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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schacht

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Schacht

scheidenden Vorteils an besserer Stellung oder an gewonnenen Figuren führt. Das Mittelspiel ist das eigentliche Feld der Kombination; die interessantesten Verwicklungen, hervorgerufen durch das Ineinandergreifen der einzelnen Steine, geben häufig zu den glänzendsten Wendungen Anlaß, oft lösen sie sich in einfacher Weise. Eine Übermacht an Kräften wird durch vorteilhaftes Schlagen feindlicher Steine erreicht, wobei die Offiziere ebenso schlagen, wie sie gehen, während die Bauern nur in die schräg vor ihnen gelegenen nächsten Felder zur Rechten oder Linken schlagen. Durch wiederholtes Schlagen auf beiden Seiten mindern sich allmählich die Streitkräfte, und wenn keine Partei dabei in Nachteil gerät, so kann der Fall eintreten, daß in dem sog. Endspiel mit noch wenigen Steinen bei nur einigermaßen vorsichtigem Spiel keine Partei die andere zu überwältigen vermag. Das Spiel bleibt dann unentschieden, d. h. es wird remis gegeben. Mit patt bezeichnet man eine Stellung, in welcher ein König der am Zuge befindlichen Partei, ohne im Schach zu stehen und ohne daß gleichzeitig ein anderer Stein dieser Partei sich regelrecht bewegen darf, nicht ziehen kann. Patt gilt nach den heutigen Spielregeln allgemein als "remis". In England hatte früher der Pattgesetzte das Spiel gewonnen. Bisweilen gelingt es einem Spieler, irgend einen Bauer bis in die feindliche Offizierreihe vorzubringen, wo dann der Bauer den Rang der Königin oder eines beliebigen Offiziers, den der Spieler verlangt, erwirkt. Mit Hilfe der neuen Königin wird dann sehr oft das Spiel noch entschieden, d. h. der feindliche König matt gemacht. Das Endspiel, das dem Laien oft sehr leicht erscheint, birgt in Wahrheit eine Menge versteckter Feinheiten. Ein Bauernspiel z. B. macht selbst geübten Spielern nicht selten große Schwierigkeit, da der Gewinn oder der Verlust der Partie oft von einem einzigen Tempo abhängt. Schon frühzeitig wurde ebenso wie auf die Eröffnungen auch auf das Endspiel viel Sorgfalt verwandt. Um die Kunst, derartige schwierige Schlußspiele erfolgreich durchzuführen, sich besser aneignen zu können, konstruierte man künstliche Endstellungen, in denen entweder ein verborgener, nicht nahe liegender Zug eine überraschende Wirkung hervorbringt oder glänzende Opferkombinationen den Sieg erzwingen. In der neuesten Zeit ist man darin noch weiter gegangen, man hat diese Endspiele gänzlich vom gewöhnlichen Verlauf der lebenden Partie unabhängig gemacht, ein selbständiges Kunstwerk geschaffen: das Problem. (Vgl. Berger, Das Schachproblem und dessen kunstgerechte Darstellung, Lpz. 1884.) Im Problem kommen die größten Feinheiten des S. zum Ausdruck. Besonders schöne, scharf pointierte Ideen, die in der Partie sich nie in gleicher Vollkommenheit darbieten können, erhalten im Problem gleichsam eine plastische Darstellung.

Geschichtliches. Im alten Indien, wo das S. lange vor unserer Zeitrechnung erfunden worden sein soll, wurde es auf dem 64felderigen Brett auch von vier Parteien gespielt, deren jede, außer dem König, vier Figurenarten (einen Turm, Läufer, Springer und vier Bauern) hatte. Doch zog man in der Folge je zwei Parteien zusammen, und in dieser Gestalt soll das Spiel zunächst nach China und Persien übertragen worden sein, von wo es um die Zeit Karls d. Gr. nach Griechenland, später durch die Sarazenen und Mauren nach Italien und Spanien kam. Dem klassischen Altertum ist das Schach fremd geblieben, obschon die Griechen und Römer andere Brettspiele leichterer Art gekannt haben. Die allgemeine Verbreitung des S. im Occident, namentlich in Deutschland und Frankreich, erfolgte erst durch die aus dem Morgenlande heimkehrenden Kreuzfahrer. Die ersten Schriften über das Schach in seiner gegenwärtigen Gestalt gehören dem Anfange der neuern Zeit an. In Spanien, wo Lucena und Ruy Lopez (um 1500) über das Schach schrieben, entwickelte sich zuerst die theoretische und praktische Schachlitteratur, die dann zunächst in Italien (im 17. und 18. Jahrh.) von Meistern, wie Salvio, Carrera, Greco, später von Lolli und Ponziani weiter gepflegt wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. beherrschte der franz. Meister Philidor das Gebiet des Schachs. Sodann traten Anfang des 19. Jahrh. die Engländer in den Vordergrund, während in neuester Zeit die deutschen Meister für die besten Spieler wie Schriftsteller auf diesem Felde gelten.

Der erneute Aufschwung des S. führte zur Begründung des Deutschen Schachbundes 1879, um dessen Förderung sich der langjährige Generalsekretär H. Zwanzig (gest. 1894) große Verdienste erwarb, und der jetzt 92 deutsche Schachklubs umfaßt.

Litteratur. Das umfassendste und gründlichste Werk über das S. lieferte in neuerer Zeit Bilguer (s. d.), ein gutes Kompendium M. Lange (Lehrbuch des S., 2. Aufl., Halle 1865; Feinheiten des S., Lpz. 1865). Die Geschichte des S. behandelte Maßmann (Geschichte des mittelalterlichen S., Quedlinb. 1839) und A. van der Linde (Das S. des 16. Jahrh., Berl. 1874, und Quellenstudien zur Geschichte des S., ebd. 1881), die Litteratur desselben A. Schmid, in neuerer Zeit A. van der Linde (Geschichte und Litteratur des S., 2 Bde., Berl. 1874). Ferner sind als Schachschriftsteller hervorzuheben Lewis, von Heydebrand und der Lasa, Hirschbach, Berger, Minckwitz, Schallopp, von Bardeleben und Mieses. Von Bedeutung sind die seit 1846 in Leipzig erscheinende "Deutsche Schachzeitung" (redigiert von K.von Bardeleben und H. von Gottschall) und die "Wiener Schachzeitung" (seit 1887, redigiert von S. Gold).

Schacht, im Bergwesen ein Grubenbau (s.d.), der den Zweck hat, eine größere Teufe zu erreichen und deshalb mit geringen horizontalen Dimensionen und in senkrechter oder geneigter (flacher) Richtung abgeteuft wird. Der Schachtquerschnitt zeigt runde, quadratische, elliptische oder rechteckige Form; die Begrenzungsflächen heißen Stöße (langer, kurzer, nördlicher u. s. w. Schachtstoß). Die obere Öffnung eines S. heißt.Hängebank oder Tagekranz; liegt diese unter Tage, so heißt der S. ein blinder S., auch Strecken-, Zwischen-, Durchschnitt-, Verbindungsschacht; in den verschiedenen Sohlen liegen die Füllörter, das Tiefste ist der Schachtsumpf. Die Abteilungen eines S. für verschiedene Zwecke heißen Trümer (Fahr-, Förder-, Kunsttrum). Man hat saigere (Richtschächte) und flache oder tonnlägige S.; gebrochene S. haben wechselndes Fallen. Man kennt Haupt- und Neben- oder Hilfsschächte; Tageschächte, Stollenschächte oder Lichtlöcher gehen bis auf einen Stollen nieder; Tiefbauschächte. Der Bestimmung nach unterscheidet man: Förder- (Treib-, Göpel-, Zieh-), Kunst-, Fahr-, Wetterschächte. Zu besondern Zwecken dienen: Seil- und Stangen-, Roll-, Brems-, Hänge- und Wassereinfallschächte. - Über den Schachtbau s. Bergbau (Bd. 2, S. 759) und Eisenausbau. - S. oder Brunnen heißt in der Befestigungskunst ein senkrechter Minengang.