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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Volksbildungsvereine; Volksbrausebäder; Volksbücher

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Volksbildungsvereine - Volksbücher

Eine Statistik für Deutschland giebt es nicht. In Großbritannien und Irland giebt es (1897) 330 Public Libraries, davon im eigentlichen England 265; die jährlich ausgeliehenen Bände werden auf 27 Mill., die Gesamtbesuchsziffer auf 60 Mill. geschätzt. In den Vereinigten Staaten zählte man 1896 allein 627 Free Public Libraries mit mehr als 3000 Bänden; der Bestand war 9 Mill. Bände; ausgeliehen waren im letzten Berichtsjahr27 Mill. Bände.

Die folgende Tabelle namhafter populärer Bibliotheken giebt die Zahlen in Tausenden:

Städte Jahr Einw. Jährl. Etat M Entlieh. Bde. Lese-Saal Bücher Gesamtbenutzung

Birmingham 1896 478 270 1026 191 7‒8000

Liverpool 1896 518 270 632 239 2331

Manchester 1895/96 508 400 978 420 ca. 6000

Boston 1896 494 1000 1005 keine Statistik

Chicago 1895/96 1750 600 1174 364 2543

Berlin 1896/97 1677 ca. 30 543 - -

Lesehalle 1896 5,3 - 16 48

Graz 1896 112 ca. 10 175 - -

Wien 1896 1342 27 870 - -

Vgl. Reyer, Entwicklung und Organisation der V. (Lpz. 1893); ders., Handbuch des Volksbildungswesens (Stuttg. 1896); Nörrenberg, Die V., ihre Aufgabe und ihre Reform (Kiel 1896); Greenwood, Library Year Book (Lond. 1897); Roß, Öffentliche Bücher- und Lesehallen (Hamb. 1897).

Volksbildungsvereine, s. Arbeiterbildungsvereine und Bildungsvereine.

Volksbrausebäder, s. Bd. 17.

Volksbücher, kurze prosaische Bearbeitungen deutscher und roman. Sagenstoffe, die sich vom Ende des Mittelalters bis auf die Neuzeit in der Gunst des Volks erhalten haben. Sie wurden nicht auf dem gewöhnlichen buchhändlerischen Wege vertrieben, sondern, mit schlechten Holzschnitten ausgestattet, «gedruckt in diesem Jahre», von Hausierern und auf den Jahrmärkten feilgeboten. Zum größten Teil beruhen die V. auf deutschen Prosafassungen, die den mittelalterlichen Romanstoffen im 15. und 16. Jahrh. gegeben wurden, und die ursprünglich auch auf die vornehmsten Kreise berechnet waren. So setzte man, mit engem Anschluß an das mittelhochdeutsche Epos Wirnts von Gravenberg, den «Wigalois» in Prosa um (1472; erster Druck, Augsb. 1493), ebenso den «Tristan», aber nicht nach der Bearbeitung Gottfrieds von Straßburg, sondern nach der Eilharts von Oberge (Augsb. 1484 u. ö.; neu hg. von Pfaff, Tüb. 1881); endlich den «Wilhelm von Österreich» von Johann von Würzburg (Augsb. 1481). Von der deutschen Heldensage erschienen untergeordnete und rohe poet. Bearbeitungen einzelner Stücke wiederholt im Druck (das «Heldenbuch», s. d., 1491 u. ö.; der «Kleine Rosengarten» oder «König Laurin», 1509; «Hörnern Seyfried», um 1540; ein Lied «von Diderick von Bern», um 1560), während die bedeutendsten aus ihr hervorgegangenen Dichtungen, wie das Nibelungenlied, unbeachtet blieben; nur ein ziemlich gleichgültiger Teil der Nibelungensage, Siegfrieds Jugendgeschichte, gestaltete sich, und zwar erst spät, zu dem prosaischen Volksbuche vom gehörnten Siegfried (s. d.). Dagegen ward unmittelbar zum Volksbuche der Reineke Vos (s. d.) in seiner damaligen poet. Gestalt (Lüb. 1498). Auf deutsche Sage und Geschichte beziehen sich das gereimte Volksbuch von dem Ritter von Staufenberg (um 1480; überarbeitet von Fischart, 1588), das prosaische von Kaiser Friedrich Barbarossa (zuerst 1519) und das von Herzog Ernst (Straßb., o. J.; Erfurt 1502), das auf einer lat. prosaischen Fassung, nicht auf einem deutschen Gedicht beruht; ebenso gründet sich Heinrich Steinhöwels zum Volksbuch gewordene Bearbeitung des Apollonius von Tyrland (Augsb. 1471) nicht auf das deutsche Gedicht Heinrichs von der Neustadt, sondern auf die ältere lat. Erzählung von unbekanntem Verfasser. Dem Inhalt nach schließen sich zunächst an die wunderbaren Reiseabenteuer dieser beiden Bücher verschiedene Reisebeschreibungen, unter denen die Marco Polos und Mandevilles als V. beliebt waren.

Dasjenige Stoffgebiet aber, das der Litteratur der deutschen V. ihr charakteristisches Gepräge giebt, waren die zahlreichen Übersetzungen aus dem Französischen, die im 15. und 16. Jahrh. die beliebteste Lektüre des Adels bildeten, nicht selten von Fürstinnen verfaßt wurden und den noch heute gelesensten V. zu Grunde liegen; auch hier ließ man die großen alten Epen des Karolingischen Sagenkreises unberührt; wenigstens blieb das Volksbuch vom heil. Karl (geschrieben 1551; neu hg. von Bachmann und Singer, Tüb. 1889) damals ungedruckt, und nur jüngere Auswüchse der Karlssage wurden in deutschen Drucken verbreitet; so die Haimonskinder (Simmern 1535; nach niederländ. Quelle Köln 1604), «Fierabras» (Simmern 1533), «Ogier» (durch Konrad Egenberger von Wertheim, Frankf. 1571), «Loher und Maller» (durch Elisabeth von Nassau, um 1437; erster Druck, Straßb. 1513; neue Bearbeitung von Simrock, Stuttg. 1868), «Oliwier und Artus» und «Valentin und Orsus» (von dem Berner Wilh. Ziely, gedruckt Bas. 1521). Die Geschichte Hugo Capets behandelt der gleichfalls von Elisabeth von Nassau bearbeitete «Hug Schapler» (Straßb. 1500); durch Heidenkämpfe und den obligaten Verräter Gendellet erinnert an Züge der Karlssage die Liebesgeschichte von «Pontus und Sidonia», übersetzt durch Eleonore von Österreich (um 1450; erster Druck, Augsb. 1498). Franz. Adels- und Lokalsage, mit einem Undinenmärchen verbunden, erzählt das Volksbuch von Melusine (s. d.), aus Couldrettes Dichtung übersetzt (1456) durch Thuring von Ringoltingen; die ritterliche Version einer altchristl. Sage ist der «Kaiser Octavian» (Straßb. 1535), bearbeitet von Wilhelm Salzmann; andere Ritterromane sind die «Magelone», übersetzt durch Veit Warbeck (Augsb. 1539; Neudruck von Bolte, Weim. 1894) und nach verlorener Vorlage «Herzog Herpin» (Straßb. 1514). Das Märchenmotiv von den dankbaren Tieren verbindet mit Ritterabenteuern der «Edle Ritter Brissonet» (Straßb. 1559; gedruckt erst Nürnb. 1656), aus unbekannter Quelle. Auch die Leiden der «Geduldigen Helena», ein Stoff, der dem Epos von Mai und Beaflor verwandt ist, wurden aus dem Französischen in ein deutsches Volksbuch verwandelt (ebd. 1508). Der durch Marquard vom Stein übersetzte «Ritter vom Turm» (Bas. 1493) enthält eine bedeutende Anzahl lehrhafter kleiner Erzählungen, die den Kern des didaktischen Werkes bilden. Solche Erzählungen, deren Ursprung oft in die ältesten orient. Litteraturen hinaufreicht, wanderten durch das ganze Mittelalter von einem Volk zum andern und wurden auch sonst wiederholt in Sammlungen vereinigt. Die beiden verbreitetsten Sammlungen dieser Art, die Gesta Romanorum