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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Geschichte 1506-1792)

eigenes Chalifat zu Cordoba, das unter Abd ar-Rahmân III. und dessen Sohne Hakem II. (gest. 976) seine höchste Blüte und Macht erreichte, aber nach Hischams III. Absetzung 1031 zerfiel, indem die einzelnen Statthalter sich unabhängig machten. (S. Omajjaden.) So regierten arab. Fürsten zu Saragossa, Toledo, Valencia und Sevilla. Hier wurden fast allgemein maur. Sprache und Sitten herrschend. Doch behielten die christl. Unterthanen (s. Mozaraber) sowie auch die Juden freie Religionsübung, ihre Sprache, Gesetze und Obrigkeiten; überhaupt wurden sie mild behandelt und nur der polit. Rechte beraubt. In der arab. Periode blühten Landbau, Handel, Wissenschaften und Künste (s. Arabische Kunst und Islamitische Kunst). Ein Teil der Westgoten behauptete unter dem Helden Pelayo seit 712 und unter dessen Nachkommen in den Gebirgen Asturiens ihre Freiheit und eroberte im Osten das Land der Basken, im Westen Galicien. Auch Karl d. Gr. drang 778 bis an den Ebro vor und begründete 811 die sog. Spanische Mark. Später gelang es den christl.-got. Königen, ein Land nach dem andern den Arabern zu entreißen, so daß schon im Anfange des 11. Jahrh. die christl. Reiche Leon, Aragonien, Navarra und die Markgrafschaft Barcelona oder Catalonien fast die Hälfte der Halbinsel umfaßten. In steten Kämpfen mit den Arabern bildeten sich diese Reiche immer mehr aus, wobei im Adel Mut und Rittersinn sich lebendig erhielt, während der Bürgerstand viele Rechte und Freiheiten erwarb. Der Castilier Cid (s. d.) ward seit dem 11. Jahrh. der Held der Ritterpoesie. Die Kämpfe zwischen Spaniern und Mauren erhielten eine religiös-romantische Färbung, gleich den Kreuzzügen, wie denn auch damals drei geistliche Ritterorden von Alcantara, Santiago di Compostela und Calatrava (s. d.) in S. gegründet wurden. Vergeblich riefen die span. Araber die Almoraviden aus Marokko zu Hilfe. Seit dem Siege, den die vereinten christl. Fürsten unter dem castil. König Alfons VIII. bei Navas de Tolosa in der Sierra Morena 1212 über die Almohaden erfochten, blieben den Arabern nur die Reiche Cordoba und Granada, von denen jenes 1236, dieses 1246 sogar die Oberherrlichkeit Castiliens anerkennen mußte.

Die christlichen Reiche Aragonien und Castilien. Unter den christl. Reichen S.s bildeten sich besonders zwei zu großem Ansehen heraus: Aragonien und Castilien, die nach und nach alle übrigen christl. und arab. Herrschaften mit sich vereinigten. Nur Portugal erlangte und behauptete seine nationale Selbständigkeit. Aragonien (s. d.) vergrößerte sich im 12. und 13. Jahrh. durch Erwerbungen an der Ostküste (Catalonien, Valencia), wozu noch die Balearen, Sardinien und Sicilien hinzukamen. Als das aragon. Königshaus erlosch, beriefen die Cortes 1412 den Infanten Ferdinand von Castilien als nächstberechtigten Thronerben zum König. Auf diesen folgte 1416 sein Sohn Alfons V. (s. d.). Alfons' Nachkomme, Ferdinand der Katholische (s. Ferdinand II.), vermählte sich 1469 mit Isabella von Castilien und bewirkte durch diese Vermählung die Vereinigung dieser beiden Königreiche. - Castilien (s. d.) andererseits war von Ferdinand III. (s. d.) 1230 definitiv mit Leon vereinigt worden, auch dehnte er durch glückliche Kriege gegen die Araber seine Macht über Murcia, Estremadura, Cordoba, Sevilla und Cadiz aus. Sein Sohn Alfons X. (s. d.), der Gelehrte (1252-84), förderte zwar Wissenschaften und Künste, wurde von einem Teil der deutschen Wahlfürsten zum König gewählt, ließ aber durch verkehrte Regierung sein Reich in Verfall geraten. Nach seinem Tode entstanden Thronstreitigkeiten und Bürgerkriege, die das Reich zerrütteten und die Königsgewalt schwächten. Erst Alfons XI. (1324-50) stellte die Ruhe im Innern wieder her und brach durch seinen Sieg am Flusse Salado 1340 die Macht der Araber im südlichen S. Unter seinen Nachfolgern entstand große Verwirrung, während Adel und Klerus alle Gewalt an sich rissen, so daß, als Isabella I. (s. d.) 1474 den Thron bestieg, die Königswürde ohne Macht und Ansehen war.

Die Vereinigung von Aragonien und Castilien durch die Heirat Ferdinands des Katholischen und Isabellas war zunächst nur eine nominelle, indem beide unabhängig voneinander herrschten. Aber beider Bestrebungen waren auf dasselbe Ziel gerichtet, indem sie, unter Leitung des Kardinals Ximenes (s. d.), vor allem die Macht der Krone möglichst unabhängig vom Adel und der hohen Geistlichkeit zu machen suchten. Das Hauptmittel dazu waren Verstärkung und Organisierung der heiligen Hermandad (s. d.), Verbesserung der Rechtspflege, Erwerbung der Großmeisterwürde der drei Ritterorden und des Rechts, die Bischöfe zu ernennen, vor allem aber die Inquisition (s. d.), die zugleich als polit. Institut diente, um nicht bloß Ketzer und Ungläubige, sondern auch den widerspenstigen Adel und Klerus im Zaum zu halten. Seit dieser Zeit traten in S. Königtum und röm. Kirche in festen Bund zur Unterdrückung aller polit. und geistigen Freiheit. Außer diesen Umgestaltungen im Innern ist Ferdinands und Isabellas Regierung wichtig durch die Eroberung von Neapel und Navarra sowie Granadas (1492), des letzten mohammed. Reichs der Halbinsel, und die gleichzeitige Entdeckung Amerikas.

Unter den Habsburgern. Sämtliche Kinder Ferdinands und Isabellas starben frühzeitig, bis auf die Tochter Johanna, die nach ihrer Mutter Tode (1504) mit ihrem Gemahl, König Philipp I., des Deutschen Kaisers Maximilian I. Sohn, in Castilien zur Regierung kam. Als Philipp 1506 aber starb und Johanna in Wahnsinn verfiel, übertrugen die Stände von Castilien Ferdinand die Vormundschaft über seinen von ihm zum Universalerben eingesetzten Enkel Karl I., den spätern Deutschen Kaiser Karl V. Nach Ferdinands Tode (1516) wußte Ximenes es dahin zu bringen, daß der sechzehnjährige Karl, ungeachtet seine Mutter Johanna noch am Leben war, als König von Castilien und Aragonien anerkannt wurde. Als König Karl 1517 bei seiner Ankunft in S. nur die Ratschläge seiner niederländ. Günstlinge befolgte und den Kardinal Ximenes entließ, erzeugte dies eine allgemeine Unzufriedenheit, so daß während Karls Abwesenheit in Castilien und Valencia ein Aufstand ausbrach, dessen Führer Juan de Padilla (s. d.) war. Der Sieg bei Villalar (1521) und die Hinrichtung Padillas machten der Bewegung ein Ende. Adel und Geistlichkeit schlossen sich dem Throne eng an, die Städte verloren manche polit. Freiheiten, die Cortesversammlungen wagten keinen Widerstand mehr. S.s Ansehen hob sich, besonders in den vier Kriegen, die Karl mit Franz I. von Frankreich führte und durch die er das Herzogtum Mailand erwarb, das zunächst 1521 Francesco II. Sforza erhielt. Zu gleicher Zeit ward durch die