152
Vagabundae – Vaihingen
bundenwesen wieder zunimmt. Es zeigt sich daher in neuerer Zeit wieder eine beachtenswerte Bewegung, freiwillige Arbeitsstätten, Arbeitsvermittelungsstellen, Arbeitsnachweisungsbureaus (s. d.) und Arbeitslosigkeitsversicherungen (s. d.) zu errichten. – Vgl. Rud. Elvers, Zur Vagabundenfrage,12 Thesen und ein Entwurf zu einem Reichsgesetz (Berl. 1882); C. J. R. Turner, A history of vagrants and vagrancy and beggars and begging (Lond. 1887); E. Robin, Hospitalité et travail on les préventifs de combattre la mendicité et la vagabondage (Par. 1887); H. Stursberg, Die Vagabundenfrage (Düsseld. 1882); Münsterberg, Die deutsche Armengesetzgebung und das Material zu ihrer Reform (Lpz. 1887); Köhne, Die Arbeiten des Internationalen Gefängniskongresses in Rom (in von Liszts «Zeitschrift für Strafrechtswissenschaft», Bd. 9, 1889); Hippel, Die strafrechtliche Bekämpfung von Bettel, Landstreicherei und Arbeitsscheu (Berl. 1895); Artikel Landstreicherei im «Österr. Staatswörterbuch», Bd. 2 (Wien 1896).
Vagabundae, s. Jagdspinnen.
Vaganten, soviel wie Vagabunden (s. d.). V., fahrende Schüler oder Goliarden hießen im Mittelalter die Kleriker, die kein ständiges Kirchenamt, das sie ernährt hätte, besaßen und ein unstetes, vagabundierendes Leben führten. Zu Ende des 11. Jahrh. rekrutierten sich die V. namentlich aus den Hörern der alten Kloster- und Stiftschulen, die von Schule zu Schule oder auch ziellos teils einzeln, teils in Schwärmen im Lande umherzogen und ein zügelloses Leben führten. Nur die lat. Sprache und die höhere Bildung erhoben sie über die zerlumpten fahrenden Leute ihrer Zeit. Viele Synoden erließen Verdammungsurteile gegen sie und belegten selbst die mit Strafen, die ihnen Nahrung oder Kleidung reichten. Die V. waren die Hauptträger der übermütigen formgewandten Studentenpoesie des Mittelalters, ihr größter Dichter der Archipoeta (s. d.). Eine Sammlung von Vagantenliedern ist in den Carmina burana (s. d.) erhalten. – Vgl. J. Grimm, Gedichte des Mittelalters auf König Friedrich Ⅰ. den Staufer (Berl. 1844); Giesebrecht in der «Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Litteratur», Bd. 3 (1853); Laistner, Golias. Studentenlieder des Mittelalters (Stuttg. 1879); N. Spiegel, V. und Bacchanten (Augsb. 1888); ders., Die V. und ihr «Orden». Programm (Speyer 1892). (S. auch Bacchanten, Fahrende Leute, Goliarden.)
Vág-Besztercze (spr. wahg béßterze), ungar. Name von Waag-Bistritz (s. d.) im Komitat Trentschin.
Vagieren (lat.), herumschweifen.
Vagīna (lat.), die Scheide, Mutterscheide; Vaginismus, der Scheidenkrampf; Vaginītis, der Scheidenkatarrh (s. Leukorrhöe).
Vagināten, eine Gruppe untersilurischer Orthoceratiten (s. d.), merkwürdig durch die Dicke der die Luftkammern durchsetzenden, aus zahlreichen ineinandergesteckten Scheiden (vaginae; s. vorstehende Abbildung, a im Quer-, b im Längsschnitt) bestehenden Röhre (des Sipho) und als wichtige Leitfossilien der nordischen, in Glacialgeschieben während der Eiszeit über Norddeutschland verstreuten Vaginatenkalke.
^[Abb.]
Vaginoskōp (lat.-grch.), elektro-endoskopisches Instrument zur Untersuchung der Scheide, s. Beleuchtungsapparate (medizinische).
Vág-Ujhely, ungar. Name von Waag-Neustadtl (s. d.) im Komitat Neutra.
Vagus (lat.), herumschweifender Nerv, s. Gehirn; Vagusneurosen, Erkrankungen, die durch den Einfluß des zehnten Hirnnervenpaars entstehen.
Vahl, hinter lat. Pflanzennamen Bezeichnung für Martin Vahl, geb. 1749 zu Bergen, gest. 1804 als Professor der Botanik in Kopenhagen. Er war Schüler Linnés und besaß ein wertvolles Herbarium.
Vahlen, Joh., Philolog, geb. 27. Sept. 1830 zu Bonn, studierte daselbst Philologie, habilitierte sich 1854 an der dortigen Universität, wurde 1856 außerord. Professor der klassischen Altertumskunde in Breslau, 1858 ord. Professor in Freiburg i. Br. und im Juli desselben Jahres in Wien, wo er zugleich Direktor des philol. Seminars und Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungskommission wurde. Seit 1862 wirkliches Mitglied der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, folgte er 1874 einem Rufe nach Berlin. Auch hier wurde er zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt. Von V.s philol. Arbeiten sind zu nennen: «Ennianae poesis reliquiae» (Lpz. 1854), «Naevii de bello Punico reliquiae» (ebd. 1854), «Ulpiani liber regularum» (Bonn 1856), «In Varronis saturarum Menippearum reliquias coniectanea» (Lpz. 1858), «Analecta Noniana» (ebd. 1860), «Lorenzo Valla» (Wien 1864; 2. Aufl., Berl. 1870), «Laurentii Vallae opuscula» (3 Hefte, Wien 1869), «Beiträge zu Aristoteles’ Poetik» (4 Hefte, ebd. 1865‒67), «Aristotelische Aufsätze» (3 Hefte, ebd. 1872‒74), die Ausgabe von Aristoteles’ «De arte poetica» (3. Aufl., Lpz. 1885), Ciceros «De legibus» (2. Aufl., Berl. 1883), Plautus’ «Menaechmi» (ebd. 1882), die Neubearbeitungen von Haupts Ausgaben des Horatius (Lpz. 1881) und Catullus, Tibullus und Propertius (ebd. 1879 u. 1885), sowie von O. Jahns Ausgabe von Longinus’ «De sublimitate» (Bonn 1887), ferner die Herausgabe von Karl Lachmanns «Kleinern Schriften» zur klassischen Philologie (Berl. 1876), von dessen Lucilius (ebd. 1876) und von dessen «Briefen an M. Haupt» (ebd. 1892). Ferner schrieb er «Zur Erinnerung an K. Lachmann» (Berl. 1892). V. war längere Zeit Mitherausgeber der «Zeitschrift für österr. Gymnasien» und der philol. Zeitschrift «Hermes».
Vahman, pers. Gottheit, s. Bahman.
Vahrn, Dorf in der österr. Bezirkshauptmannschaft und dem Gerichtsbezirk Brixen in Tirol, 3 km nördlich von Brixen, am Ausgange des Schalderer Thals in das Eisackthal, in 666 m Höhe, an der Brennerbahn, hat (1890) 920, als Gemeinde 988 E. und ist wegen seiner geschützten Lage und seines milden Klimas ein viel besuchter Erholungsort. Oberhalb V. die Ruine Salern.
Vāiçyās, Ackerbauer, eine der ind. Kasten (s. d.).
Vaihingen. 1) Oberamt im württemb. Neckarkreis, hat 191,81 qkm und (1895) 21412 (10470 männl., 10942 weibl.) E. in 3 Stadt- und 19 Landgemeinden. – 2) V. an der Enz, Oberamtsstadt im Oberamt V., links an der Enz, in 218 m Höhe, an der Linie Bretten-Stuttgart-Ulm (Station V.-Sersheim) der Württemb. Staatsbahnen, Sitz eines