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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Verwandtschaftszucht - Verzierung

ders., Folgen, Bedeutung und Wesen der Blutsverwandtschaft (2. Aufl., Neuwied 1892).

Über chemische V. s. Affinität.

Verwandtschaftszucht, s. Inzucht.

Verwechselung, enharmonische, in der Musik ein Wechsel oder plötzlicher Übergang der Harmonie aus Kreuz(♯)-Tonarten in die gleich klingenden Be(♭)-Tonarten, oder umgekehrt. Eine derartige V. ist in erster Linie berechtigt, wenn eine unerwartete Hebung oder Herabdrückung der Stimmung stattfindet. Ein zweiter häufiger Anlaß zur V. liegt in der leichtern Lesbarkeit.

Verweis, die Erklärung, daß die Handlungsweise dessen, dem der V. gegeben wird, eine zu mißbilligende, ungesetzliche gewesen sei. Als Strafe ist der gerichtliche V. eine Ehrenstrafe, die als leichteste angesehen wird und in den neuern Gesetzgebungen meist da Anwendung findet, wo jede andere Strafe bei der Geringfügigkeit der zu ahnenden, obgleich unter ein Strafgesetz fallenden Handlung unangemessen wäre. Das Reichsstrafgesetzbuch hat ihn in §. 57, 4 bei jugendlichen Personen zwischen 12 und 18 Jahren für besonders leichte Vergehens- und Übertretungsfälle wieder eingeführt. Außerdem kommt er als Disciplinarstrafe vor.

Verweisungsbeschluß, der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens in Strafsachen (s. Eröffnung des Hauptverfahrens), der zugleich die Verweisung der Sache vor ein bestimmtes Strafgericht ausspricht (§. 205 der Deutschen Strafprozeßordnung).

Verwendung, s. Impensen und Nützliche Verwendung; s. auch Väterliche Gewalt.

Verwendungsbereich, im Seekriegswesen, s. Aktionsradius.

Verwerfen der Haustiere (Abortus), Verkalben, Versohlen, die verfrühte Geburt einer noch nicht ausgetragenen Frucht, und zwar spricht man von Frühgeburt, wenn die Frucht bereits in einem lebensfähigen Alter sich befindet, und von einer Fehlgeburt, wenn dieses noch nicht der Fall ist. Von besonderer Wichtigkeit ist das seuchenartige V. der Kühe. Hierbei spielt ein im Stall vorhandener Ansteckungsstoff eine Rolle; derselbe haftet auch an dem Ausflusse der verkalbenden Kühe und kann mittels desselben auf gesunde Kühe übertragen werden. Die Krankheit ist in hohem Grade ansteckend. Beim Auftreten des V. müssen daher die gesunden trächtigen Kühe sofort nach einem andern Stalle gebracht werden. Außerdem empfehlen sich Waschungen der Geschlechtsteile mit Carbolwasser und Einspritzungen von Carbolwasser unter die Haut der Tiere. Der angesteckte Stall ist sorgfältigst zu desinfizieren.

Verwerfung, die mehr oder minder vertikale Verschiebung der Teile einer ursprünglich einheitlichen und zusammenhängenden Masse an einer sie durchsetzenden Kluft oder Spalte. (S. Erzlagerstätten.) In einem Schichtensystem liegt an einer V. eine und dieselbe Schicht auf beiden Seiten der Verwerfungsspalte in verschiedenem Niveau. Solche V. machen sich namentlich beim Abbau der Steinkohlenflöze fühlbar, weil letztere durch sie plötzlich und haarscharf abgeschnitten werden. Das Maß der V. kann wenige Centimeter bis mehrere tausend Meter betragen. Die genauere geolog. Kartierung der Länder hat solche V. fast überall in großer Anzahl kennen gelehrt. Zu V. in weiterm Sinne gehören auch die seitlichen Verschiebungen der Teile eines Schichtensystems. (S. Schichtenstörungen.)

Verwesung, s. Fäulnis.

Verwindung, s. Torsion.

Verwirrtheit, s. Geisteskrankheiten.

Verwitterung, ein chem. Prozeß, bei dem sich eine feste Substanz lockert und pulverig zerfällt. So verwittern z. B. die Silikatgesteine, indem sie durch die Kohlensäure der Luft und das Wasser zersetzt werden. Von den Verwitterungsprodukten werden dabei einige durch eindringendes Wasser gelöst, andere nur fortgeschwemmt. Krystallwasserverbindungen verwittern an der Luft durch Verlust an Wasser, das verdampft, krystallwasserfreie Salze auch wohl durch Verbindung mit Wasser, wie z. B. der Anhydrit, der durch Wasseraufnahme in Gips übergeht. (S. Krystallwasser.) Die Wirkung der V. auf die Form der Gesteinsmassen richtet sich nach der petrograph. und chem. Zusammensetzung der letztern, nach geogr. Lage, Höhenlage, Zeitdauer u. s. w.

Verzahnter Balken, s. Verstärkung der Hölzer. Über verzahnte Räder s. Zahnräder.

Verzahnung, s. Steinverbände und Verknüpfung (der Hölzer).

Verzapfung, s. Verknüpfung (der Hölzer) und Sparren.

Verzerrtsehen, s. Gesichtstäuschungen.

Verzicht, die Aufgabe eines Rechts oder einer rechtlichen Befugnis. Verzichtbar sind nicht bloß Vermögensrechte, sondern auch prozessuale Befugnisse, selbst, wenn der Prozeß nicht um Vermögensrechte geführt wird, z. B. Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen, Rechtsmittel, auch im Strafprozeß. Verzichtbar sind ferner Ehescheidungsgründe, Anfechtungsrechte und Einreden. Unverzichtbar ist das eheliche und das Verwandtschaftsverhältnis. Soweit ein Recht verzichtbar ist, geht dasselbe in der Regel durch den Ausspruch des V. in der etwa landesgesetzlich für den V. vorgeschriebenen Form unter. Doch muß beim Eigentum Aufgabe des Besitzes, bei Forderungsrechten Annahme des V. durch den Schuldner hinzutreten. Nach Preuß. Allg. Landrecht genügt aber auch hier einseitige Entsagung, wenn sie vor Gericht erklärt ist. Dasselbe gilt nach der Deutschen Civilprozeßordnung für den V. auf Rechtsmittel und auf den Einspruch. Recht häufig gelten V. als stillschweigend erklärt, wenn der Berechtigte bei Handlungen mitwirkt oder solche geschehen läßt, welche seinem Rechte widersprechen, während der Handelnde erwarten durfte, der Schweigende würde widersprechen, wenn er sich ein Recht zuschrieb oder dasselbe aufrecht erhalten wollte (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §. 151). Ungültig ist ein im voraus erklärter V. auf Ansprüche aus Arglist oder grober Verschuldung der Gegenpartei. Im Preuß. Allg. Landrecht wird V. nur für die Aufgabe zukünftiger, Erlaß für die Aufgabe erworbener Rechte gebraucht, während Entsagung als allgemeiner Begriff angewendet wird. V. auf den ledigen Anfall bedeutet den V., welchen Prinzessinnen bei ihrer Verheiratung für sich und ihre Abkömmlinge auf die Thronfolge und das Landesvermögen bis zum Aussterben des Mannsstammes erklären.

Verzierung, in der bildenden Kunst, s. Ornament. – In der Musik heißen V. kleine Tonfiguren und Hilfsnoten, die zur Steigerung des Ausdrucks, zur Belebung und Verfeinerung der Form zwischen die Hauptnoten der Melodie eingefügt werden. Wie gewisse Zeichen der Neumennotation beweisen, sind die V. eine alte Erscheinung; besondere Ausbildung erfuhr ihr System durch die ital. Gesangskunst und die in ihr ausgearbeiteten Gesangschulen. Die Fran-^[folgende Seite]