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Paris (Geschichte)
bei Sedan (1. Sept.) und der in P. 4. Sept. bewirkten Proklamierung der Republik die Dritte und die Maasarmee unter Führung König Wilhelms fast widerstandslos gegen P. vor. Am 15. Sept. trafen die Vortruppen beider Heere vor der Ostfront der inzwischen reichlich mit Vorräten aller Art, Marineartillerie und Besatzungstruppen versehenen Festung ein, und 19. Sept. wurde die Einschließung auf dem ganzen Umzug durchgeführt. Die Stärke der deutschen Heere vor P. betrug 19. Sept. 122661 Mann Infanterie, 24325 Mann Kavallerie und 622 Feldgeschütze. Belagerungsartillerie war in nächster Zeit nicht zu erwarten, da die vorhandene vor Straßburg nicht zu entbehren war.
In P. verfügte der Gouverneur, General Trochu, über ungleich zahlreichere, jedoch großenteils noch nicht operationsfähige Streitkräfte: 130700 Mann Linientruppen, 116400 Mann Mobilgarden, 14300 Mann Marinetruppen, 10000 Mann Gendarmen, Douaniers und Forstbeamte, 3000 Mann Hilfskanoniere, ferner 344000 Mann Nationalgarden und 15-18000 Mann Freikorps. Bei der deutschen Einschließungsarmee trafen allmählich Verstärkungen ein, wodurch die Zahl der Einschließungstruppen 21. Okt. auf 202030 Mann Infanterie, 33794 Mann Kavallerie und 898 Feldgeschütze stieg. Sowohl die Verteidiger als die Belagerer benutzten die ersten Wochen der Einschließung zur Verstärkung ihrer Stellungen.
Von größern Ausfällen sind zu erwähnen der vom 30. Sept. gegen Chevilly, Choisy und Thiais unter General Vinoy; ferner 13. Okt. gegen Châtillon und Bagneux, 21. Okt. vom Mont-Valérien aus gegen Malmaison und Buzanval sowie 28. Okt. gegen Le Bourget, das von den Franzosen genommen, am 30. aber nach hartem Kampfe von der preuß. Garde zurückerobert wurde. Inzwischen nötigte die Ansammlung feindlicher Feldtruppen an der Loire und im Norden das deutsche Oberkommando zu Entsendungen nach diesen Richtungen (s. Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871, Bd. 5, S. 105 fg.), so daß die deutschen Armeen vor P. gegen Ende Oktober erheblich geschwächt waren; doch traf bald darauf das 2. Armeekorps von Metz her zur Verstärkung ein.
Gleichzeitig hatte in P. die Kraft der Regierung eine Abnahme erfahren, denn es bildete sich dort 31. Okt. nach einem socialistischen Aufruhr eine Commune, die allerdings durch Einschreiten einiger zuverlässiger Nationalgardebataillone schnell beseitigt wurde. Anfang November traf Thiers in P. ein und verhandelte mit der Regierung der Nationalverteidigung und mit Bismarck in Versailles um einen Waffenstillstand, gelangte aber zu keinem Ziel, da das deutsche Oberkommando die Überlieferung eines Forts beanspruchte. Ausfälle fanden zunächst nicht weiter statt, doch wurde 18. Nov. in Versailles bekannt, daß die Truppen in P. auf sechs Tage Lebensmittel empfangen hätten und mit Trains versehen worden seien. In der Nacht zum 30. Nov. wurden bei Joinville mehrere Brücken über die Marne geschlagen. Am 29. Nov. fand ein Ausfall gegen die Stellung des 6. Armeekorps statt, der unter schweren Verlusten für die Franzosen abgeschlagen wurde. Am 30. Nov. fand der Durchbruchsversuch der zweiten Pariser Armee unter General Ducrot gegen Brie, Villiers und Champigny statt, unterstützt vom Feuer der Forts und einer Demonstration gegen das Garde-, 4., 6. und 2. bayr. Armeekorps, wurde jedoch von den Sachsen und Württembergern, denen 1. Dez. Teile vom 2. und 6. Armeekorps zu Hilfe kamen, aufgehalten; am Morgen des 2. Dez. machten die Deutschen einen Überfall, jedoch ohne daß es gelang, die Franzosen über die Marne zurückzuwerfen; doch beschränkte sich der Gegner 3. Dez. lediglich auf Beschießung der deutschen Linien und ging 4. Dez., gedeckt vom Feuer der Forts, über die Marne zurück.
Es trat nun vor P. eine längere Ruhepause ein, die deutscherseits zur Vervollständigung der Befestigung auf dem ganzen Umzug der Einschließungslinien und zur Vorbereitung der Belagerung benutzt wurde. Am 23. Dez. übernahm General von Kameke die oberste Leitung des Ingenieurangriffs und General Prinz zu Hohenlohe-Ingelfingen die des Artillerieangriffs; das Hauptdepot für die gegen die Südfront von P. gerichteten Angriffsarbeiten befand sich bei Villacoublay, 7 km östlich von Versailles. Am 21. Dez. versuchte die Besatzung einen vergeblichen Ausfall gegen Le Bourget und Stains. Am 27. Dez. begann das Bombardement gegen die Befestigungen des Mont-Avron aus 76 Geschützen; 28. Dez. wurde diese wichtige, das Vorland der Ostfront weithin beherrschende Stellung auf Befehl Trochus geräumt und 30. Dez. von den Deutschen vorübergehend besetzt. Am 5. Jan. 1871 begann auf der Südfront die Beschießung der Forts Issy, Vanves und Montrouge, die in kurzer Zeit stark beschädigt, namentlich ihrer Kasernen und sonstigen gedeckten Unterkunftsräume beraubt wurden. Am Abend des 9. und in der Nacht zum 10. Jan. fanden Ausfallgefechte bei Clamart, in den Tagen vom 12. bis zum 16. Jan. ebenso gegen Le Bourget und mehrere Punkte der Einschließungslinie statt. Der unglückliche Ausgang des 19. Jan. vom Mont-Valérien (s. d.) her unternommenen großen Ausfalls entzog der Verteidigung, welcher zugleich Nachrichten über den ungünstigen Stand der Verhältnisse in den Provinzen zugingen, jede Hoffnung auf erfolgreichen Widerstand. Am 22. Jan. begann auf der Nordfront die Beschießung von St. Denis, und tags darauf begann Jules Favre in Versailles die Eröffnung von Verhandlungen, zunächst über die Kapitulation von P., vom 26. Jan. ab über einen allgemeinen Waffenstillstand; 28. Jan. abends wurde die Konvention von Versailles von Bismarck, Moltke, Jules Favre und General Beaufort unterzeichnet. (S. Deutsch-Französischer Krieg von 1870 und 1871, Bd. 5, S. 109 a.) Am 29. Jan. vormittags wurden die Forts von deutschen Truppen besetzt, bald standen 700 Geschütze in und zwischen denselben bereit, nötigenfalls das Feuer gegen P. zu eröffnen.
Am 26. Febr. wurden zu Versailles die Friedenspräliminarien unterzeichnet; nach einer vom Kaiser Wilhelm abgehaltenen Heerschau rückten 1. März 30000 Mann, meist vom 6., 11. und 2. bayr. Armeekorps, durch den Arc de Triomphe de l'Etoile in die Hauptstadt ein und bezogen in den Champs-Elysées, dem Trocadéro und den nächstgelegenen Stadtteilen auf dem rechten Ufer der Seine Quartier. General von Kameke war deutscher Kommandant von P. Am 3. März wurde P., nachdem die Annahme der Friedenspräliminarien durch die Nationalversammlung bekannt geworden, von den deutschen Truppen geräumt, ebenso die Forteresse du Mont-Valérien und die äußern Forts auf dem linken Ufer der Seine im Süden der Stadt 7. März;