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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Nebenbahnen
Die Bereitstellung dieser Mittel ist wesentlich da-
durch erleichtert worden, daß dem Staate mit dem
jedesmaligen Erwerb von Privatbahnen eine Reihe
von Fonds anheimsielen, die sür die bisherigen
Zwecke der Privatbahnen entbehrlich wurden. Die-
selben bezifferten sich 1896 auf über 197858000 M.,
wozu die in den letzten Jahren bei den Baukosten
nicht verrechneten Barzuschüsse von Interessenten
treten, so daß nach Abzua. dieser Beträge von dem
obigen Baubedarf rund 701510000 M. durch An-
leihen zu beschaffen waren.
In Bayern ist der Bau von N. durch den Staat
nach dem Gesetze vom 28. April 1882 (Art. 5) da-
von abhängig, daß die Interessenten mindestens den
Grund und Boden hergeben; früher wurde nach dem
Gesetz vom 29. April 1869 auch noch die Herstellung
der Erdarbeiten verlangt. Zur Durchführung von
Privatunternehmungen leistet der Staat Zuschüsse,
sofern auch die Interessenten Opfer bringen. In
Sachsen hat eine allgemeine gesetzliche Regelung des
Ncbenbahnwesens bisher nicht stattgefunden, des-
gleichen nicht in Württemberg. Beteiligung des
Staates und der Interessenten wird in jedem ein-
zelnen Falle bestimmt. Dasselbe gilt von Baden,
wo die Interessenten gewöhnlich den Grund und
Boden herzugeben haben. Im Großherzogtum
Hessen sind die Grundsätze für den Bau von N.
durch das Nebenbahngesetz vom 29. Mai 1884 fest-
gestellt und für die Herstellung derfelben für Rech-
nung oder unter Beteiligung des Staates ähnliche
Bedingungen vorgeschrieben, wie sie in Preußen im
Verwaltungswege angewendet werden. In Olden-
burg sind allgemeine gesetzliche Vorschriften nicht
erlassen. Neuerdings hat der Staat mehrfach Bank-
institute gewonnen, welche das Baukapital bei gleich-
zeitiger Gewährung von Zuschüssen seitens der In-
teressenten hingegeben und den Betrieb dem Staate
gegen Bezug eines Teiles der Einnahmen überlassen
haben. 1895 waren in Deutschland 12 532 km
normalspurige und 1353km schmalspurige N. im Be-
triebe. Von den normalspurigen entfielen 10879 km
auf Staatsbahnen, 77 km auf Privatbahnen unter
Staatsverwaltung und 1576 km auf Privatbahnen
unter eigener Verwaltung. (S. Deutsche Eisen-
bahnen.) Die größte zulässige Fahrgeschwindig-
keit (s. Eisenbahnfahrgeschwindigkeit) für N. beträgt
40 Km in der Stunde. Die Spurweite (s. d.) der
schmalspurigen N. soll 1 m und 0,75 m betragen.
Neuerdings geht man in Preußen mit dem Bau
von Kleinbahnen (s. d.) vor.
Für den Bau und Betrieb von N. gilt in Deutsch-
land die Bahnordnung für die Nebeneisenbahnen
Deutschlands vom 5. Juli 1892. (S. Eisenbahn-Be-
triebsordnung.) Außerdem sind seitens des deut-
schen Eisenbahnvereins (s. d.) besondere Grundzüge
für den Bau und Betrieb der Nebeneifenbahnen und
der Lokaleifenbahnen (Berliner Normen; letzte Aus-
gabe Dez. 1890) vereinbart.
In Österreich wurde die Regierung durch Gesetz
vom 25. Mai 1880 ermächtigt, bei Konzessionierung
von N. sowohl hinsichtlich des Baues und der Aus-
rüstung wie auch hinsichtlich des Betriebes Erleich-
terungen zu gewähren, Befreiung von Stempeln
und Abgaben zuzulassen u. s. w. Das Gesetz, dessen
Gültigkeitsdauer ursprünglich nur auf zwei Jahre
bestimmt war, wurde wiederholt verlängert und
später durch das Gesetz vom 17. Juni 1887 ersetzt,
welches durch Gesetz vom 27. Dez. 1893 bis zum
31. Dez. 1894 verlängert, die frühern Bestimmungen
noch ergänzt und erweitert. Die Wirkungen der gefttz-
lichenRegelung derN. erweisen sich günstig: während
1880 nur 101 km N. konzessioniert wurden, belief
sich die Länge der 1881 konzessionierten N. auf
500 km, 1882 auf 322 km; 31. Dez. 1886 waren
auf Grund des Gesetzes von 1880 bereits 87 Neben-
bahnlinien (2400 km) konzessioniert, von denen
nur 11 Linien mit rund 500 km Staatsunterstützung
in Anspruch genommen hatten. Ende 1890 waren
2042 km N. dem Betriebe übergeben. Am 1. Jan.
1892 waren 109 Linien mit 3044 km genehmigt.
- Vgl. Sonnenschein, Nebenbahnfrage in Öster-
reich (im "Archiv für Eisenbahnwesen", 1887).
Für Ungarn ist ebenfalls ein besonderes Neben-
bahngesetz erlassen (vom 13. Juni 1880 und 24. Febr.
1888), durch das in ähnlicher Weise wie in Öster-
reich die Negierung zur Gewährung von Erleichte-
rungen beim Bau und Betriebe der N., Steuerbe-
freiungen u. s. w. ermächtigt ist. Zugleich wird die
Beteiligung des Staates mit einem jährlichen Be-
trage von zusammen höchstens 300000 Fl. an
dem Bau von N. in Aussicht gestellt; aus diesem
Fonds kann jedoch keine Bahn mit mehr als 10 Proz.
ihres Baukapitals unterstützt werden. Außer dem
Staate sind auch seitens der Municipien und Ge-
meinden Beihilfen zu gewähren. Am 1. Jan. 1892
waren bereits 53 Strecken mit einer Länge von
3554 km im Betriebe, 186 km waren im Bau. -
Vgl. Archiv für Eisenbahnwesen (1889).
In Italien entwickelte sich das Nebenbahnwesen
besonders in der Form von Dampftrambahncn.
(S. Italienische Eisenbahnen.)
Über den Bau von N. in Frankreich s. Fran-
zösische Eisenbahnen (Bd. 7, S. 146 a). Da in dem
Gesetz von 1865 eine genaue Begriffsbestimmung
der N. nicht gegeben war, zeigte sich bald, daß ein
großer Teil der auf Grund desselben ausgeführten
Linien bis zum Schlüsse des I. 1878, im ganzen
3764 km, über den Rahmen der N. hinausgingen.
Diesem Übelstande suchte das Gesetz vom 11. Juni
1880 abzuhelfen, welches diejenigen Linien nament-
lich bezeichnet, durch deren Ausbau das Haupt-
bahnnetz noch zu ergänzen ist, oder die bereits als
N. konzessioniert, in das i'6L6ku ä'interöt Fönerai
entweder durch Ankauf seitens des Staates oder
auf andere Weise zu übernehmen sind. Am 1. Jan.
1891 waren 3150 km N., darunter 1450 km schmal-
spurige, vorhanden, auf deren Herstellung ungefähr
62,3 Mill. M. verwendet worden sind.
über die N. in Belgien s. Belgische Eisen-
bahnen (Bd. 2, S. 689a).
IndenNiederlanden,wodasNebenbahnwesen
durch Gesetz vom 28. Okt. 1889 geregelt ist, haben
sich gleichwohl die N. nicht recht entwickelt. Dagegen
besteht ein ausgedehntes Trambahnnetz. (S.Nieder-
ländische Eisenbahnen.)
In Spanien hat im Frühjahr 1894 der von
der Negierung eingesetzte Ausschuß den Bau von
4980 km neuer Bahnen vorgeschlagen und eine
Spurweite von 0,75 m angenommen. Die Linien
sind in 2 Gruppen eingeteilt: 1) in solche, welche
keine Staatsbeihilse oder Zinsen beziehen, dafür
aber mit verschiedenen Vorrechten ausgestattet wer-
den sollen, 2) in solche, welchen eine staatliche Zinsen-
gewähr zugesichert wird. Gegen diese Vorschläge
haben sich aber erhebliche Widersprüche erhoben,
da die bereits bestehenden N. (1894: 1080 km im
Betriebe, 1740 km im Bau, 2800 km genehmigt)
eine Spurweite von 1 m haben oder erhalten sollen.