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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Oberprisengericht – Oberreichsanwalt

Behörde erfolgte als ein Teil der großen Steinschen Verwaltungsreform durch den Erlaß vom 16. Dez. 1808, die genauern Vorschriften wurden in der Verordnung vom 30. April 1815 und später durch die Instruktion vom 31. Dez. 1825 gegeben. Der Gedanke der neuen Einrichtung war: die Festhaltung an den histor. Provinzen trotz ihres für einen einheitlichen Verwaltungsbezirk viel zu großen Umfanges; demgemäß wurden die Regierungsbezirke als Verwaltungsbezirke geschaffen und die O. gewissermaßen als Provinzialminister oder Statthalter den Provinzen vorgesetzt. In der Regel war der O. zugleich Chef der Regierung, an deren Sitz er seinen dienstlichen Wohnort hatte; der wirkliche Präsident derselben aber war der Regierungsvicepräsident, der zugleich der Stellvertreter des O. in den eigentlichen Oberpräsidialgeschäften war. Durch die seit 1875 durchgeführte Reorganisation der preuß. Verwaltungseinrichtungen ist auch die Stellung der O. verändert worden. Nach dem Organisationsgesetz vom 26. Juli 1880 und dem mit ihm übereinstimmenden Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 hat der O. innerhalb seines Geschäftskreises eine selbständige Entscheidung mit eigener Verantwortlichkeit. Seine Verbindung mit der Regierung an seinem Amtssitz ist gelöst. Die O. haben seit Friedrich Ⅲ. den Titel Excellenz. Die Oberpräsidien sind bureaukratisch organisierte Behörden; dem O. zur Seite steht der Oberpräsidialrat, der gesetzlich den O. zu vertreten hat.

Oberprisengericht, Oberprisenrat, s. Prise.

Oberpyrenäen, franz. Departement, s. Pyrénées (Hautes-).

Oberquartiermeister, in der preuß. Armee Generale, die dem Großen Generalstabe angehören. Sie sollen im Frieden den Chef des Generalstabes der Armee im Behinderungsfalle sowie in minder wichtigen Dienstangelegenheiten vertreten und sich gleichzeitig für ihre Verwendung im Kriege als Chef des Generalstabes beim Oberkommando einer Armee vorbereiten. Zur Zeit (1896) werden im preuß. Generalstabe 5 Generale (darunter 1 sächsischer) als O. verwendet. Der älteste O. führt den Titel Generalquartiermeister (s. d.).

Oberrad, Landgemeinde im Landkreis Frankfurt a. M. des preuß. Reg.-Bez. Wiesbaden, unweit links vom Main, an den Linien Bebra-Frankfurt a. M. und Sachsenhausen-Offenbach der Preuß. Staatsbahnen und an der Frankfurt-Offenbacher elektrischen Straßenbahn, hatte 1890: 6456, 1895: 7178 E., darunter 1685 Katholiken und 22 Israeliten, Post, Telegraph; Brauerei, Hefe- und Schuhfabriken; Gemüse- und Obstbau. Am Main die Gerbermühle, Lieblingsaufenthalt Goethes.

Oberrealschulen, in Preußen und in andern deutschen Ländern lateinlose Realschulen mit neunjährigem Kursus, deren Reifezeugnis zum Studium und zur Zulassung zu den Staatsprüfungen in folgenden Fächern berechtigt: Mathematik, Naturwissenschaften (Lehrfach), Hochbau-, Bauingenieur- und Maschinenbaufach, Forstwissenschaft und Bergfach.

Oberrechnungskammer, oberster Rechnungshof, auch Staatsrechnungshof oder schlechthin Rechnungshof genannt, eine in verschiedenen Staaten Deutschlands sowie in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und andern Ländern bestehende centrale Behörde, welche die Kontrolle über den gesamten Staatshaushalt durch Prüfung (Revision) und Feststellung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgeldern sowie über Zugang und Abgang von Staatseigentum führt. Diese Prüfung der Rechnungen erstreckt sich außer auf die formelle und rechnerische (kalkulatorische) Richtigkeit der letztern insbesondere auch darauf, ob bei der Erwerbung, der Benutzung und Veräußerung von Staatseigentum und bei der Erhebung und Verwendung der Staatseinkünfte, Abgaben und Steuern nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften unter genauer Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze verfahren worden ist, sowie ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurteilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung des Staatszwecks Abänderungen nötig oder ratsam sind. In einzelnen Staaten, namentlich im Deutschen Reich und in Preußen, werden die Prüfungsarbeiten der O. auch den parlamentarischen Körperschaften nutzbar gemacht, indem dieselbe den letztern einen Bericht über die von ihr bei Prüfung der Rechnungen wahrgenommenen Verstöße gegen etatrechtliche und gesetzliche Bestimmungen zu erstatten hat, welcher der Beratung und Beschlußfassung des Parlaments über die Entlastung der Regierung wegen der geführten Verwaltung zur Grundlage dient. (S. Entlastung.) Die ersten O. in Deutschland waren die des Königreichs Sachsen (1707) und die preußische O. (1714). Die letztere (Sitz in Potsdam) führt unter der Benennung Rechnungshof des Deutschen Reichs zugleich die Kontrolle des gesamten Haushalts des Deutschen Reichs, sowie des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen. Die O. ist in Preußen unmittelbar dem König, in Hessen und Baden dem Großherzog, in Sachsen dem Gesamtministerium untergeordnet; in Bayern ressortiert der Oberste Rechnungshof vom Finanzministerium , ähnlich in Württemberg, überall ist für möglichste Unabhängigkeit der Behörde gesorgt. Die Mitglieder sind in Preußen z. B. rechtlich den Richtern gleichgestellt. In Österreich-Ungarn besteht für jede der beiden Reichshälften ein besonderer, für die gemeinschaftlichen Finanzen aber überdies ein gemeinsamer Oberster Rechnungshof, der dem Kaiser unmittelbar untergeordnet ist. In Frankreich ist es die mit den Attributen eines oberinstanzlichen Gerichtshofs ausgestattete Cour des comptes, welcher die Prüfungen der Staatsrechnungen, gleichzeitig aber auch diejenige der Gemeinderechnungen obliegt; die Mitglieder werden vom Präsidenten der Republik auf Lebenszeit ernannt. Über England s. Großbritannien und Irland (Bd. 8, S. 417 b). In Belgien besteht eine Cour des comptes, deren Mitglieder von der Volksvertretung auf sechs Jahre gewählt werden, in Italien die Corte dei conti, deren Mitglieder vom König ernannt und nur mit Zustimmung der Kammer abgesetzt werden können.

Oberregierungsrat, s. Regierung.

Oberreichsanwalt, der oberste Beamte der Staatsanwaltschaft beim Reichsgericht. Zwischen der Staatsanwaltschaft der Einzelstaaten und dem O. besteht kein Abhängigkeitsverhältnis, doch haben in denjenigen Sachen, für welche das Reichsgericht (s. d.) in erster Instanz zuständig ist, alle Beamte der Staatsanwaltschaft den Anweisungen des O. Folge zu leisten; auch entscheidet letzterer, wenn Staatsanwälte verschiedener Bundesstaaten sich nicht darüber einigen können, wer von ihnen die Verfolgung einer Strafthat zu übernehmen hat. Der O. bezieht mit den Senatspräsidenten (14000 M.) gleichen Gehalt. (S. Reichsanwalt.)