Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

1038

Moratscha - Morbihan

die erteilte Nachsicht in noch größere Gefahr kam, und es mußten die laufenden Zinsen pünktlich entrichtet werden. Unter diesen und ähnlichen Bedingungen wurden zuweilen ganzen Klassen von Schuldnern, z. B. den Gutsbesitzern einer zerrütteten Provinz, allgemeine oder Generalmoratorien gegeben; einzelne Personen erhielten Specialmoratorien gegen ihre Gläubiger. In manchen Ländern wurden die M. als landesherrliche Dispensationen und Gnadensachen behandelt, in andern waren sie den Gerichten zugewiesen. In manchen Staaten durch die Verfassungsurkunden als leicht zu Mißbräuchen Anlaß gebende Eingriffe in fremde Privatrechte untersagt, weil sie erfahrungsmäßig den Kredit des Schuldners vollends untergraben und ein betrügerisches Beiseiteschaffen der letzten Befriedigungsmittel begünstigen, sind die Befugnisse der Gerichte, dem Schuldner bei der Verurteilung Zahlungsfristen zu gewähren, durch das Einführungsgesetz der Deutschen Zivilprozeßordnung (§. 14,4) aufgehoben. Wichtig war die Bestimmung des Jüngsten Reichsabschiedes von 1654, der zufolge die geschuldeten Kapitalien der im Kriege Verarmten nicht vor drei Jahren und teilweise zurückgezahlt werden sollten. Die bisher angelaufenen Zinsen (Renten) und Interessen sollten bei jenen Schuldnern "zu drei Vierteil kassiert und aufgehoben sein", das letzte Viertel sollte auf näher bestimmte Weise allmählich abbezahlt werden. Von großer Bedeutung auch für die übrigen Länder wurden die französischen Moratoriengesetze vom 13. Aug. 1870, 10. März, 26. April und 4. Juli 1871 wegen ihrer Rückwirkung auf die vom Ausland auf franz. Schuldner gezogenen und von diesen acceptierten Wechsel. - Vgl. Neumann, Geschichte des Wuchers in Deutschland (Halle 1865); Fick, über internationales Wechselrecht in Beziehung auf Fristbestimmungen (Elberf. 1872); Jaques, Die durch die franz. Moratorienverfügungen hervorgerufenen Regreßfragen (Wien 1872); Endemann, Studien in der roman.-kanonistischen Wirtschafts und Rechtslehre, Bd. 1 (Berl. 1874). - Moratorialverhandlungen heißen die Stundungsverhandlungen, die manchmal dem Konkursverfahren vorausgehen und dessen Abwendung bezwecken. (S. auch Ausgleichsverfahren und Stundung.)

Moratscha, soviel wie Morača (s. d.).

Morava, Nebenfluß der Donau in Serbien, entsteht aus der Vereinigung der südlichen oder bulgarischen mit der westlichen oder serbischen M. Die südliche M. entspringt am Nordabhang des Kara-Dagh in Altserbien, nördlich von Üsküp, und betritt oberhalb Vranja serb. Gebiet. Die westliche M. entspringt auf der Golja-Planina an der Grenze Serbiens und des türk. Sandschaks Novipazar und vereinigt sich bei Stolač mit der südlichen M. Diese letztere sowie die in ihrer Fortsetzung fließende vereinigte M. besitzt ein weites fruchtbares Thal, durch das die Hauptstraße (jetzt Eisenbahn) von Ungarn nach Rumelien und Macedonien führt. Die M. ist von Cuprija aus schiffbar, aber nur für Flöße und kleine Schiffe, und mündet in zwei Armen in die Donau, der rechte, die M., bei Dubrovica, der linke, die Jesava, bei Semendria. Die südliche M. nimmt rechts die Nišava, links die Toplica, die westliche M. rechts den Ibar auf. Die Länge der südlichen M. beträgt 261 km, der westlichen M. 213 km, der vereinigten M. 145 km, das gesamte Flußgebiet 40 701 qkm. - M. ist auch slaw. Name der March (s. d.).

Moravia., lat. Name für Mähren.

Morawiden, soviel wie Almoraviden.

Moray (spr. mörrĕ), schott. Grafschaft, s. Elgin.

Moray, Graf von, s. Murray, James Stuart.

Moray-Firth (spr. mörrĕ förth), trichterförmiger Meerbusen an der nordöstl. Küste Schottlands, dessen innerster Teil durch die Halbinsel Black Isle in den Cromarty Firth im N. und Inverneß Firth mit dem Beauly Firth im S. geteilt wird. Der Caledonische Kanal (s. d.) führt zum Atlantischen Ocean.

Morbid (lat.), krankhaft, kränkelnd.

Morbidität (vom lat. morbus, Krankheit), in der Sanitätsstatistik das Zahlenverhältnis der Kranken zu den Lebenden; dasselbe ist meistens auf die Durchschnittsziffer eines ganzen Jahres gegründet. Die statist. Untersuchung der Erkrankungen, der Dauer und des Ausgangs der Krankheiten erlangte zuerst in England und den Vereinigten Staaten allgemeinere Anerkennung, wird aber jetzt auch in Deutschland mit dem größten Eifer betrieben. Wegen der geregelten Registerführung in Militärlazaretten, Knappschafts-, gewerblichen Unterstützungsvereinen, Krankenkassen der Eisenbahnarbeiter u. dgl. konnte man schon seit längerer Zeit den Durchschnittsstand der diesen Kassen u. s. w. angehörigen Mitglieder mit dem mittlern Krankenbestande vergleichen und dadurch nicht allein Verbesserungen in der Gesundheitspflege anbahnen, sondern auch die Beitragsleistungen regulieren. Die Berechnung der M. für die Bevölkerung ganzer Städte und Landschaften erfordert so viel Sorgfalt und Mühe, daß man bisher nur den Epidemien gegenüber, bei denen Anmeldepflicht gesetzlich besteht, richtige Morbiditätsziffern feststellte. Das Reichsgesundheitsamt erfüllt durch deren Veröffentlichung einen Teil seiner Aufgaben. Morbiditätstabellen, d. h. Tafeln, welche die Wahrscheinlichkeit und Dauer der Ertrankung für verschiedene Alter und Berufsarten angeben, sind in England von Neison und Finlaison, in Frankreich von Hubbard, in Deutschland von Heym u. a. veröffentlicht worden.

Litteratur. Osterlen, Handbuch der mediz. Statistik (Tüb. 1865); A. Oldendorff, Die Jahresberichte der deutschen Lebensversicherungsgesellschaften und ihre Bedeutung für die Medizinalstatistik (Berl. 1874); G. Mayr, Die Gesetzmäßigkeit im Gesellschaftsleben (Münch. 1877); Heym, Anzahl und Dauer der Krankheiten in gemischter Bevölkerung (Lpz. 1878); A. H. Westergaard, Die Lehre von der Mortalität und M. (Jena 1882).

Morbihan (spr. -biáng, im Keltischen "kleines Meer"), franz. Departement in der Bretagne, das vom Atlantischen Meere und Finistère, Côtes du Nord, Ille-et-Vilaine und Loire-Inférieure begrenzt wird. Es zählt auf 6798 qkm (1891) 544 470 E. und zerfällt in die Arrondissements Vannes, Lorient, Ploërmel und Pontivy mit 37 Kantonen und 253 Gemeinden. Hauptstadt ist Vannes (s. d.). die bevölkertste Stadt aber Lorient (s. d.). M. hat seinen Namen von einen: östlich der Bai von Quiberon zwischen den Halbinseln Ruis und Crach eindringenden Meerbusen (Le Morbihan), welcher, 20 km lang und gegen 10 km breit, mehrere Eilande einschließt. Das Departement hat eine Küstenentwicklung von 200 km, mit einer Menge von Buchten, Reeden, Häfen und Inseln, unter welchen letztern Belle-Isle (s. d.) die größte ist, und bildet ein Hügelland, welches sich in der an der Nordgrenze gelegenen Montagne noire bis zu 300 m erhebt, nach Süden