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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Reformationsfest; Reformātor; Reformbankette; Reformbill

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Reformationsfest - Reformbill

Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit (ebd. 1874); Häusser, Geschichte des Zeitalters der R. 1517-1648 (2. Aufl., Berl. 1879); Maurenbrecher, Geschichte der katholischen R. (Bd. 1, Nördl. 1880); Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der R. (6. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1880-81); Hagenbach, Kirchengeschichte von der ältesten Zeit bis zum 19. Jahrh., Bd. 3 (5. Aufl., hg. von Nippold, ebd. 1887); von Bezold, Geschichte der deutschen R. (in Onckens "Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen", Berl. 1887-90); Egelhaaf, Deutsche Geschichte im 16. Jahrh. (Stuttg. 1887-92); ders., Deutsche Geschichte im Zeitalter der R. (3. Aufl., Berl. 1893); Lamprecht, Deutsche Geschichte, Bd. 5 (ebd. 1894); vom kath. Standpunkte aus Döllinger, Die R. (3 Bde., Regensb. 1846-48; Bd. 1 in 2. Aufl., 1851); im ultramontanen Geiste Janssen, Geschichte des deutschen Volks seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 2 u. 3 (15. Aufl., Freib. i. Br. 1889-91).

Reformationsfest, das in der evang. Kirche zur Erinnerung an den 31. Okt. 1517, an dem Luther (s. d.) die 95 Thesen anschlug, gefeierte Fest. In den meisten evang. Landeskirchen wird das R. jetzt am Sonntage nach dem 31. Okt. begangen.

Reformātor (lat.), wer eine Reformation bewirkt; reformatōrisch, umgestaltend, verbessernd.

Reformbankette, die von den Führern der Opposition 1847 und 1848 in mehrern Städten Frankreichs veranstalteten Festmahle, wobei in Reden und Toasten die Gebrechen des herrschenden Regierungssystems aufgedeckt und als Rettungsmittel Reform und Ausdehnung des Wahlrechts verlangt wurde. Auf ein verjährtes Gesetz von 1790 gestützt, suchte die Regierung diese R. zu verbieten; aber trotz des Verbots trafen die Führer der Linken Anstalten zu einem neuen Reformbankett, das 22. Febr. 1848 im 12. Arrondissement von Paris abgehalten werden sollte. Als die Regierung militär. Maßregeln dagegen traf, erhob sich das erregte Volk und führte nach erbittertem Straßenkampfe den Sturz des Königtums herbei. (S. Frankreich, Bd. 7, S. 104.)

Reformbill, eine jede Bill in England, mit der eine Reform beabsichtigt wird; in engerm Sinne versteht man darunter eine der Parlamentsreformbills von 1832, 1867 und 1884/85. In den Jahrhunderten ihres Bestehens war die engl. Parlamentsverfassung, soweit sie eine Vertretung des Volks gewähren sollte, ihrem Zweck immer mehr entfremdet worden. Viele Wahlorte waren zu verfallenen Flecken herabgesunken, während aufblühende Welthandelsplätze, wie Leeds, Birmingham, Manchester, ohne Vertreter blieben. Die sog. "nomination boroughs" standen entweder unter dem Einfluß der Krone und der großen adligen Grundherren, oder die wenigen Wähler verkauften ihre Stimme. Eine Besserung dieser Zustände war unerläßlich; aber ein halbes Jahrhundert lang sträubten sich die Bevorrechtigten dagegen. 1770 schlug zuerst Chatham eine Vermehrung der Grafschaftsvertreter vor; gründlicher ging Wilkes 1776 zu Werke. Nach mehrern andern Vorschlägen brachte William Pitt 1782 den maßvollen Antrag ein, zunächst nur einen Prüfungsausschuß zu ernennen, drang aber nicht durch und gab nach einem erneuten Versuch den Reformplan ganz auf. Tor unermüdlichste Vorkämpfer der Parlamentsreform wurde darauf Grey; aber seine und seiner Freunde wiederholte Anträge fielen schon im Unterhaus. 1820 nahm Lord Russell den Kampf auf; aber wenn das Unterhaus den maßvollsten Vorschlägen zustimmte, so wies das Oberhaus auch diese ab. Die Bewegung, die infolge der franz. Julirevolution (1830) auch England ergriff, ließ die populären Forderungen anschwellen, doch wurde ein neuer Antrag des alten Reformers Grafen Grey 1831 von den Lords abgelehnt, und erst ein dritter Entwurf wurde 7. Juni 1832 Gesetz. Durch diese erste Parlamentsreform wurden die 56 kleinsten Wahlflecken beseitigt, andere erhielten statt zwei nur einen Vertreter; bisher unvertretene Städte wurden je nach ihrer Große durch einen oder zwei Abgeordnete vertreten und ebenso wurde die Vertreterzahl der größern Grafschaften erhöht. Die ganz willkürlichen städtischen Wählerkorporationen wurden beseitigt; jeder Besitzer oder Mieter einer im Wahlort befindlichen Wohnung oder eines sonstigen Gebäudes von 10 Pfd. St. Zinswert wurde Wähler. Auf dem Lande war der Census abgestuft nach der Form des Besitzes, ob freies Eigen, Erbpacht, lange oder kurze Zeitpacht. Die Wählerzahl, die zuvor etwa 400000 betragen hatte, war ungefähr verdoppelt worden; den Ausschlag gaben jetzt im Unterhause die mittlern Klassen der Bevölkerung.

Zwanzig Jahre ruhte nach diesem Abschluß die Reformfrage, bis sie Lord Russell mit neuen Verbesserungsvorschlägen, die aber nicht zur Ausführung gelangten, 1852 und 1854 wieder in Fluß brachte. Ihr energischster Wortführer wurde Disraeli (s. Beaconsfield), der Unterhausführer im konservativen Kabinett Derby, der 18. März 1867 seine Bill dem Unterhause vorlegte. Am 15. Juli fand sie im Unterhause, 6. Aug. im Oberhause Annahme und erhielt 15. Aug. durch königl. Bestätigung Gesetzeskraft. Die zweite R. 1867 gab jedem ein Jahr in einer Stadt ansässigen und steuerzahlenden Householder und auf dem Lande jedem Inhaber, sei es Mieter oder Besitzer, eines Gutes von 12 Pfd. St. Zinswert das Wahlrecht. Der nicht selbständige Aftermieter in der Stadt mußte eine Wohnung von 10 Pfd. St. Zinswert haben. Das Ergebnis war eine Vermehrung der Wähler um etwa 2 Millionen; die arbeitende Bevölkerung der Städte war in weitestem Kreise herangezogen worden, mehr als auf dem Lande; dafür aber waren 33 Stadtvertreter gestrichen, 25 neue Grafschaftsvertreter geschaffen worden. Das Unterhaus stand auf bedeutend verbreiterter demokratischer Grundlage.

Über kleinere Reformen, wie Einführung der geheimen Wahl, schritt man fort zur dritten Reform von 1884/85 unter dem liberalen Ministerium Gladstone in der «Representation of people Act» von 1884 und dem Gesetz über die Verteilung der Wahlbezirke von 1885. Radikal wurde mit der althistor. Verteilung der Vertretung aufgeräumt, und an ihre Stelle traten nach festländischem Vorbild Wahlkreise nach der Bevölkerungszahl, deren jeder einen Vertreter stellt. Auch die Ausgleichung der Wählerzahl zwischen städtischen und ländlichen Bezirken ist gerechter: nach der zweiten Reform wählten durchschnittlich 70800 Grafschaftswähler gegenüber 41200 städtischen einen Abgeordneten, jetzt durchschnittlich 52800 gegenüber 52700. Auch das Wahlrecht ist gleichmäßiger, wenn auch die Form des "Wohnhaus-Wahlrechts" beibehalten wurde. Der höchste Census auf dem Lande beträgt gleich dem städtischen nur 10 Pfd. St. Zinswert des Gutes bei einjähriger Ansässigkeit. Die Wahl ist geheim und