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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Substituent - Subtraktion

unserm Denken so zu sagen einen Halt zu verschaffen, dessen sie sonst entbehren würden. Das ist der erkenntnistheoretische Grund für das der S. von jeher beigelegte Merkmal der Unzerstörlichkeit oder Beharrlichkeit. In solchem Sinne stellt Kant die S. als einen der Stammbegriffe des Verstandes (Kategorien) fest, dem also nur eine bedingte Gültigkeit in den Grenzen möglicher Erfahrung zukomme. Wo dagegen diese kritische Einsicht fehlte, mußte die S. als eigentlichster Ausdruck für das "Ding an sich" oder die letzte, absolute Grundlage des Erscheinenden dienen. Daher steht der Begriff der S. (seit Aristoteles) im Mittelpunkte der Metaphysik; so bedeutet sie bei Spinoza wie im nachkantischen Idealismus geradezu das Absolute, so sind bei Leibniz die S. seine Monaden u. s. w., und mußte über die letzte Beschaffenheit der S., namentlich um das Verhältnis der denkenden und ausgedehnten S. (Geist und Materie), endloser Streit entstehen, der nach der obigen (Kantischen) Auffassung des Substanzbegriffs ebenso gegenstandslos wird wie der Humesche Zweifel an der Gültigkeit des ganzen Begriffs. - Im gemeinen Leben versteht man unter S. eigentlich die chemisch unterschiedenen Stoffe. Aus besondern histor. Gründen ist zu erklären, daß S. bisweilen auch die Bedeutung der Wesenheit hat; dann heißt die S. einer Sache der wesentliche Kern derselben. So sprach man in der Hegelschen Zeit viel von der S. des Rechts, der S. des Volksgeistes u. dgl.

Substituent (lat.), in der organischen Chemie dasjenige Element oder zusammengesetzte Radikal, das für ein anderes Element substituiert wird (s. Substitution). So ist in der Chloressigsäure, CH2Cl·CO·OH, das Chlor, im Nitrobenzol, C6H5·NO2, die Nitrylgruppe der S.

Substituieren (lat.), an die Stelle eines andern setzen: Substitut, Stellvertreter; Nacherbe. (S. auch Substitution.)

Substitution (lat.), Stellvertretung. In der Chemie heißt S. der durch Ersetzung eines Elementaratoms oder einer ganzen Gruppe solcher (eines zusammengesetzten Radikals) durch andere Atome oder Atomgruppen vor sich gehende chem. Prozeß (Substitutionsprozeß, s. Chemische Prozesse). Die Vorgänge der S. umfassen alle Prozesse der chem. Umsetzung und sind die bei weitem häufigsten unter allen chem. Änderungen. Die S. erfolgt meist nicht durch bloße Verdrängung, sondern in der Weise, daß das Atom oder Radikal, das substituiert wird, bei der Einwirkung eines zweiten Moleküls durch einen Teil desselben gebunden, also aus dem ursprünglichen Moleküle herausgenommen wird, und nun der andere Teil des zweiten Moleküls an den frei gewordenen Platz tritt. So sind z. B. zwei Chloratome eines Chlormoleküls erforderlich, um in einer organischen Verbindung ein einziges Wasserstoffatom zu substituieren, indem das eine der Chloratome mit dem Wasserstoffatom zunächst Chlorwasserstoff bindet und erst darauf das zweite die Stelle des Wasserstoffatoms einnimmt, z. B.:

CH4 + Cl2 = HCl + CH3Cl.

In der Rechtswissenschaft ist S. oder Ersatzberufung Einsetzung eines Erben oder Vermächtnisnehmers an Stelle eines andern zunächst Eingesetzten oder Bedachten für den Fall, daß der letztere nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird (nicht werden will, oder nicht werden kann, z. B. wenn er vor dem Erblasser verstorben ist). Es ist dies die sog. Vulgarsubstitution, welcher gegenübergestellt wird die Pupillarsubstitution (s. d.) und Quasipupillarsubstitution, von manchen auch noch die substitutio fideicommissaria; wegen der letztern s. Erbschaftsvermächtnis. Das Österr. Bürgerl. Gesetzbuch gebraucht Nacherbe (s. d.), das Preuß. Allg. Landrecht Substitut, das Sächs. Bürgerl. Gesetzbuch Nacherbeinsetzung. Ältere Rechte, z.B. die Nürnberger Reform, übersetzen mit Aftererbeinsetzung. Das Deutsche Bürgerl. Gesetzbuch nennt den für den Fall, daß ein Erbe vor oder nach Eintritt des Erbfalls wegfällt, Eingesetzten Ersatzerben, im Gegensatz zum Nacherben, der erst Erbe werden soll, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (§§. 2096 und 2100).

Substitutionsprodukte, chem. Verbindungen, die sich von andern durch Substitution (s. d.) ableiten. Meist beschränkt man den Ausdruck S. auf organische Verbindungen, die aus andern durch Ersetzung von Wasserstoffatomen durch andere Elemente oder Radikale hergestellt werden. So liefert z. B. die Essigsäure, CH3·CO·OH, bei der Behandlung mit Chlor drei S.: die Monochloressigsäure, CH2Cl·CO·OH, Dichloressigsäure, CHCl2·CO·OH, und Trichloressigsäure, CCl3·CO·OH; aus dem Benzol, C6H6, entstehen durch die Einwirkung von rauchender Salpetersäure die Nitrosubstitutionsprodukte des Benzols: Mononitrobenzol, C6H5(NO2), Dinitrobenzol, C6H4(NO2)2, u. s. w. Sind in isomeren organischen Verbindungen die chemischen Orte (s. Kohlenstoffkern), die der Substituent (s. d.) einnimmt, verschieden, so werden sie durch die griech. Buchstaben α, β, γ, δ u. s. w. in der Weise bezeichnet, daß bei Ersetzung von Wasserstoff an einem endständigen Kohlenstoffatom oder in möglichster Nachbarschaft zu gewissen besonders charakteristischen Gruppen eine Alpha-(α-)Verbindung entsteht, eine Beta-(β-)Verbindung dagegen, wenn die Substitution an dem dem α-ständigen benachbarten, eine Gamma-(γ-)Verbindung, wenn sie am nächstfolgenden, eine Delta(δ-)Verbindung, wenn sie an dem diesem folgenden Kohlenstoffatom und so fort, stattfindet. So ist z. B. Buttersäure CH3·CH2·CH2·CO·OH; α-Oxybuttersäure CH3·CH2·CH(OH)·CO·OH; β-Oxybuttersäure CH3·CH(OH)·CH2·CO·OH; γ-Oxybuttersäure CH2(OH)·CH2·CH2·CO·OH.

Substitutionsverfahren, ein Verfahren in der Zuckerfabrikation, s. Melassenentzuckerung.

Substrat (lat.), das Vorliegende, zu Grunde Liegende, Grundlage; Schicht, Lage. In der Philosophie ein Ausdruck für die Substanz als Träger der Accidentien. So heißt die Materie, als das Bewegliche, auch S. der Bewegung u. s. w.

Substruktion (lat.), Unterbau, Fundament (s. Grundbau).

Subsumieren (lat.), unter etwas zusammenfassen, mitbegreifen, daraus folgern. Subsumtion, soviel wie Subordination (s. d.).

Subtil (lat.), zart, fein, spitzfindig; davon das Substantiv Subtilität.

Subtraktion, Subtrahieren (lat., d. h. Abziehen), diejenige der vier Species (s. d.), die zu zwei gegebenen Zahlen oder Großen, dem Minuendus und dem Subtrahendus, eine dritte, die Differenz, finden lehrt, die zu dem Subtrahendus addiert den Minuendus giebt. Die Differenz giebt an, um wie viel der Minuendus größer ist als der Subtrahendus. Das Zeichen der S., das Minuszeichen, ist ein horizontaler Strich (-), der zwischen