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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Oldenburg (Großherzogtum)

der Zwischenzeit fungiert ein ständiger Landtagsausschuß, der aus vier oldenburgischen, einem Birkenfelder und einem Lübecker Abgeordneten besteht. Außerdem sind in den Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld noch besondere Provinzialräte, die jedoch keine beschließende Kompetenz, sondern nur eine gutachtliche Wirksamkeit haben. Der Landtag hat die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und die Steuerbewilligung, außerdem auch das Recht der Ministeranklage; für diesen Fall tritt der Staatsgerichtshof ein, und das Verfahren ist durch Gesetz vom 24. März 1855 geregelt. Das Staatsministerium zerfällt in fünf Departements: 1) Departement des großherzogl. Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten; 2) Departement des Innern; 3) Departement der Finanzen; 4) Departement der Justiz; 5) Departement der Kirchen und Schulen. Unter dem Staatsministerium stehen die beiden Provinzialregierungen zu Eutin für das Fürstentum Lübeck und zu Birkenfeld für das Fürstentum Birkenfeld. Das Herzogtum ist in 12 Ämter eingeteilt, zu welchen die 3 sog. Städte erster Klasse O., Jever und Varel treten, deren Magistrate eine den Ämtern entsprechende Zuständigkeit haben. Die unter den Ämtern stehenden 109 Land- und 7 übrigen Stadtgemeinden sind größere, aus mehrern Ortschaften und Wohnplätzen bestehende Bezirke. Die Gemeinden wie die für größere Bezirke eingesetzten Amtsverbände (für Landarmenwesen, gemeinnützige Anstalten, Chausseebauten, Fürsorge für Geisteskranke, Blinde, Taubstumme) besitzen gemäß der revidierten Gemeindeordnung vom 13. April 1873 eine ausgedehnte Selbstverwaltung. Nach der 15. Juli 1867 mit Preußen abgeschlossenen Militärkonvention stellt O. das Infanterieregiment Nr. 91, das Dragonerregiment Nr. 19 und zwei Batterien des hannov. Feldartillerieregiments Nr. 26; Infanterie und Kavallerie gehören der 19. Division und mit der Artillerie dem 10. preuß. Armeekorps an. O. zerfällt in drei Reichstagswahlkreise: O. (Abgeordneter 1893 Enneccerus, nationalliberal); Varel (Träger, freisinnige Volkspartei); Delmenhorst (Graf Galen, Centrum).

Das Wappen ist ein quergeteilter Schild, oben gespalten, unten durch eine aufsteigende Spitze gespalten; im ersten Felde sind in Gold zwei rote Querbalken (Oldenburg), im zweiten in Blau ein schwebendes goldenes Kreuz (Delmenhorst), im dritten im blauen Felde ein schwebendes, mit einer Bischofsmütze bedecktes goldenes Kreuz (Fürstentum Lübeck), im vierten ein rot und weiß geschachtes Feld (Birkenfeld), in der Spitze im blauen Felde ein goldener gekrönter Löwe (Jever). Die Flagge ist blau mit einem roten Kreuz; Blau und Rot sind auch die Landesfarben. An Orden besteht der Peter-Friedrich-Ludwig-Orden (s. d.).

^[Abb. Wappen]

Finanzen. Die Finanzen der drei Landesteile werden getrennt verwaltet; dazu kommen die gemeinschaftlichen Finanzen des Großherzogtums, so dass es ein vierfaches Budget giebt. Für 1895 waren die Einnahmen des Herzogtums O. auf 5307350, die des Fürstentums Lübeck auf 597171, die des Fürstentums Birkenfeld auf 474450, endlich die des Großherzogtums auf 2796000 M. veranschlagt. Die Staatsschuld betrug zu Ende 1893 für das Herzogtum O. 42518529, für Lübeck 30900, für Birkenfeld 3677, im ganzen 42553106 M. oder 119,9 M. auf den Kopf der Bevölkerung.

Kirchen- und Schulwesen. Für die Wahrnehmung der kirchlichen Angelegenheiten bestehen in der evang. Kirche als centrales Verwaltungs- und Aufsichtsorgan der Oberkirchenrat und als beschließende und gesetzgebende Körperschaft die aus weltlichen und geistlichen Mitgliedern gebildete Landessynode (kirchliches Verfassungsgesetz vom 11. April 1853). In den Gemeinden ist die Presbyterialverfassung eingeführt, nach welcher der Kirchenrat das verwaltende und der Kirchenausschuß das beschließende Organ bilden. Für die vorzugsweise im südlichen, früher zum Fürstentum Münster gehörenden Teile des Landes wohnenden Katholiken ist die kirchliche Oberbehörde das bischöfl. münstersche Offizialat in Vechta. Das Schulwesen ist verfassungsmäßig konfessionell getrennt und unter Oberaufsicht des Staatsministeriums dem evang. Oberschulkollegium in O. und dem katholischen in Vechta unterstellt. Gymnasien bestehen in O., Vechta (kathol.) und Jever, Lehrerseminare in O. und Vechta, Realschule in O. und höhere landwirtschaftliche Lehranstalten in Varel und Cloppenburg. An Volks- und Mittelschulen bestehen 301 evangelische und 124 katholische, von denen auf erstere 618 Lehrer und 37614 Schulkinder, auf letztere 185 und 11071 kommen. Für den kunstgewerblichen Unterricht sorgt das Landes-Gewerbemuseum.

Geschichte. Das heutige Herzogtum O. hat sich aus den Besitzungen entwickelt, welche einst von dem «in confinio Saxoniae et Frisiae» reich begüterten Geschlecht Wittekinds beherrscht wurden. Der erste urkundlich beglaubigte Graf ist Egilmar oder Elimar Ⅱ., der im Anfange des 12. Jahrh. lebte. Der erste jedoch, welcher als Graf von «Oldenburg» genannt wird (um 1150), war sein Sohn Christian Ⅰ., der Streitbare. Bald nach seinem Tode erlangten die Grafen, welche auf der Oldenburg (d. h. der alten Burg) saßen und unter deren Schutze die jetzige Hauptstadt O. entstand, größere und geradezu landesherrliche Befugnisse, als infolge der Achtserklärung Heinrichs des Löwen (1180) dessen Herzogtum, dem auch sie angehört hatten, zerschlagen wurde. Die oldenb. Grafen wirkten mit bei dem Kreuzzug gegen die fries. Stedinger, infolgedessen nach der Vernichtungsschlacht bei Altenesch 1234 der größte Teil des Stedingerlandes unter oldenb. Herrschaft kam. Graf Otto Ⅱ. erbaute zum Schutz dieser neuen Erwerbungen 1247 die Burg Delmenhorst, neben der die gleichnamige Stadt entstand, und seine Nachfolger nannten sich Grafen von O. und Delmenhorst. Außer der Hauptlinie O. erscheint im 13. Jahrh. eine Nebenlinie Wildeshausen. Diese verkaufte 1270 ihre Herrschaft an das Erzbistum Bremen, mit dem das Amt Wildeshausen zuletzt an Hannover überging. Nach dem Erlöschen (1435) der 1334 abgezweigten Nebenlinie Delmenhorst vereinigte Graf Dietrich der Glückliche (gest. 1440) wieder den ganzen Familienbesitz unter seiner Alleinherrschaft. Dietrichs ältester Sohn, Graf Christian, wurde 1448 zum König von Dänemark gewählt (s. Oldenburger Haus) und überließ die Stammlande seinen Brüdern Gerhard dem Streitbaren und Moritz, die 1458 abermals teilten. Jedoch die von