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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Oldenburg (Großherzogtum)

darüber finden sich nur in ganz beschränkter Zahl und vorzugsweise auf der münsterschen Geest. Am Grundeigentum haben die Privaten mit 425024 ha (82 Proz.) Anteil, während 47138 ha (9 Proz.) der Krone und dem Staate und 47002 ha (9 Proz.) den Körperschaften gehören.

Land- und Forstwirtschaft. Etwa drei Fünftel des Landes sind erst land- und forstwirtschaftlicher Kultur zugängig gemacht. 1893 kamen auf Acker- und Gartenland 187939, Wiesen 73154, Weiden und Hutungen 88585, Forsten und Holzungen 67852 ha. Während aber das unkultivierte Land auf der oldenb. Geest bis 44,71 und auf der münsterschen selbst bis zu 58,69 Proz. ansteigt, erreicht es in der Marsch bloß 8,13 Proz. Der Ertragsfähigkeitswert des Grund und Bodens (insgesamt ohne die Gebäude zu 9587563 M., d. h. für je 1 ha zu 18,48 M. geschätzt) ist denn auch in der Marsch weit erheblicher. Hier ist der mittlere Ertrag für 1 ha zu 45,1, hingegen auf der oldenb. Geest nur zu 13,1 und auf der münsterschen zu 9,1 M. angenommen. Der Betrieb der Landwirtschaft ist in der Marsch anders geartet als auf der Geest. Dort überwiegt die Rindvieh- und Pferdezucht und die Weidewirtschaft. Außerdem liefert die Marsch für die Ausfuhr Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen und Raps. Auf der Geest dagegen herrscht der eigentliche Ackerbau vor. Die Viehzucht spielt nur in Ansehung der Züchtung von Schweinen eine größere Rolle. Die früher auf den Heideflächen gehaltenen Schafherden (Heidschnucken) mit ihrer groben Wolle sind außerordentlich eingeschränkt worden. Auch die Bienenzucht geht zurück. Der Anbau besteht hauptsächlich in Roggen und daneben in Hafer und Buchweizen, der letztere besonders auf dem Moor. Durch künstliche Düngemittel wie durch die Steigerung der Viehhaltung und die Ausbildung des Molkereiwesens hat sich die Landwirtschaft der Geesten gehoben und sind erhebliche Flächen unkultivierten Landes wirtschaftlich nutzbar gemacht worden. Die Erntefläche betrug 1895 von Roggen 66265, Weizen 5850, Gerste 7707, Kartoffeln 15132, Hafer 33018, Buchweizen 6145 und Wiesenheu 75107 ha, der Ernteertrag 77414 t Roggen, 11231 Weizen, 13015 Gerste, 1290 Menggetreide, 3337 Buchweizen, 7766 Ackerbohnen, 1143 Mischfrucht, 134394 Kartoffeln, 45115 Hafer, 10466 Runkel-, 14266 weiße und 9701 Kohlrüben, 3580 Möhren, 17498 Klee (Heu), 1908 Lupinen (Heu), 11958 Grassaat aller Art und 213365 t Wiesenheu. Die Viehzucht ist weithin berühmt, vorzugsweise in der Marsch. 1892 wurden gezählt 32384 Pferde, 196825 Stück Rindvieh, 129588 Schafe, 113501 Schweine, 26677 Ziegen und 23632 Bienenstöcke. An der Hebung der Viehzucht haben strenge und einsichtsvoll gehandhabte Körordnungen (s. d.) und staatliche Prämiierungen sowie Züchtungs- und Absatzvereine einen wesentlichen Anteil.

Die Forstwirtschaft hält sich bei der geringen Ausdehnung des Waldbodens in nur bescheidenen Grenzen. Etwa zwei Drittel des Waldes ist im Besitz von Privaten, welche demselben vielfach eine wenig pflegliche Behandlung angedeihen lassen. Der Rest gehört beinahe allein dem Staate. Die Staatswaldungen haben dadurch neuerlich ansehnlich gewonnen, daß ihnen aus den Markenteilungen namhafte Flächen von Heideland zwecks Aufforstung zugelegt sind. Für die Beschaffung von Brennmaterial sorgen die mächtigen Torfmoore, deren Verwertung durch die Anlegung zahlreicher Kanäle sehr erleichtert ist. Dagegen fehlen Steinkohlen- und ebenso Erzlager.

Industrie und Handel. Der Gewerbefleiß wie der Handel treten gegen die Landwirtschaft zurück. In der Hauptsache herrscht die handwerksmäßige Form für die örtlichen Bedürfnisse vor. Größere Unternehmungen sind nur in ganz geringer Zahl vorhanden. Betriebe, welche mindestens 6 Hilfspersonen beschäftigen, machen noch keine 3, hingegen die, welche ohne alle fremde Hilfe und motorische Kräfte arbeiten, bereits 62 Proz. aus. Es haben denn auch bloß wenige Orte einen ausgesprochenen industriellen Charakter: obenan steht Delmenhorst durch seine Tabaks- und Korkfabrikation wie durch einzelne große Fabrikanlagen für Jutespinnerei, für Linoleumteppiche, für Wollwäscherei und Kammgarnspinnerei, dem sich die Residenzstadt O. nebst dem Vorort Osternburg, ferner durch Cigarren- und Korkfabrikation Lohne, einzelne Weser- und Emsorte wegen des freilich zurückgehenden Schiffbaues, und manche Gegenden, zumal um Varel herum, durch ihren Ziegeleibetrieb anreihen. In Bezug auf Hausindustrie sind hervorzuheben die Leinenindustrie des Ammerlandes, die Strumpfstrickerei im Amte Cloppenburg und die Korkschneiderei im Amte Delmenhorst. Der Handel beschränkt sich vorzugsweise auf den Umsatz der Landeserzeugnisse gegen Kolonialwaren und Fabrikate und ist vielfach noch von der Nachbarstadt Bremen abhängig. Ungewöhnlich hoch sind die Depositen bei den Banken, welche mit Einschluß der Sparkasseneinlagen sich 1890 auf 73731305 beliefen, was für den Kopf der Bevölkerung 264,26 M. ergiebt.

Verkehrswesen. Das moderne Verkehrswesen ist erst spät zur Entwicklung gelangt. Der Bau von Chausseen wurde nicht vor Mitte der zwanziger Jahre begonnen, doch erst seit 1855 eifriger betrieben und namentlich feit den siebziger Jahren durch die Gemeinden und Amtsverbände kräftig gefördert. Das gesamte Chausseenetz hat jetzt eine Länge von 1371 km. Viel ist in jüngster Zeit für Hebung der Wasserstraßen und für Hafenbauten geschehen. Insbesondere ist in Nordenham nahe der Wesermündung ein eisfreier Anlegeplatz für den großen, oceanischen Seeverkehr geschaffen worden. Am 1. Jan. 1894 fuhren unter oldenb. Flagge 270 Seeschiffe (darunter bloß 10 Dampfschiffe) mit 272167 cbm Inhalt und 2094 Mann Besatzung. Der Schiffsverkehr zur See bestand (1886‒90) in 2005 angekommenen Schiffen mit 198937 Registertons und in 2064 abgegangenen mit 173427 Registertons Ladefähigkeit. – Über die Eisenbahnen s. Oldenburgische Eisenbahnen.

Verfassung und Verwaltung. Die Thronfolge vererbt im Mannsstamm des Herzogs Peter Friedrich Ludwig (gest. 1829) nach dem Rechte der Erstgeburt und der Linealfolge; die weibliche Erbfolge ist ausgeschlossen. Im Großherzogtum O. gilt das revidierte Staatsgrundgesetz vom 22. Nov. 1852, eine der freisinnigsten Verfassungen in Deutschland. Zu dem Landtage des Großherzogtums, der in einer Kammer tagt, stellen das Herzogtum O. 26, das Fürstentum Lübeck 3 und das Fürstentum Birkenfeld 4 Abgeordnete, die durch Wahlmänner gewählt werden. Stimmberechtigt als Urwähler ist jeder selbständige Staatsbürger, der das 25. Jahr vollendet hat (Wahlgesetz vom 21. Juli 1868). Ordentliche Landtage sollen alle drei Jahre stattfinden. In

^[Anmerkung: unteres Drittel im Faksimile fehlt]