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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Staatsschulen - Staatsverträge

auf Kosten des Staates und der Gläubiger überlassen wird; 3) die allgemeine öffentliche Subskription; 4) damit verwandt das franz. System der Renteninskription durch die Hauptsteuereinnehmer in den Departements.

f. Die Verschiedenheit des Zinsfußes, zu welchem Anleihen begeben werden, äußert sich entweder bei festem Nominalzinsfuß in dem Begebungskurse oder bei Begebung al pari in dem Zinsfuße selbst. Die erstere Art der Begebung ist vorherrschend.

Staatsschulen, s. Schulen.

Staatsseerecht, s. Seerecht.

Staatssekretär, eine dem engl. Recht entnommene Bezeichnung für den Chef eines Verwaltungsressorts. (S. Großbritannien und Irland, Verfassung, 4, b.) Das Staatssekretariat bildete schon seit dem 17. Jahrh. eine Gruppe beweglicher Centraldepartements in gänzlich bureaukratischer Formation und mit einem Recht der Chefs zu gegenseitiger Vertretung. Dem engl. System eigentümlich ist das Princip, daß an der Spitze der Regierung ein leitender Staatsmann steht, welcher, von dem Vertrauen der Parlamentsmajorität getragen, vom König mit der Bildung des Kabinetts beauftragt, die Richtung der Politik bestimmt und im Kabinett eine dominierende Stellung einnimmt. Kein anderes Mitglied des Kabinetts kann ihm Opposition machen; sein Rücktritt hat die Auflösung des Kabinetts zur Folge. Im Gegensatz dazu besteht in Preußen ein Ministerium, welches aus einander gleichberechtigten Verwaltungschefs gebildet ist, von denen jeder für sein Ressort allein und ganz verantwortlich ist. (S. Minister.) Es hat sich demnach der Sprachgebrauch eingebürgert, nur diejenigen Chefs als Minister zu bezeichnen, welche die parlamentarische Verantwortlichkeit für ihr Ressort in vollem Umfange und unmittelbar tragen und darum nach eigenem freiem Ermessen definitiv entscheiden, während man im Gegensatz hierzu die den Ministern untergeordneten Beamten, die an der Spitze der einzelnen Abteilungen die Geschäfte führen, aber nicht im polit. Sinne verantwortlich sind, in mehrern Staaten, z. B. in Preußen, als Unterstaatssekretäre bezeichnet.

Im Deutschen Reich besteht ein dem engl. System ähnliches. Es giebt nur einen verantwortlichen Reichsminister, den Reichskanzler, der die gesamte Politik leitet und dem die Chefs sämtlicher obersten Reichsbehörden untergeordnet sind; für die letztern hat man daher nicht die Bezeichnung Minister, sondern den Amtstitel S. gewählt. (Näheres s. Deutschland und Deutsches Reich, Staatsrechtliches, V.)

Staatsservitut, die auf unbestimmte Zeit und auch bei wesentlicher Veränderung der Umstände nicht kündbare Beschränkung eines Staatshoheitsrechts, welche sich ein Staat in Beziehung auf seinen örtlichen Machtbereich zu Gunsten eines andern Staates durch Vertrag auferlegt, oder die ihm durch unvordenkliche Verjährung auferlegt ist. Man unterscheidet affirmative S., wie z. B. das Recht, auf dem Gebiet eines andern Staates Eisenbahnen zu bauen und zu befahren, und negative, wie das Recht, die Befestigung eines bestimmten Ortes zu untersagen. - Vgl. Clauß, Lehre von den Staatsdienstbarkeiten (Tüb. 1894).

Staatssocialismus, s. Socialismus, Socialpolitik.

Staatsstreich (frz. coup d'état), ein von den Inhabern der Regierungsgewalt (Exekutive) ausgeführter Gewaltakt gegen die Gesetze, namentlich die Verfassungsgesetze. Jeder S. ist eine Unterbrechung des gesetzlichen Zustandes, der Kontinuität der Gesetze. Für den Fall eines Staatsnotstandes und der Unmöglichkeit, die verfassungsmäßigen Formen der Gesetze zu beobachten, hat das moderne Staatsrecht einen besondern Ausweg in den sog. provisorischen Gesetzen geschaffen. Jeder S., in welcher Form, in welchem Umfange und mit welchen Folgen immer er statthabe, liegt außerhalb der Sphäre des positiven öffentlichen Rechts.

Staatsverbrechen, s. Politische Verbrechen und Vergehen.

Staatsverfassung, s. Verfassung.

Staatsvermögen, die Gesamtheit der im Besitze des Staates befindlichen wirtschaftlichen Güter. Das S. darf insbesondere nicht mit dem Nationalvermögen (s. d.) verwechselt werden. Man unterscheidet drei verschiedene Kategorien des S.:

a. Dasjenige Vermögen, welches der Staat nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen zum Erwerbe oder zum Betriebe seiner Wirtschaft verwendet, sog. werbendes oder Finanzvermögen, wie Domänen, Forste, Bergwerke, Fabriken, Kassenbestände u. dgl.

b. Das für Zwecke der Staatsverwaltung, wie öffentliche Gebäude, Kriegsanlagen, wissenschaftliche oder künstlerische Institute u. dgl., in Verwendung stehende, sog. Verwaltungsvermögen.

c. Das dem allgemeinen Gebrauch überlassene öffentliche Gut, wie Straßen, Kanäle, Brücken, öffentliche Denkmäler u. s. w. Da das öffentliche Gut der Schätzung nicht fähig ist, kann ein Inventar des gesamten S. und eine Bilanz des Aktivvermögens mit den Staatsschulden nicht aufgestellt werden. Eine solche Nachweisung des reinen S. ist aber um so weniger notwendig, als der Reichtum eines Staates, und besonders die Fähigkeit, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, nicht in der Größe des S., sondern in der Steuerkraft des Volks liegt, und die Finanzverwaltung ihren Erfolg nicht in der Vermehrung des S., sondern in der entsprechenden Deckung des Staatsaufwandes sucht. Der einzige Großstaat, welcher ein Inventar seines gesamten S. unter Nachweisung des Reinvermögens veröffentlicht, ist Italien. Es stellt sich hierbei in den letzten Jahren ein reines Passivum von über 7 Milliarden Lire heraus. Die sehr schwierige Auseinandersetzung zwischen dem S. des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten, insbesondere bezüglich der Gegenstände der Militär-, Marine- und Postverwaltung, wurde geregelt durch das Gesetz vom 25. Mai 1873, durch welches grundsätzlich das Reichseigentum für alle den Zwecken der unmittelbaren Reichsverwaltung dienenden Mobilien und Immobilien festgestellt wurde.

Staatsverrat, s. Landesverrat.

Staatsverträge, Vereinbarungen unter Staaten in ihrer Eigenschaft als völkerrechtliche Persönlichkeiten über Gegenstände der staatlichen Thätigkeit. Dieselben haben quantitativ und qualitativ eine immer wachsende Bedeutung gewonnen und zwar sowohl die, welche nur unter zwei Staaten über ihre gegenseitigen Beziehungen (Bündnis-, Zoll-, Handels-, Schiffahrts-, Post-, Konsular-, Eisenbahn-, Auslieferungs- u. a. Verträge), als auch diejenigen, welche von mehrern Staaten über allgemeine Fragen (Pariser und Berliner Vertrag über die orient. Frage, Weltpostverein, Meterkonvention, Kongoakte u. a. m.) abgeschlossen wurden. Für Deutschland liegt der Schwerpunkt bei der Reichsgewalt, da diejenigen Zweige der Staatsthätigkeit,