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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Niederländische Sprache und Litteratur

Martin und Franck ältere niederländ. Schriftwerke herausgegeben; auf dem Gebiete der germanistischen Studien überhaupt: Cosijn, Beckering, Vinckers, Gallé, van Helten, Symons und Boer.

Vgl. M. Heyne, Kleine altsächs. und altniederfränk. Grammatik (Paderb. 1873); P. I. Cosijn, De oudnederlandsche Psalmen (Haarl. 1873); J. Franck, Mittelniederländ. Grammatik (Lpz. 1883); W. L. van Helten, Middelnederlandsche Spraakkunst (Gron. 1887); P. I. Cosijn, Nederlandsche spraakkunst; Ⅰ Etymologie (7. Aufl., Haarl. 1886); Ⅱ Syntaxis (6. Aufl., ebd. 1838); J. Verdam, De geschiedenis der Nederlandsche taal (Leeuwarden1890); J. Vercoullin, Schets eener historische grammatica der Nederlandsche taal (Gent 1892). – Wörterbücher: das große Woordenboek der Nederlandsche taal (seit 1864 erscheinend) nach dem Muster des deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm; E.Verwijs und J. Verdam, Middelnederlandsch woordenboek (’sGravenhage, seit 1883 erscheinend); J. Franck, Etymologisch woordenboek der Nederlandsche taal (ebd. 1892); J. Vercoullin, Bekinopt etymologische woordenboek der Nederlandsche taal (ebd. 1891).

Die poetische Litteratur der Niederlande wurde in ihren Anfängen teils von der franz., teils von der deutschen Dichtung beeinflußt. Aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh. stammt eine Reihe höfischer Epopöen, welche meist dem karolingischen Sagenkreise, teils auch jenem von Artus oder dem klassischen, teils andern kleinen Gruppen angehören. Mit wenigen Ausnahmen sind sie Übersetzungen aus franz. Quellen und schon deshalb durchschnittlich von geringem dichterischem Werte. Zu den bedeutendern unter ihnen gehören der «Roman van Lancelot» (hg. von Jonckbloet, Haag 1846‒49), «Karel ende Elegast» (hg. von Jonckbloet, Amsterd. 1859; von J. Bergsma, Zütphen 1893), der «Roman der Lorreinen», «Roman van Karel den Grooten» (Bruchstücke davon hg. von Jonckbloet, Leid. 1844), «Walewein» (gedichtet von Penninc und Pieter Vostaert, hg. von Jonckbloet, 2 Bde., ebd. 1846‒48), «Ferguut» (hg. von Verwijs und Verdam, Gron. 1881), die Erzählung von «Floris ende Blancefloer» (gedichtet von Diederic van Assenede, hg. von Hoffmann von Fallersleben in dessen «Horae Belgicae», Bd. 3, Lpz. 1836; ferner von A. Thym und 1879 von H. E. Moltzer), «Partonopeus» (hg. von Maßmann, Berl. 1847, und von J. H. Bormans, Brüss. 1871). Diese alle aber werden bei weitem übertroffen durch die der Tiersage angehörende Volksdichtung «Reinaert» (Reineke Fuchs). Mit der Blüte des Rittertums welkten auch jene Epopöen hin, und es ist eine seltene Ausnahme, wenn uns im «Roman van Limborch» von Hein von Aken (1280‒1330; hg. von van den Bergh, Leid. 1848) ein Ritterroman aus dem 14. Jahrh. begegnet. An ihre Stelle trat, den Bedürfnissen und Neigungen des aufstrebenden Bürgerstaates entsprechend, eine Dichtungsart, die, meist aus lat. Quelle schöpfend, überwiegend einen didaktischen Zweck verfolgte. Ihr Hauptvertreter in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. ist Jakob van Maerlant (s. d.). Ihm schließt sich unmittelbar der bedeutendste Dichter des 14. Jahrh. an, Jan Boendale, genannt Jan de Klerk, Schreiber (clerc) der Schöffen zu Antwerpen (geb. um 1285, gest. 1365), der zwei Reimchroniken verfaßte, die «Brabantsche Yeesten» (hg. von Willems, 2 Bde., 1839‒43, und Bormans 1869) und «Van den derden Edewaert»; ferner zwei Lehrgedichte: «Der Leken Spieghel» (1325‒30; hg. von de Vries, 3 Bde., Leid. 1844‒48) und «Jans Teesteye» (1331; hg. von Snellaert 1869). Unter den übrigen Lehrgedichten sind die bedeutendsten: der «Cato» (hg. von Jonckbloet, Leid. 1846) und das (von einigen dem Boendale zugeschriebene) «Dietsche Doctrinale» von 1345 (hg. von Jonckbloet, Haag 1842). Von geschichtlichen Gedichten verdienen besonders hervorgehoben zu werden: Lodewijk van Velthems Chronik (hg. von Lelong 1727 und von Jonckbloet 1840), des Brabanters Jan van Heelu «Beschreibung der Schlacht von Woeringen» (hg. von Willem 1836; dazu van Wijns «Aanteekeningen», 1840), der «Grimbergsche oorlog» (hg. von Serrure und Blommaert, Gent 1852), Melis (Aemilius) Stokes wichtige Chronik von Holland (um 1305; hg. von Huydecoper, 3 Bde., Leid. 1772, und von Brill, Utr. 1885) und eine bis ins 15. Jahrh. reichende «Reimchronik von Flandern» (hg. von Kausler, Tüb. 1840). Unter den Legenden sind von Bedeutung: der «Theophilus» (hg. von Blommaert, Gent 1836, 1858, und von Verdam, Amsterd. 1882), der «Brandaen» (hg. von Blommaert, ebd. 1836, 1858, von Verdam und von Bonebakker 1894) und das Gedicht «Beatrijs» (hg. von Jonckbloet, Amsterd. 1859). Von den zahlreichen legendenartigen Lebensbeschreibungen sind noch zu nennen: «Das Leben des St. Amand», der «St. Christina», «St. Lutgardis» und die in Limburger Mundart abgefaßte «Sinte Servatius legende» von Heinrich von Veldeke (hg. von Vermeulen, Utr. 1843). Die Lyrik hat nur wenige Proben und keinen bedeutenden Vertreter aufzuweisen. Erheblicher sind die Erzeugnisse des Dramas, dessen Anfänge ebenfalls in diese Zeit fallen. Vgl. Altniederländ. Schaubühne (in Hoffmanns von Fallersleben «Horae Belgicae», Bd. 6, Bresl. 1838); Een cluyte van Playerwater (hg. von Mertens, Antw. 1838); H. E. Moltzer, De Middelnederlandsche dramatische Poëzie (1868‒75), und F. von Hellwald, Geschichte des holländ. Theaters (Rotterd. 1874).

Um die Mitte des 14. Jahrh. bildete sich die niederländ. Prosa aus, deren Meister der Mystiker Ruysbroek (s. d.) war und unter deren Erzeugnissen die sog. «Limburgsche Sermoenen» (hg. von J. H. Kern, Gron. 1891 fg.) zu nennen sind. Dagegen begann die Lehrdichtung zu ermatten, und an die Stelle der langatmigen Reimchroniken, Sittenspiegel und wissenschaftlichen Abhandlungen traten kürzere, oft improvisierte Gedichte, die gern Erzählung und Sittenlehre zu vereinigen suchten. Die Dichter, welche diese neue Gattung pflegten und oft ein Wanderleben führten, nannte man Sprekers; den größten Ruhm unter ihnen erlangte der am Hofe der Grafen von Holland lebende Willem von Hildegaersberch (um 1350‒1408). Allgemach hatte sich nun auch die Kluft zwischen Adel und Bürgerstand erheblich vermindert, so daß der bedeutendste Dichter des 15. Jahrh., Derc Potter (gest. 1428), ein Mann aus den höhern Kreisen, wiederum ein größeres höfisches Werk zur Unterhaltung der vornehmen Gesellschaft auf jener bürgerlichen Grundlage der Spruchdichtung zu dichten unternahm («Der Minnen Loep», hg. von Leendertz, Leid. 1845‒47), in dem er eine Reihe von Liebesgeschichten abwechselnd mit Sittenlehren zu einem Ganzen verwob. Ja sogar persönlich reichten sich bald beide Stände die Hand zur Verfolgung ge- ^[folgende Seite]