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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tuberkelisierung; Tuberkulōse

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Tuberkelisierung – Tuberkulose

anzuwenden. Beim Gesunden bewirkt eine Einspritzung von 0,25 ccm T. vorübergehend heftigen Schüttelfrost, Fieber, Übelkeit und Atembeschwerden, während Einspritzungen von 0,01 ccm keinerlei Krankheitserscheinungen zur Folge haben. Beim Tuberkulösen dagegen tritt auf die letztgenannte Dosis des Mittels nicht bloß hohes Fieber mit schweren Allgemeinerscheinungen, sondern auch eine lebhafte örtliche Reaktion des erkrankten Organs ein, insbesondere eine heftige Entzündung in der Umgebung der tuberkulösen Herde mit Ausgang in Eiterung und Abstoßung. Über die therapeutische Anwendung des T. am tuberkulösen Menschen sind die Akten noch nicht geschlossen. Eine sichere Bedeutung besitzt das T. für diagnostische Zwecke.

Nachdem Koch bereits seit mehrern Jahren für Heilzwecke besondere Präparate benutzte, bei welchen die entzündungerregenden Eigenschaften geringer sind, ist es ihm neuerdings gelungen, durch Verreiben frischer Tuberkelbacillenkulturen, Aufschwemmen der gewonnenen Masse und Centrifugieren neue Präparate darzustellen, von denen er sich großen Erfolg verspricht. – Vgl. Koch, Über neue Tuberkulinpräparate (Lpz. 1897).

Tuberkelisierung, s. Eiter.

Tuberkulōse (Tuberculosis), eine akut oder chronisch verlaufende Infektionskrankheit, die sich durch die Ablagerung hirsekorngroßer grauer oder gelblicher durchscheinender Knötchen oder Tuberkeln (tubercula) in den verschiedenen Organen (Lungen, Leber, Darmschleimhaut, Gehirnhaut, Lymphdrüsen, Knochen u. s. w.) charakterisiert, die durch ihre pathol. Veränderungen meist eine Erweichung und Schmelzung der Gewebe, häufig auch eine allgemeine Blutentmischung und Verderbnis der Säfte zur Folge haben. Unter dem Mikroskop betrachtet, zeigt sich der frische Tuberkel im wesentlichen aus kleinen rundlichen, zierlich angeordneten Zellen zusammengesetzt, die ein oder mehrere große Zellen (sog. Riesenzellen) umschließen. Sehr bald nach seinem Entstehen beginnt der Tuberkel von seiner Mitte aus zu atrophieren und sich in eine trockne, gelbe, käsige Masse zu verwandeln; die Ursache dieser sog. Verkäsung des Tuberkels liegt ohne Zweifel in einer unzureichenden Ernährung desselben durch die umgebenden Blutgefäße. Der verkäste Tuberkel erfährt nun nach einiger Zeit weitere Veränderungen, indem er entweder eintrocknet und durch Ablagerung von Kalkmassen steinhart wird, in welchem Zustand er zeitlebens, und ohne weitere Beschwerden zu verursachen, verharren kann, oder indem er, was der häufigere Fall ist, allmählich erweicht und zu einer dicken rahmähnlichen Flüssigkeit (Tuberkeleiter oder Tuberkeljauche) zerfließt. Durch diese Erweichung oder Schmelzung der Tuberkel entsteht auf den Schleimhäuten das sog. tuberkulöse Geschwür, in parenchymatösen Organen die tuberkulöse Kaverne oder Höhle (Vomica), ein bis faustgroßer rundlicher oder unregelmäßig gestalteter Hohlraum, der mit graugelber dünneitriger oder eitrig-käsiger Flüssigkeit, häufig auch mit gelblichen Bröckeln erfüllt und in seinen Wandungen tuberkulös infiltriert ist. Durch die tuberkulösen Geschwüre und Kavernen kann nicht nur das tuberkulöse Organ allmählich vollständig zerstört, sondern auch der Gesamtorganismus infolge des begleitenden Fiebers und gewisser Folgezustände (fettige und amyloide Entartung, Thrombosen u. a.) schließlich zu Grunde gerichtet werden (Schwindsucht, Phthisis). Doch kommt nicht selten eine Art von Heilung des tuberkulösen Prozesses durch Bildung von Narbengewebe vor.

Über die Ursachen der T. hat Robert Koch hinreichende Klarheit verschafft. 1865 führte Villemin den direkten experimentellen Beweis, daß die T. durch Impfung übertragen werden kann (sog. Impftuberkulose). Ebenso leicht gelingt es, durch das Einatmen fein zerstäubten Auswurfs tuberkulöser Personen bei ganz gesunden Hunden eine weit verbreitete Lungentuberkulose hervorzurufen. 1882 wies Robert Koch nach, daß in allen tuberkulösen Organen und Auswurfsstoffen regelmäßig mikroskopisch kleinste niedrige Organismen aus der Klasse der Spaltpilze oder Schizomyceten, die Tuberkelbacillen, vorkommen, daß man dieselben auch außerhalb des Tierkörpers in künstlichen Nährsubstanzen rein zu züchten und mit den nach mehrern Generationen erhaltenen unvermischten Pilzen bei jedem Versuchstier wiederum künstlich die T. hervorzurufen im stande ist. Damit war experimentell erwiesen, daß die T. eine infektiöse, durch eine specifische Bakterienart hervorgerufene Krankheit ist.

Der Tuberkelbacillus (Bacillus tuberculosis Koch, s. Tafel: Bakterien, Fig. 1) ist ein sehr schmaler, langer, unbeweglicher Bacillus, häufig von leicht gebogener Gestalt und je nach dem Nährboden wechselnder Ausbildung; seine Länge entspricht etwa einem Drittel des Durchmessers eines roten Blutkörperchens. Sehr häufig erscheint er in Form gefärbter Körnerreihen; die ungefärbten Partien einer solchen Reihe wurden früher für Sporen gehalten; der Tuberkelbacillus bildet jedoch keine Sporen und ist daher auch gegen hohe Hitzegrade nicht widerstandsfähig. Specifische Färbungsmethoden, die auf die große Widerstandsfähigkeit der Bacillen gegen Säuren basiert sind, bedingt durch zwei im Körper enthaltene Substanzen, die zu den ungesättigten Fettsäuren gehören, gestatten eine absolut sichere Diagnose der Bacillen gegenüber andern Bacillenformen. Die Bacillen wachsen nur unter sehr eng begrenzten Bedingungen, zwischen 30‒40° C. Temperatur (am besten bei der Körpertemperatur 37,5°), auf Blutserum, Glycerinagar, schwieriger auch auf Kartoffeln. Demnach können die Bacillen sich in der Außenwelt nicht vermehren, wohl aber erhalten sie sich, worauf die weit verbreitete Gefahr der Ansteckung beruht. Das Abtöten der Bacillen zum Zweck der Desinfektion geschieht am sichersten durch Kochen in strömendem Wasserdampf. Gegen die Magenverdauung sind die Bacillen geschützt, so daß sie durch den Magen hindurch noch virulent in den Darm gelangen und diesen infizieren können.

Getrockneter bacillenhaltiger Auswurf von Tuberkulösen behält wochenlang seine Ansteckungsfähigkeit, wird leicht in kleinsten Partikelchen vom Luftstrom fortgeführt, gelangt beim Einatmen direkt in die Luftwege und kann hier wiederum T. erzeugen, wenn sonst die Bedingungen der weitern Entwicklung der eingeatmeten Bacillen günstig sind. In einer gesunden Lunge vermögen sich diese nur schwer anzusiedeln, da das schützende Epithel der Schleimhäute ihrem Eindringen in die Gewebe einen wirksamen Widerstand entgegensetzt; nur wo die Schleimhaut infolge von Katarrhen, Entzündungen, stagnierendem und sich zersetzendem Sekret von Epithel entblößt ist, ferner nur in schlaffem und blutleerem Gewebe sind die Tuberkelbacillen im stande, sich ein-^[folgende Seite]