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Orgelchor - Orgelspiel
bälgen. Die Anwendung der verschiedenen Mittel war der Grund, daß die Alten zwei O. unterschieden: Organum pneumaticum und Organum hydraulicum. Bei beiden aber blieb die Luft der tonerzeugende Körper. Über diese Versuche geben Inschriften und Bilder an Reliefs Anhaltepunkte. Erst der Talmud entwirft ein Bild der ältesten hebr. Orgelwerke, der Magrepha oder Maschrokita. Weit bedeutender war die von Ktesibius (140 v. Chr.) erfundene griech. Wasserorgel (Hydraulis), die von Hero und Vitruv beschrieben wird. Sie wurde bei den Römern ein beliebtes Zimmerinstrument; Nero ließ sogar eine Denkmünze mit ihrer Abbildung prägen. Die Byzantiner kehrten zu den Trittblasebälgen wieder zurück. Die erste Nachricht über eine O. in größerm Umfange ist abgedruckt im «Glossarium» von Du Cange, wo unter dem Worte «Organum» eine O. von Julian dem Abtrünnigen (4. Jahrh.) beschrieben ist. Eingehender schildert die O. Cassiodor (6. Jahrh.), nach dem sie in Form eines Turms gebaut war. Durch Papst Vitalian (7. Jahrh.) soll sie in der kath. Kirche eingeführt worden sein; kurz danach wird eine großartige O. in England erwähnt. Daß die Byzantiner als Orgelbauer berühmt waren, beweist, daß sie 757 Pippin und später Karl d. Gr. eine O. sandten. Deutschland baute schon im Beginn des 9. Jahrh. O., z. B. in Reichenau und St. Gallen. Später kommen O. auch in Norddeutschland vor, im 11. Jahrh. in Magdeburg, Halberstadt und Erfurt. In der Folge hat Deutschland den Orgelbau besonders ausgebildet und auch andere Länder mit O. und Orgelverbesserungen versehen. Zuerst war die O. noch plump, eine Taste war 1½ Elle lang und wurde mit den Fäusten traktiert. Eine bedeutende Verbesserung erfuhr die O. durch den Deutschen Bernhard, der 1470 in Venedig eine O. mit Pedal anfertigte. Die Klaviatur wurde erweitert, die Tasten wurden kleiner, eine zweite Klaviatur angelegt, chromatische Töne eingelegt. Im 16. Jahrh. wurde die Springlade erfunden; die Scheidung des Pfeifwerks fand statt; ein schönes Register nach dem andern entstand, die Zungenstimmen wurden verfertigt, Hans Lobsinger erfand die Spannbälge und die gleichschwebende Temperatur wurde eingeführt. Christian Förner erfand 1685 die Windwage, durch die es möglich wurde, den Wind für die verschiedenen Werke zu regulieren und die Dichte der eingeschlossenen Luft zu messen. Das 18. Jahrh. weist schon bedeutende Orgelbaumeister auf, wie Silbermann, Theußner, Sterzing, Herbst, Hildebrandt, Trost, Friederici, Schröter, Trampeli. Im 19. Jahrh. endlich wurden die Orgeltasten durch die Kunst der Pneumatik so leicht spielbar wie die eines Pianino; durch die Erfindung der Schweller, des großen Crescendo - und Decrescendozugs, der Koppeln u. s. w. wurde die O. auch für den Konzertsaal verwendbar. Dazu kam, daß das epochemachende Werk über Orgelbau von Töpfer die ganze Orgelbaukunst neu gestaltete. Früher galt die 1738 aufgestellte, von Chr. Müller geschaffene O. in der Hauptkirche zu Haarlem an Umfang wie an Ton (64 Register, 5000 Metallpfeifen) für die erste der Welt. Großartige O. finden sich ferner unter andern in St. Sulpice zu Paris (118 Register, 7000 Pfeifen), im Krystallpalast zu London (4568 Pfeifen), in Riga und Schwerin. Die berühmtesten Orgelbaumeister sind gegenwärtig Walcker in Ludwigsburg, Ladegast in Weißenfels und Sauer in Frankfurt a. O.
Eine ganz moderne Erfindung ist die elektrische O., bei der durch Berührung der Tasten ein elektrischer Strom als Motor hervorgerufen wird. Der Orgeltisch mit den Klaviaturen und Registerzügen ist nur durch die elektrischen Leitungsdrähte mit dem Orgelwerk verbunden, kann also beliebig weit von letzterm abgerückt werden, so daß z. B. der Organist im Schiff der Kirche am Orgeltisch sitzen kann. Doch ist diese Erfindung noch insofern unvollkommen, als die Ansprache der Töne nicht völlig präcis mit dem Anschlag der Tasten zusammenfällt.
Die deutschen Orgelbauer gründeten zur Wahrung ihrer Interessen im Febr. 1896 einen Verband mit dem Sitz in Leipzig.
Vgl. Bedos de Celles, L’art du facteur d’orgues (3 Bde., 1766‒78); Antony, Geschichtliche Darstellung der Entstehung und Vervollkommnung der O. (Münster 1832); Hopkins, The organ, its history and constructions (Lond. 1855); Seidel, Die O. und ihr Bau (4. Aufl., Lpz. 1887); Wangemann, Die O., ihre Geschichte und ihr Bau (3. Aufl., ebd. 1887); Töpfer, Lehrbuch der Orgelbaukunst (2 Bde., Weim. 1833; 2. Aufl., bearb. von M. Allihn, 1888); Frenzel, Die O. und ihre Meister (Dresd. 1894); Zimmer, Die O. (2. Aufl., Quedlinb. 1896).
Orgelchor, die Empore der Kirche, auf welcher gewöhnlich die Orgel aufgestellt ist. Im 16. und 17. Jahrh. wurde das O. gewöhnlich auf der Nordseite angelegt, wie z. B. im Straßburger Münster. Da das O. auch der Platz für die Sänger ist, und Sänger wie Organist vielfach die Funktionen des Geistlichen am Altar unterstützen, so hat man, damit Sänger und Organist den Geistlichen besser beobachten können, bei Neubauten von Kirchen die O. nur noch an der dem Altar gegenüberliegenden Westseite angebracht. Bei den Konzerten mit Orgel ist der Organist gezwungen, die Bewegungen des Dirigenten durch einen Spiegel zu beobachten. Bei den neuen elektrischen Orgeln fällt dies weg. (S. Orgel.)
Orgelgeschütz, auch Totenorgel, Geschreigeschütz, eine durch Vereinigung mehrerer Gewehrläufe auf einem fahrbaren oder tragbaren Gestell gebildete Schußwaffe, die in den ersten Jahrhunderten nach Erfindung des Schießpulvers eine Rolle spielte, dann vor dem Kartätschschuß verschwand, in neuerer Zeit aber als Kartätschgeschütz in verbesserter Form wieder aufgebracht worden ist. (S. Kartätschgeschütze und Geschütz.)
Orgelkorallen, s. Oktaktinien.
Orgelmetall, eine Mischung von Zinn und Blei, aus der Orgelpfeifen hergestellt werden.
Orgeln, geologische, s. Erdorgeln.
Orgelpunkt, in der Musik eine Baßstimme, die längere Zeit liegt und ohne Rücksicht auf ihr harmonisches Verhältnis zu der Bewegung der obern Stimmen aus gehalten wird. Nur am Anfang und Schluß des Abschnitts (der in übertragenem Sinne ebenfalls O. genannt wird) muß der Baß konsonieren. Gewöhnlich bildet er Tonika oder Dominante, kann jedoch auch zweistimmig diese beiden Intervalle zusammen enthalten. Der Gebrauch des O. bildete sich. zuerst am Schluß der Tonsätze aus und wurde da als eine Erweiterung und nachdrückliche Form der Kadenz betrachtet.
Orgelspiel, das kunstgerechte Spielen des Organisten auf den Manualen und dem Pedal der Orgel. Die Manuale, gewöhnlich zwei bis drei, seltener vier, und übereinander liegend, nämlich Haupt-, Ober- und Unterwerk, werden mit den Hän- ^[folgende Seite]