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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Stamma - Stammbuch

aus den gegenseitigen Beziehungen sowie aus der Verzweigungsart eine bestimmte Entscheidung treffen. Alle Organe, die eine unbegrenzte Neubildung von Zellen an ihrem Scheitel und somit auch ein unbegrenztes Längenwachstum besitzen (das Wort unbegrenzt ist hier nicht im allgemeinen Sinne, sondern mit Rücksicht auf die jedem Pflanzenindividuum vorgezeichneten individuellen Grenzen zu verstehen) und ferner die Eigenschaft haben, in akropetaler Reihenfolge seitliche, in ihrem Wachstum begrenzte Auszweigungen, Blätter, zu erzeugen, nennt man Stammorgane oder Stammachsen. Außer den Blättern, entweder gleichfalls in akropetaler Folge oder auch in anderer Weise, können die Stammachsen wiederum Stammachsen hervorbringen, die nun ihrerseits dieselbe Art der Verzweigung wiederholen. Man unterscheidet hiernach zwischen Haupt- und Nebenachsen, oder Stammachsen erster, zweiter, dritter Ordnung u. s. w. Ferner können an den Stammachsen Wurzeln hervorsprossen (s. Wurzel). An jedem Stammorgan können demnach drei verschiedene Verzweigungsformen, Blatt, S. und Wurzel, sich vorfinden, während die Blätter überhaupt keine Verzweigungen und die Wurzeln wieder Wurzeln, niemals aber Blätter und nur in sehr seltenen Fällen Stammorgane bilden. An den jungen, fortwachsenden Scheiteln der S. stehen die Blätter meist dicht gedrängt, später werden sie häufig weit auseinander gerückt (s. Blattstellung), indem die zwischen den einzelnen Blättern oder Blattquirlen liegenden Stammpartien, die Internodien oder Stengelglieder, bedeutend in die Länge wachsen; man bezeichnet diesen Vorgang als interkalares Wachstum. Die Partien, an denen die Blätter sitzen und die somit die Grenzen der einzelnen Internodien bilden, nennt man die Knoten, sie treten in vielen Fällen sehr deutlich hervor, besonders bei Blättern mit scheidenartiger Basis, z. B. an den Halmen der Gramineen. Wo die Blattbasis nur schmal ist und die Blätter ziemlich dicht stehen, wie bei den Heidearten, sind die Knotenstellen äußerlich wenig deutlich gekennzeichnet.

Betreffs der Lebensweise und der Funktion der einzelnen Stammachsen herrschen die größten Verschiedenheiten. In den meisten Fällen leben dieselben über dem Erdboden, stehen entweder aufrecht und ihre Verzweigungen in verschiedenen Winkeln zur Lotrechten, oder kriechen mit ihrem ganzen Verzweigungssystem auf dem Boden hin, oder benutzen andere Gegenstände als Stütze und klettern oder winden sich an denselben in die Höhe. In vielen andern Fällen vegetieren die Stammachsen im Boden und sind hier meist dickfleischig, oder als Knollen, Zwiebeln u. dgl. entwickelt, wobei die Internodien in der Regel nur geringe Längenausdehnung besitzen und die Blätter nur als Schuppen oft in sehr rudimentärer Form vorhanden sind. Derartige Stammachsen nennt man Rhizome; sie lassen sich von den echten Wurzeln sofort durch das Auftreten von Blattorganen oder Blattnarben unterscheiden.

Über S. im anatomischen Sinne s. Rumpf.

In der Sprachwissenschaft heißt S. der Teil des Wortes, der übrigbleibt, wenn, man die Flexionsendungen, d. h. von einem Namen die Deklinations-(Casus-) Endungen, von einem Verbum die Personalendungen abtrennt, z. B. im lat. lectus (gelesen) = älterm lectos ist lecto- der S., -s die Nominativendung des Maskulinums, in est ist es- der S., -t das Suffix der dritten Person des Singulars. Der S. ist entweder gleich der Wurzel, z. B. es- in est, oder aus der Wurzel durch ein Suffix (s. d.) gebildet, z. B. im S. lecto- ist leg- die Wurzel (vgl. lego ich lese), -to- das Suffix des passiven Particips. Ist ein S. unmittelbar aus der Wurzel abgeleitet, so heißt er primär, wird aus einem primären S. durch Hinzufügung weiterer Suffixe ein neuer S. abgeleitet, so heißt dieser sekundär, z. B. lat. lectita- (S. des Verbums lectitare wiederholt lesen), abgeleitet von lecto-. Gleichbedeutend mit S. wird Thema gebraucht. Die Lehre von den S. und ihrer Bildung nennt man Stammbildungslehre (weniger richtig Wortbildungslehre). (S. Ableitung.)

Stamma, Philipp, Schachmeister, gab 1737 zu Paris 100 künstliche Endspiele heraus; er ist der Erfinder der jetzt ziemlich allgemein gültigen Schachnotationen. 1745 erschien sein Buch in erweiterter Auslage zu London; es waren den bisherigen Stellungen noch 74 Spieleröffnungen hinzugefügt. Die gründlichste Kritik der Endspiele S.s liefert die Ausgabe seines Werkes, welche von Bledow (s. d.) und O. von Oppen (Berl. 1856) bearbeitet wurden.

Stammachsen, s. Stamm.

Stammaktie, bei Aktiengesellschaften, die Prioritätsaktien (s. d.) ausgegeben haben, die Urkunde für die ein Vorrecht nicht genießenden Aktionäre und das durch diese Urkunde verbriefte Recht.

Stammbaum (lat. - grch. Stemma), die bildliche Darstellung des zwischen verschiedenen Personen bestehenden verwandtschaftlichen Verhältnisses. (S. Genealogie.) Nach röm. Weise werden die Personen in kleine Kreise eingefügt, der gemeinschaftliche Stammvater obenan, die Abkömmlinge je nach der Entfernung in erster, zweiter, dritter Stufe u. s. f. unter ihn gestellt, und diese auf- oder abwärts durch kleine, nur die unmittelbare kindschaftliche Beziehung andeutende Linien miteinander verbunden. Soll ein vollständiger S. eines Geschlechts dargestellt werden, so fallen die Einzelkreise fort und ganze Geschwisterketten werden in offene Klammern gezogen. Auch wurde in besonders früher beliebter Spielerei der genealog. Aufriß in die Zeichnung eines Baumes (daher der Name S.) eingetragen, so daß der Ahnherr als truncus an die Wurzel des Stammes zu sitzen kommt, und seine Descendenten bis zum Wipfel hinaufreichen. (S. Stammtafel.) - Über die S. der Juden s. Geschlechtsregister.

Stammbaumtheorie, in der Sprachwissenschaft, s. Indogermanen.

Stammbegriff, s. Begriff.

Stammbildungslehre, s. Stamm und Grammatik.

Stammbrüche, s. Bruch (mathematisch).

Stammbuch oder Album, ein Buch, in das Freunde oder Bekannte des Besitzers ihren Namen einschreiben, gewöhnlich unter Hinzufügung eines Denkspruchs oder auch einer Handzeichnung, eines Wappens u. s. w. Die Sitte, S. zu führen, nahm besonders seit dem Anfange des 16. Jahrh. überhand. Im 16. und 17. Jahrh. pflegten reisende Gelehrte und Edelleute ihre S. oder "Gesellenbücher" den Fach- und Standesgenossen, sowie Studenten ihren Professoren und Kommilitonen zur Einzeichnung vorzulegen, so daß S. aus jener Zeit (wie z. B. das S. des Herzogs Philipp II. von Pommern) häufig für Autographensammler, Heraldiker und zuweilen wegen ihrer Miniaturen selbst für Kunstfreunde hohen Wert haben. Auch für Kultur- und Litteraturgeschichte gewähren S. einige Ausbeute. Eine reiche