle proportional ist. Dieselbe wird gegenwärtig in der Form praktisch verwertbar zu machen versucht, daß man die mit Erniedrigung des Dampfdruckes parallel gehende Erhöhung des Siedepunktes bestimmt und aus ihr das M. ableitet.

Mit Hilfe dieser physik. Methoden, namentlich der schon ältern Dampfdichtebestimmung, ist es möglich gewesen, die M. vieler Elemente in freiem Zustande zu ermitteln. Man hat dabei die interessante Thatsache gefunden, daß nur selten, wie bei Quecksilber, Cadmium und Zink im Dampfzustande, die M. den Atomgewichten gleich sind, in weitaus den meisten Fällen aber ein Vielfaches der letztern betragen, d. h. daß dann die Moleküle aus mehrern (meist zwei) miteinander verbundenen gleichartigen Atomen bestehen. Während die Moleküle der drei oben genannten Metalle durch die einfachen Symbole Hg, Cd, Zn ausgedrückt werden, so ist die Molekularformel z. B. von Wasserstoffgas = H₂, Sauerstoffgas = O₂, Stickstoffgas = N₂, Chlorgas = Cl₂, Phosphordampf = P₄.

Es hat sich sogar in einzelnen Fällen herausgestellt, daß ein und dasselbe Element Moleküle von verschiedener Größe und dadurch verschiedene allotrope Modifikationen bilden kann. So ist z. B. gegenüber dem Sauerstoffgase = O₂ das Ozon = O₃. (S. Allotropie.) Auch die besondere Wirksamkeit vieler Elemente im status nascendi hat sich durch die Ermittelung des M. derselben erklärt. (S. Entstehungszustand.)

Molekulārgröße, s. Molekulargewicht.

Molekulārkräfte, die zwischen den Molekülen (s. d.) wirkenden Kräfte. Die großen Erfolge, welche Newton durch Annahme der fernwirkenden Gravitation im Gebiete der Mechanik des Himmels erzielt hatte, legten die Hoffnung nahe, alle physik. Erscheinungen durch ähnliche fernwirkende Kräfte zwischen den räumlich getrennten kleinen Massenteilen der Körper erklären zu können. Besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. waren die Bestrebungen sehr häufig, die Molekularfunktion zu ermitteln, d. h. zu bestimmen, welche Funktion von der Entfernung zweier Moleküle die Anziehung oder Abstoßung derselben sei. Meist dachte man sich, daß die Anziehung der Moleküle bei Annäherung in stärkerm Verhältnis als dem verkehrt quadratischen wachse, um bei noch weiterer Annäherung in Abstoßung überzugehen, durch welche Annahme die Konstitution starrer elastischer Körper wirklich verständlich würde. Es fehlt auch nicht an Versuchen, mit einer bloßen Anziehung auszukommen, indem man sich die Moleküle in Centralbewegungen umeinander vorstellte, wobei die Centrifugalkräfte die Rolle der Abstoßungskräfte spielten. In neuerer Zeit sind diese Spekulationen durch kritische Bemerkungen hervorragender Naturforscher, wie Kirchhoff, eingeschränkt worden. – Vgl. Seelig, Molekularkräfte (Dresd. 1885); K. Laßwitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis Newton (2 Bde., Hamb. 1890.)

Molekulārnekrōse des Knochens, s. Knochenfraß.

Molekulārverbindungen, solche meist nur im festen Aggregatzustande bekannte chem. Körper, deren Zusammensetzung man nicht aus die Wertigkeit der in ihnen enthaltenen Elementaratome (Atomverbindungen) zurückführen kann, sondern die vielmehr als Produkte der Zusammenlagerung fertiger gesättigter Moleküle verschiedener chem. Verbindungen erscheinen. Zu den M. werden z. B. die Krystallwasserverbindungen und manche Doppelsalze gerechnet.

Molekulārwärme, die Wärmemenge, die man der Molekularmenge einer Substanz zuführen muß,