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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Paris (Graf von) - Paris (Gaston)
Nach der nachhomerischen Dichtung träumte seine
Mutter während der Schwangerschaft, sie habe
einen Feuerbrand geboren, der die Stadt in Feuer
setze. Da dieser Traum dahin ausgelegt wurde, das;
der Neugeborene dem Vaterland den Untergang berei-
ten werde, ließ Priamos das Kind durch einen Hirten
auf dem Idagebirge aussetzen; dieser aber fand es
wieder, von einer Bärin gesäugt, erzog es und gab ihm
den Namen P. Vor ihm, als dem schönsten Hirten,
erschienen auf Zeus' Geheiß, von Hermes geführt,
Hera, Athena und Aphrodite, um den bei der Hoch-
zeit des Peleus und der Thetis zwischen ihnen aus-
gebrochenen Streit, welcher der Preis der Schönheit
gebühre, von ihm entscheiden zu lassen (Paris -
urteil). Hera versprach ihm die Herrschaft über
Asien und Reichtum, Athena Kriegsruhm und Weis-
heit, Aphrodite aber das schönste Weib, die Helena,
zur Ehe; P. entschied zu Gunsten der Aphrodite. Bald
wurde auch seine Herkunft entdeckt. Priamos stellte
nämlich eine Leichenfeier des tot geglaubten P. an,
wobei P. erschien und die Söhne des Priamos in
den Kampfspielen besiegte. Delphobos (oder Hektor)
zog deshalb das Schwert gegen ihn, aber P. entfloh
an den Altar des Zeus Herkeios, wo er von Kassan-
dra erkannt und von Priamos als Sohn aufgenom-
men wurde, (über das Alter dieser besonders von
den Tragikern behandelten Sagen vgl. C. Robert,
Bild und Lied, Verl. 1881.) Hierauf entführte er die
Helena (s. d.) aus Lacedämon, während Menelaos
in Kreta abwesend war. Nach Ilias 6,290 ging die
Rückfahrt über Sidon, wohin P. durch einen Sturm
verschlagen worden sein soll. Als Menelaos seine
Gemahlin vergebens zurückverlangt hatte, kam es
zu dem Trojanischen Kriege. (S. Troja.) In diesem
schildert die Ilias den P. als nicht unerfahren im
Kriege, aber als säumig und feig; von Menelaos
wäre er im Iweikampf besiegt worden, wenn ihn
nicht Aphrodite in einer'Wolke entrückt hätte; als
Urheber des Krieges ist er den Seinigen verhaßt,
über seinen Tod berichtet die nachhomerische Sage,
daß er, nachdem er mit des Apollon Hilfe den
Achilleus hinterlistig getötet, durch einen vergifteten
Pfeil des Philoktetes verwundet wurde. Die aleran-
drinische Dichtung erzählte, daß P. in seinem Zirten-
stande mit einer idäischen Nymphe Oinone (Önone)
vermählt gewesen und von dieser vergebens vor
Helena gewarnt worden sei; nach seiner Verwun-
dung habe sie ihm die erbetene Heilung abgeschlagen,
aber sich selbst aus Schmerz und Reue den Tod ge-
geben. Auch von einem Sohne des P. und der
Oinone oder der Helena, Namens Korythos, und
andern Kindern wurde erzählt. - In der bildenden
Kunst wurde das Urteil des P. mehrfach zum Gegen-
stand der Darstellung gemacht; so von Rubens, L.
Giordano, A. van der Werss, Feuerbach.
Paris, Prinz Louis Philippe Albert von Or-
lsans, Graf von, ältester Sohn des Herzogs Fer-
dinand von Orleans (s. 0.) und der Prinzessin
Helene (s. d.) von Mecklenburg-Schwerin, geb.
24. Aug. 1838 zu Paris, wurde nach der Februar-
revolution in Eisenach, später in England erzogen,
focht während des amerik. Bürgerkrieges im Heere
der Union und lebte dann in England. Im Verlauf
des Deutsch-Französischen Krieges nach Frankreich
zurückgekehrt, beteiligte er sich als Major in der
Territorialarmee bei dem Feldzugc an der Loire und
erhielt 1872 die von Napoleon konfiszierten Güter
der Familie Orleans zurück; im Aug. 1873 entsagte
cr zu Gunsten des Grafen von Chambord (s. d.) für
sich und seine Fanulie allen Ansprüchen auf den franz.
Königsthron. Nach dem Tode des Grafen 1883 wurde
er indessen von den franz. Royalisten allgemein als
Philipp VII. und Erbe der Krone von Frankreich
anerkannt. Das Prinzenausweisungsgesetz vom
23. Juni 1886 entfernte ihn aus Frankreich. Er
ging nach England. Auf seine Aufforderung setzten sich
seine Anhänger mit Bon langer in Verbindung. Er
starb 8. Sept. 189-1 in Stowe-House bei London
und wurde in Weybridge beigesetzt. Der Prinz schrieb
eine "Histoirs äs 1a FU6i'l6 oiviw 6Q ^nieri^ue"
(4 Bde., mit Atlas, Par. 1874 - 75) und mehrere
Broschüren: "1)61^ ßiwHtion ä68 ouvrisrä 6n ^nZIe-
teri'6" (ebd. 1873), "1^68 aL8ocia,ti0N3 ouvi-ier^
(t,i'3>cl6-nni0n8) 6Q ^nFlstLi'l6" (6. Aufl., ebd. 1869),
"Uns 1id6i-t6 N6e6883>ii'6, 16 äroit ä'I.880eiatioii",
und gab gemeinschaftlich mit seinem Bruder, dem
Herzog von Chartres, heraus: "Duo ä'0ri6klN8,
ollMMZn63 äs I'arniöc; ä'^triHU6) 1835-39" (Par.
1870). Er war seit 30. Mai 1864 mit der Prinzessin
Maria Isabella (geb. 21. Sept. 1848 zu Sevilla),
der ältesten Tochter seines Oheims, des Herzogs von
Montpensier, vermählt, welcher Verbindung zwei
Söhne, die Prinzen Philipp, Herzog vonOrle^ans
(s. d.), geb. 6. Febr. 1869, und Ferdinand, Herzog
von Montpensier, geb. 9. Sept. 1881, und vier
Töchter (Amalie, geb. 28. Sept. 1865, seit 1886 mit
König Karl I. von Portugal, Helene, geb. 16. Juni
1871, seit 1895 mit Prinz Emanuel, Herzog von
Aosta, vermählt, Isabella, geb. 7. Mai 1878, Luise,
geb. 24. Febr. 1882) entsprossen.
Paris (spr. pariß), Gaston, Romanist, Sohn des
folgenden, geb. 9. Aug. 1839 zu Avenay, besuchte das
^oiiöF6 Rollin, in Paris und studierte dann zwei
Jahre in Göttingen und Bonn, hier unter Diez' Lei-
tung roman. Sprachen. 1858 trat er in die ^colo ä63
('liHrt68, wurde Direktor an der Ncole ä63 1^ute8
6wä63 und 1872 Professor der franz. Sprache und
Litteratur am O0II6F6 ä6 ^i'^ncs. 1896 wurde er in
die Französische Akademie gewählt. Seine Erstlings-
schrift war: "Stucks 8ur 16 rol6 ä6 I'accent Iktin
äan8 laianFuß fi-an^i86" (Par. 1862). Eine Muster-
leistung war seine preisgekrönte "Hi3t0ir6 poeti^no
ä6 01^i'i6!NHFno" (1866) und die Schrift "Vo?36uä0-
lurpino" (1865). Epochemachend für die Geschichte
der franz. Sprachwissenschaft ist seine in Gemein-
schaft mitL.Pannier veröffentlichte, gleichfalls preis-
gekrönte Ansgabe der "Vie äe 8awt ^lexw) (Par.
1872; neue Aufl. 1887) geworden. Mit P. Meyer
veröffentlichte er seit 1872 die Zeitschrift "Non^nia",
und mit demselben und andern seit 1866 die "IlevnL
ci'iNliue". Die Übersetzung von Diez' Grammatik
der roman. Sprachen ins Französische erschien unter
seiner Leitung und Mitwirkung (3 Bde., 1874-78);
schon 1863 hatte er dazu eine "Introäuction. 9. Ia
Fl-Hiniuaii-O Ü68 1HNFII68 1-01N3.N6 8" veröffentlicht.
Unter seinen übrigen Schriften sind zu nennen: "1^6
pstit pouc'Lt "t 1a ^rando oui'86" (1875), "1^63
00nt63 01'iünwux (1lni3 1a littörawr" än NO^en
ÜZ6" (1875) und, außer zahlreichen Abhandlungen
in der "Noniknia", "I^n. P068i6 än ino^sii Ü.F6" (Par.
1885; 2. Aufl. 1888), wozu eine zwe'ite Serie 1895
erschien, "N^nusi ä'ancien trHu^i3" (ebd. 1888;
2. Aufl. 1890), "1^68 0i'i^in63 äe 1a> p 06816 I^i'iqus
6N ^I-Hne6 lui N10^6U Ü.F6" (1892), "1ii8wn 6t
I86u1t" (1894) und "1,6 Noin an ä6 Iloi^lä" (1895).
Auch gab er für die Zociüt 6 668 3nci6n8 t6xt68
"N6I-1W" und "1^68 lllilH ci68 ä6 Notl-6 V3.IH6"
(7Vde., 1876 -85) heraus.