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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Oldenburg (Großherzogtum)
Moritz gestiftete (zweite) Nebenlinie Delmenhorst
erlosch schon mit dessen Sohn. Während des ganzen
Mittelalters hatten die oldenb. Grafen wiederholt
mit den freien Friesen an der Nordsee, mit dem Erz-
bistum und der Stadt Bremen, dem Bistum Mün-
ster und andern Dynasten und Städten zu kämpfen
gehabt. 1481 ward die sog. Friesische Wcede (Amt
Varel) sür O. gewonnen, wogegen Dclmenhorst an
das Bistum Münster verloren ging. Gerhards Sohn
Johann XIV. (1486-1526) erwarb nach schweren
Kriegen das fries. Stedinger- und Butjadingerland,
teils durch Eroberung, teils durch Kauf 1517-23,
überließ dagegen Iever an Ostsriesland.
Sein Sohn Anton I. (1526 - 73) führte die Re-
formation ein, hielt sich aber im Schmalkaldischcn
Kriege zu Kaiser Karl V., und so gelang es ihm,
1547 Delmenhorst wiederzuerobern. Er nahm auch
zuerst (1531) die Grafschaften formlich vom Kaiser
zu Lehn. Seitdem wurden die Grafen von O.
und Delmenhorst auf dem Reichstage zur westfäl.
Neichsgrafenbank gerechnet und hatten Sitz und
Stimme auf den westfäl. Kreistagen. Antons
Söhne teilten abermals, aber die (dritte) Nebenlinie
Dclmenhorst erlosch 1647 mit Christian IX., so das;
nun die Grafschaften unter Antons Enkel, Anton
Günther (1603 - 67), auf immer miteinander ver-
einigt wurden. Inzwischen waren auch die letzten
freien fries. Herrschasten, Iever durch Erbschaft 1575
und Kniphaufen durch Vergleich 1624, an O. ge-
fallen. Anton Günther erwarb 1623 und 1653
den einträglichen Weserzoll, und das Land be-
wahrte im Dreißigjährigen Kriege einen fast unge-
störten Frieden und Wohlstand. Die landesherrliche
Gewalt war unumschränkt. Die Grafen hatten kei-
nen privilegierten Adel aufkommen lassen, und die
Stridte waren von geringer Bedeutung; die Land-
bevölkerung blieb von der Leibeigenschaft verschont.
Anton Günther war der letzte seines Stammes, und
die Bemühungen, seinem natürlichen Sohne, dem
Reichsgrafen Anton von Aldenbnrg, die Erbfolge
zuzuwenden, blieben erfolglos. So setzte er durch
den Nendsburger Vertrag vom 16. April 1649 den
König von Dänemark und den Herzog von Echles-
wig-Holstein-Gottorp zu seinen Lehnserben ein, die
denn auch nach Anton Günthers Tode 19. Iuui
1667 Besitz ergriffen. Dagegen erhob der Herzog von
Schleswig-Holstein-Plön (f. Oldenburgcr Haus)
als näher berechtigter Agnat Klage beim Neichs-
hofrat und wurde durch Neichsexekution in den Besitz
der Grafschaften O. und Delmenhorst gesetzt, worauf
er diese durch Cessionsakte vom 22. Juni 1676 gegen
anderweitige Entschädigung an Christian V. von
Dänemark abtrat. Die Zerrschaft Iever als Weiber-
lehnvererbte auf die Nachkommenschaft seiller Schwe-
ster Magdalena, die mit dem Fürsten Rudolf von
Anhalt-Zerbst vermählt war (f. Iever). Die Herr-
schaft Kmphausen (nebst dem Amt Varel u. s. w.)
erhielt der Neichsgraf Anton von Aldenburg, und
als Hinterlassenschaft einer Erbtochter ging sie 1761
an die Holland. Familie von Bentinck über.
Die Grafschaften O. und Delmenhorst blieben nun
100 Aahre lang unter Herrschaft der dän. Könige.
Endlich überließ sie Christian VII. durch Traktat vom
1. Juli 1773 an den Großfürsten von Rußland und
regierenden Herzog von Holstein-Gottorp, Paul
Petrowitsch (später Kaiser Paul I.), der dagegen auf
alle gottorpischen Besitzungen und Ansprüche in
Schleswig-Holstein (s. d.) verzichtete, die Grafschaf-
ten aber bereits 14. Dez. 1773 seinem Vetter, dem
Fürstbischof Friedrich August von Lübeck, den: Chef
der jüngern Gottorper Linie, übertrug. Kaiser Jo-
seph II. bestätigte 27. Dez. 1774 dieses Abkommeil
und erhob 0.22. März 1777 zu einem Herzogtum.
Als Friedrich August 6. Juli 1785 starb, wurde die
Negierung für dessen geisteskranken Sohn Peter
Friedrich Wlhelm (geb.^3. Jan. 1754, gest. 2. Aug.
1823) seinem Vetter Peter Friedrich Ludwig, dem
Sohne des Herzogs Georg Ludwig von Holstein-
Gottorp, übertragen, der nach dem kinderlosen Tode
Peter Friedrich Wilhelms Herzog von O. und so der
Stammvater des jetzt regierenden Hauses wurde.
Unter dem mild gehandhabten System des auf-
geklärten Despotismus blühte das Land immer mehr
auf, bis auch O. in den Strudel der franz. Nevo-
lutionskriege hineingerissen ward. Durch den Neichs-
deputationshauptschluß von: 25. Febr. 1803 wurde
die Aufhebung des oldenb. Wesenolles zu Elsfleth
bestimmt, der jedoch erst 1820 wirklich aufhörte. Da-
gegen erhielt O. zur Entschädigung das hannov.
Amt Wildeshausen und einen Teil des Fürstbistums
Münster; zugleich erhielt Peter Friedrich Ludwig
das säkularisierte Bistum Lübeck als weltliches
Fürstentum. Während des Krieges von 1806 muhte
die herzogt. Familie flüchten. Die Franzosen besetzten
das Herzogtum, gaben es aber im Tilsiter Frieden
1807 wieder zurück. Dagegen mußte O. sich dem
lästigen franz. Kontinentalsystem unterwerfen und
nach dem Erfurter Kongreß auch dem Rheinbünde
beitreten (14. Okt. 1808). Den von Napoleon!,
angebotenen Umtausch O.s gegen die Stadt Erfurt
und Grafschaft Vlankenhain in Thüringen lehnte
Peter Friedrich Ludwig entschieden ab und zog sich
mit seiner Familie nach Rußland zurück. Darauf
wurde das Herzogtum an die beiden franz. Departe-
ments der Wesermündung und der Oberems verteilt.
Am 1. Dez. 1813 übernahm jedoch Peter Friedrich
Ludwig wieder die Regierung. O. trat nunmehr
(1815) dem Deutschen Bunde bei und erhielt durch
die Wiener Kongreßakte das hannov. (früher mün-
sterfche und osnabrückische) Amt Damme sowie
einen Teil des vormaligen franz. Saardepartements,
der seitdem das Fürstentum Virkenfeld bildet. Auch
wurde O. der Rang und Titel eines Großherzog-
tums zugestanden, wovon jedoch Peter Friedrich
Ludwig niemals Gebrauch machte. Außerdem trat
der russ. Kaiser Alexander I. 18. April 1818 die
Herrschaft Iever an O. ab. Die Verhältnisse der
Herrschaft Kniphaufen wurden nach längern Streitig-
keiten durch das Berliner Abkommen vom 8. Juni
1825 dahin geregelt, daß die Familie Ventinck die
vormalige Landeshoheit behielt, während O. daselbst
diejenigen Oberhoheitsrechte ausüben sollte, die
früher dem Deutschen Kaiser und Reich zugestanden
hatten. Peter Friedrich Ludwig starb 21. Mai 1829,
und ihm folgte fein ältester Sohn August (s. d.), der
nun den großherzogl. Titel annahm. Das Herzog-
tum O. trat 1836 mit Hannover und Braunschweig
in einen gemeinsamen Zollverband, den sog. Steuer-
verein, wogegen die Fürstentümer Birkenfeld fchon
1830 an den preuß. Zollverein, Lübeck an den
schlesw.-holstein. Zollverband angeschlossen wurden.
Der Aufschwung des polit. Lebens seit 1840 machte
sich auch in O. fühlbar, und 1847 setzte der Grosi-
herzog eine Kommission zur Ausarbeitung einer
Verfassung ein. Bevor aber diese vollendet war,
brach die franz. Februarrevolution 1848 aus, und
es herrschte nun eine demokratische Richtung vor,
der die Negierung sich nicht entziehen konnte.