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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Torgauer Artikel - Tornado

(1895) 11 780 (7122 männl., 4658 weibl.) E., darunter 809 Katholiken und 15 Israeliten, in Garnison das 2. Bataillon des magdeburgischen Füsilierregiments Nr. 36, das 4. thüring. Infanterieregiment Nr. 72 und die 3. Abteilung des thüring. Feldartillerieregiments Nr. 19, Postamt erster Klasse, Telegraph, evang. Stadtkirche mit Gemälden von Cranach, kath. Kirche, ein großes Schloß Hartenfels, zum größten Teil von Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen erbaut, bis ins 17. Jahrh. kurfürstl. Residenz, unter August III. Zucht- und Irrenhaus, jetzt Kaserne, mit einer 1544 von Luther geweihten Kirche, altertümliches Rathaus mit einer 1873 gegründeten Sammlung sächs. Altertümer, ehemaliges Franziskanerkloster, jetzt Militärlazarett, Landgerichtsgebäude (1820), Kasinogebäude, Artilleriekaserne (1879) und Zeughaus, ferner ein sehr altes Gymnasium, eine Knabenmittel- und höhere Mädchenschule, Krankenhaus, Wasserleitung, Gasanstalt, Schlachthof, städtische und Kreissparkasse, Vorschußverein, Festungsgefängnis; Zündschnurenfabrik, Spiritusbrennerei und Ziegeleien. In T., wo früher häufig die sächs. Kurfürsten residierten, wurde 1526 ein Bündnis zwischen Johann dem Beständigen von Sachsen und Philipp von Hessen abgeschlossen. Hier wurden 1530 die Torgauer Artikel (s. Augsburgische Konfession) und 1576 das Torgauische Buch (s. Konkordienformel) entworfen. Im Dreißigjährigen Kriege hatte die Stadt viel zu leiden. Im Siebenjährigen Kriege war sie Sitz des preuß. Feldkriegsdirektoriums und wurde durch die Schlacht bei T. (s. Süptitz) 3. Nov. 1760, in der die Österreicher unter Daun von Friedrich II. geschlagen wurden, bekannt. Auf Napoleons I. Befehl wurde T. 1810 in eine starke Festung umgewandelt. Ende 1813 wurde die Stadt von Tauenzin belagert; sie ergab sich 14. Jan. 1814. Im J. 1815 fiel T. an Preußen. Die Festung ist 1891 aufgelassen, und die Werke sind größtenteils in den Besitz der Stadt übergegangen. - Vgl. Grulich, Denkwürdigkeiten der kurfürstl. Residenz T. aus der Zeit der Reformation (Dess. 1834; 2. Aufl., von Bürger, Torg. 1855); Knabe, Geschichte der Stadt T. bis zur Zeit der Reformation (Torg. 1880).

Torgauer Artikel, s. Augsburgische Konfession.

Torgauisches Buch, s. Konkordienformel.

Torgelow, preuß. Dorf, s. Bd. 17.

Torghu, alger. Seeräuber, s. Dragut.

Torgot, ein Hauptstamm der Kalmücken (s. d.).

Torhowica, s. Targowiza.

Tories (spr. tohris), s. Tory.

Torino, der ital. Name für Turin (s. d.).

Torlonia, röm. Bankierfamilie, deren erster namhafter Vertreter der 1754 zu Siena in niedrigen Verhältnissen geborene Giovanni T. ist. Als geschickter Spekulant erwarb er bei den Umwälzungen der Französischen Revolution große Reichtümer, kaufte von der Familie Odescalchi das Herzogtum Bracciano, erhielt 1809 den Herzogstitel und starb 25. Febr. 1829 in Rom. - Sein ältester Sohn, Marino T., geb. 6. Sept. 1796 zu Rom, gest. 30. Sept. 1865, war der Stifter der herzogt. Linie. Sein Enkel, Herzog Leopoldo T., geb. 25. Juli 1853, das jetzige Haupt dieser Linie, war Bürgermeister von Rom und wurde im Jan. 1888 abgesetzt wegen der Glückwünsche, die er Leo XIII. zu seinem Priesterjubiläum im Namen der Stadt ohne Ermächtigung aussprach.

Der dritte Sohn Giovanni T.s, Don Alessandro, Fürst von Civitella-Cesi, Musignano, Canino, Farnese und Fucino, geb. 1. Jan. 1800, nach dem Tode des ältern Bruders Marino der Hauptleiter der Geschäfte, war der eigentliche Mehrer der vom Vater ererbten Reichtümer durch eine langjährige Pacht der Salz- und Tabakregie in Rom und Neapel, günstige Anleihen, große industrielle Unternehmungen und die 1852-75 mit einem Kostenaufwande von 30 Mill. Frs. vermittelst Kolmation (s. d.) durchgeführte Trockenlegung des Fuciner Sees, durch welche er 14 500 ha fruchtbarsten Landes gewann. Bedeutende Mittel verwandte er für wohlthätige Anstalten. Die ihm gehörige Altertümersammlung an der Lungara in Trastevere ist durch Zahl und Wert der meist aus seinen ausgedehnten Besitzungen (bei Ostia und anderwärts) stammenden Fundstücke eine der bedeutendsten in Rom. Auch die berühmte Villa Albani mit ihren Kunstschätzen kam 1866 in seinen Besitz. Er starb 7. Febr. 1886 in Rom. Fürst Alessandro war vermählt mit Teresa, Fürstin Colonna-Doria, geb. 22. Febr. 1823, gest. 17. März 1875. Seine einzige Tochter und Universalerbin, Donna Anna Maria, Herzogin von Ceri, geb. 8. März 1855, ist seit 24. Okt. 1872 vermählt mit dem Fürsten Giulio Borghese (geb. 19. Dez. 1847), der 1875 für sich und seine Nachkommen den Namen T. angenommen hat.

Tormentilla, Tormentillrot, s. Potentilla.

Tormes, 230 km langer, linker und stärkster Nebenfluß des Duero, entspringt im Süden der altcastil. Provinz Avila, nördlich von Novarredonda (1585 m ü. d. M.), fließt durch das reizende Thal von Bohoyo entlang der Nordseite der Sierra de Gredos, wendet sich bei El Barco de Avila (1014 m) nach Norden in die Provinz Salamanca, berührt Salamanca (807 m) und bildet schließlich die Grenze zwischen Salamanca und Zamora.

Torna. 1) Ehedem das kleinste Komitat in Ungarn, mit 618,64 qkm und (1880) 17 117 E., ist mit dem Komitat Abauj zum Komitat Abauj-Torna (s. d.) vereinigt. - 2) T. oder Turnya, Klein-Gemeinde und Hauptort eines Stuhlbezirks (21 002 E.) im Komitat Abauj-Torna, ehemals Hauptort des Komitats T., an dem zur Bodva gehenden Tornavicz und der Linie Kaschau-T. (42 km) der Ungar. Staatsbahnen, hat (1890) 1468 meist kath. magyar. E., got. kath. Kirche (14. Jahrh.) auf einem befestigten Hügel, Ruine des alten Schlosses T., grast. Keglevicssches Kastell; Gärten, Waldungen und Weinbau.

Tornacum, s. Tournai.

Tornado (span.), Luftwirbel (s. d.) von größerer Ausdehnung als die Wettersäulen und Tromben. Sie zeigen sich in Nordamerika und zwar hauptsächlich in dem Streifen östlich vom Mississippi, längs des Ohio, an den Seen vorbei bis an die Küste des Atlantischen Oceans. Sie treten hier zu allen Jahreszeiten auf, am häufigsten vom April bis Juli. Die Breite der Bahn war bei 31 T. zwischen 50-2400 m, wodurch zugleich die Durchmesser der Wirbel bestimmt sind. Die Geschwindigkeit der Fortbewegung betrug bei denselben Wirbeln zwischen 5 und 27 m in der Sekunde. Die gesamte Bahnlänge war außerordentlich verschieden, die längste betrug 1280, die kürzeste 3 km. Die Richtung der Bewegung ist meist von SW. nach NO. Die T. erscheinen meist als ungeheure Säulen oder als aus den Wolken niederhängende Elefantenrüssel. In ihrer Umgebung zeigt die Luft meist stürmische Bewegung, die stets nach der Säule zugekehrt ist. Bedeutend ist namentlich die saugende Wirkung des vertikalen Stromes, worauf sich hauptsächlich die zerstörende explosionsartige Wir-^[folgende Seite]